FITNESS FOREVER, 22.06.2013, Cabina ’56, Torre Annunziata
Privater Abholservice vom Flughafen in Neapel, mehrgängiges Willkommensmenü für die internationalen Besucher, spitzenmäßiges Wetter sowieso – da fühlen wir uns als diensthabende Gig-Blog-Italienkorrespondenten aber mehr als freundlich empfangen zur Album-Präsentation der Gruppe Fitness Forever.
Am frühen Abend geht’s Richtung Strand (die Show findet in Torre Annunziata statt, unweit von Neapel mit Blick auf Capri und Vesuv), wo wir dem ausführlichen Soundcheck beiwohnen dürfen und gleich die neuen Bandmitglieder Carola, Francesca und Roberto kennenlernen. Neue Bandmitglieder heißt übrigens nicht, dass die Sängerinnen Sara und Nicoletta sowie die Musiker Ernesto und Big Tony nicht mehr dabei sind, viel mehr ist die Gruppe als große Familie angelegt mit Mitgliedern, die je nachdem wie es Zeit und andere professionelle Verpflichtungen zulassen, mal live dabei sind, mal nicht.
Carola ist nicht nur Sängerin, sondern spielt auch Gitarre, Francesca bringt mit der Querflöte ein neues Instrument mit auf die Bühne, Roberto spielt diverse Synthesizer. Alle drei extrem virtuos, muss man bei FF eigentlich nicht mehr extra dazu sagen.
Vor dem Beginn der Show – losgehen soll es frühestens um 23 Uhr, schließlich haben wir ja Sommerferien – packen uns Luigi, Roberto und Micio, letzterer Mitglied der assoziierten Gruppe Valderrama 5, ins Auto und Luigi verspricht uns „I’ll take you to a dirty and greasy place!“. Klingt super für uns. Nach gut zwanzig Minuten sportlichem Rumgeheize landen wir in einer Paninoteca, die wahrscheinlich eher in keinem Reiseführer verzeichnet ist. Wir verdrücken unsere fettigen, in Butterbrot gewickelten Panini, das Autodach eines zufällig vor dem Lokal stehenden Kleinwagen dient uns dabei als Stehtisch. Zu Recht steht das Thema „Essen“ im Ranking der beliebtesten Konversationsthemen hierzulande ganz oben. Wie geil das aber auch immer alles schmeckt.
Als wir zurückkommen, ist rund um den Strand schon wahnsinnig viel Betrieb. Tanzgruppen, Familien, Unmengen von leicht bekleideten High-Heels-Göttinnen, Verkehrschaos sowieso, wie durch ein Wunder kommen wir trotzdem rechtzeitig an.
Fitness Forever spielen zum ersten Mal live in der neuen Besetzung und auch der größte Teil der neuen Stücke wurde vorher noch nicht aufgeführt. Im Auto haben wir das neue Album „Cosmos“ komplett zu hören bekommen (Spieldauer knapp 40 Minuten). Wow. Wie schon beim Debütalbum „Personal Train“ gibt’s auch diesmal wieder ein üppiges Füllhorn eigenwilliger, aber catchy Melodien, die grandios instrumentiert und detailverliebt arrangiert sind. Der Gesang steht diesmal deutlich mehr im Vordergrund. Sowohl Carlos als auch Sängerin Sara „Paster“, die auf dem Album zu hören ist, haben unglaublich an Selbstbewusstsein gewonnen. In Saras Fall besonders deutlich zu hören am Anfang von „Lui“, einem der Über-Hits der Platte. Auf Track 11, dem letzten Stück auf dem Album, erinnert mich Carlos’ Gesang an Burt Bacharach, bei dem das ja auch immer sehr berührend ist, wenn er schlicht und zurückgenommen seine eigenen Stücke singt. Auch Luigi „Scialdone“ singt ein Stück, das sehr an Celentano erinnert (Tracknummer 9) und das, soviel darf schon mal vorweg genommen werden, live der absolute Knaller ist.
Marcos Valle war diesmal ein wichtiger musikalischer Einfluss, auch Quinteto Ternura, wenn ich mich richtig erinnere, sowie die mir vorher nicht bekannte Shoegaze-Gruppe Lilys. Er sei „verrückt“ bekommt Fitness-Mastermind Carlos regelmäßig von seinen Mitmusikern attestiert, selbstverständlich als extrem respektvolles Kompliment gemeint.
Das Konzert findet im Rahmen einer sehr charmanten Indie-Veranstaltungsreihe namens „La Cabina `56“ statt. Das Publikum ist bunt gemischt, etwas weniger hedonistisch als die Crowd draußen bei den Konkurrenzveranstaltungen, aber trotzdem sehr attraktiv.
Trotz der kurzen Zeit in der sich die Band in dieser Formation zusammengefunden hat, ist das Zusammenspiel absolut tight. Von den alten Stücken spielen Fitness Forever „Albertone“, „L’Anarchica Pugliese“, „Probabilmente“ und „Mondo Fitness“. „D’Estate“ muss wegen der nach hinten raus begrenzten Auftrittszeit leider gestrichen werden. Von den neuen Stücken kommt erwartungsgemäß „Lui“ besonders gut an und natürlich auch – siehe oben – Luigis starker Auftritt.
Der Vollmond („Supermoon“) wandert im Verlauf der Abends über das fast wolkenlose Firmament und steht während des Auftritts im Rücken der Band. Einen Steinwurf entfernt schwappt, von den Einheimischen selbstverständlich geflissentlich ignoriert, die haben das ja jeden Tag, das Meer an den Strand.
Da fragt man sich schon, welche gutherzige Kreatur man in seinem früheren Leben gewesen sein muss, dass man sich einen derart traumhaften Samstagabend verdient hat.
„Cosmos“ erscheint im Herbst diesen Jahres bei Elefant Records.
Auf YouTube gibt’s auch was https://www.youtube.com/watch?v=Oi8YRT_EJuI
und hier das von Bassist Scialdone gesungene „Cosmos“; im Publikum tanzt auch irgendwo Erlend Oye dazu!!
und noch mal was an dieser Stelle: „Cosmos“ ist draußen, kann hier gehört (und auch gekauft) werden: https://elefantrecords.bandcamp.com/album/cosmos