THE AUTOCRATICS, SKAFARI, NO SPOOF, 14.06.2013, Jugendhaus Hallschlag, Stuttgart
Jetzt bin ich seit mehr als dreißig Jahren mit dem Offbeat-Virus infiziert, habe schon fast alles gesehen und gehört, was Rang und Namen hat, und wenn ich eines weiß: wenn eine Ska-Band aus Japan angesagt ist, darf man sich das nicht entgehen lassen. Anwesenheitspflicht, wenn The Autocratics aus Tokyo im Rahmen einer kleinen Deutschland-Tour einen Stopp in Stuttgart machen, auch wenn sie hier praktisch unbekannt sind. Mit Ska ist das aber so eine Sache: love it or hate it! Und ich werde den Verdacht nicht los, dass die Zahl der Ska-Liebhaber nicht gerade wächst. Und die verbliebenen Unverbesserlichen werden immer älter. Dass das Jugendhaus Hallschlag an diesem warmen Sommerabend trotzdem noch einigermaßen gut besucht ist, liegt schlicht daran, dass der Veranstalter als Support Act No Spoof gebucht hat.
No Spoof? Kennt doch auch keiner. Klar, ist ja auch deren allererster Gig. Schnell hatte sich aber herumgesprochen, dass hier drei Mann aus Stuttgarts bekanntester Ska-Band No bzw. Nu Sports mit zwei neuen Kollegen ganz neue Wege gehen wollen. Und so ist fast die gesamte Stuttgart Ska-Gemeinde, ehemalige Band-Genossen, andere Ska-Musiker und das lokale Ska-Radio angerutscht, um sich diese Premiere anzuschauen. Und die ist zweifellos gelungen: weg vom Pop-Ska, angereichert mit starken Rockelementen, Eighties-Synthie-Loops (ich erkenne z.B. „Being Boiled“) und Elektronik gibt es tatsächlich einen neuen Sound. Ska für Erwachsene, würde ich sagen (angesichts der rapiden Zielgruppen-Alterung kein Fehler) Anstelle einer großen Bläser-Sektion gibt es nur noch sparsam gesetzte Flügelhorn-Akzente. Das ist schon fast jazzig cool. Nur ein Titel aus dem alten No-Sports-Repertoire wird gespielt, der Rest ist neu. Darunter einer Reihe exquisiter Coverversionen, die man so noch nicht im Ska-Gewand gehört hat. „Nigger“ von Clawfinger oder „Waiting Room“ von Fugazi oder auch „Bullet And A Target“ von Citizen Cope (ok, das gab’s auch schonmal bei Nu Sports).
Das finstere „Bank Robbery“ – stilistisch eindeutig vom Specials-Evergreen „Ghost Town“ beeinflusst – könnte der heimliche Hit werden. Jetzt noch eine Prise Dub und wir bewegen uns auf ähnlich spannenden Pfaden wie die Genre-Grenzen-Sprenger Dub Pistols. Auch wenn der Einstand so den ein oder anderen kleinen Patzer (und auch hier und da eine Länge) hatte: das macht Lust auf mehr!
Als zweiter Act des Abends waren die italienischen Ska-Punker NH3 gebucht, die kurzfristig absagten. Als Ersatz kamen die Schweizer Skafari ins Programm. Bei Bands, die in ihrem Namen Wortspiele mit Ska machen, bin ich immer vorsichtig (außer den Skatalites natürlich!). Und die Kapelle aus Graubünden hat tatsächlich einen ganz anderen Ansatz. Rock-Gassenhauer wie der „Joker“ oder „Mighty Quinn“ werden im Ska-Rhythmus gespielt. Das ist absolut partytauglich, führt auch ein nicht so ska-affines Publikum an den Offbeat heran, ist aber definitiv nicht mein Ding. Zu sehr schauen an jeder Ecke die Rock-Musiker heraus. Der Stimmung im Jugendhaus tut’s aber keinen Abbruch. Ich nutze die Zeit für einen kleinen Plausch mit einem sympathischen Ska-Veteranen am Merch-Stand. Im Laufe des Gesprächs stellt sich raus, dass ich es mit „Bräsig“, dem ehemaligen Frontmann der Busters zu tun habe. Achja, die guten alten Zeiten… Mann, was sind wir alt geworden…
Die Frischzellenkur kommt gegen elf auf die Bühne. The Autocratics machen, kurz gesagt, 2-Tone-Ska auf Speed. Wie von der Leine gelassen, legen die Japaner los. Das ist völlig kompromisslos, der Offbeat pumpt nah an der Infarktgrenze. Alles zappelt, alles springt. Es dauert keinen halben Song, bis der ganze Laden skankt. (Die sympathischen Mädels und Jungs von Viva Con Agua tun dies sogar mit vorgeschnallten Bierkästen voller Spenden-Flaschen. Respekt!)
Und tatsächlich, die Autocratics pflegen das, was wir auch von anderen japanischen Ska-Bands (wie z.B. The Spymaker kennen): sie widmen sich einem schmalen Segment, hier dem 2-Tone und inszenieren dies in einer Perfektion, dass sie die Originale locker übertreffen. Und dies gilt nicht nur für die musikalische Qualität – trotz des infernalischen Tempos und des Jetlags ist das Zusammenspiel perfekt – das gilt auch für den ganzen Style. Die Jungs sind britischer als die Briten, alle von Kopf bis Fuß als Skinheads gekleidet. Geradezu exemplarisch werden die Untergenres dieser Jugendkultur vorgeführt. Vom klassischen Skinhead, über den Suedehead und die Brutalo-Glatze bis hin zum Rude Boy ist alles dabei.
Kein Titel ist gecovert, dennoch hat man immer das Gefühl, jeden Song schonmal irgendwo gehört zu haben. Raffiniert werden Versatz-Stücke aus Songs der Specials, The Beat und Bad Manners verarbeitet. Angeblich ist diese Art der Aneignung in Japan Ausdruck der Bewunderung und wird von uns gerne als Nachahmung missverstanden. Egal, jetzt ist keine Zeit für interkulturelle Feinsinnigkeiten. Die Autocratics treiben weiterhin mit unverminderter Vehemenz voran und freuen sich sichtlich, dass ihr Treibsatz auch in Europa zündet. Die Ansprachen ans Publikum sind meist unverständlich, werden aber von beiden Seiten mit freundlichem Lächeln quittiert. Lost in Translation. So beschränkt man sich auf „Stuttgart…ok! Kampai!“
Die The Autocratics haben sehr wohl einige Covers gespielt. zb.von the Who , Perfect oder auch von the Poques ( Das haben nur alte Säcke gemerkt) (-: Aber Hammer umgesetzt Respekt !Skafari war leider so kurzfristig nur mit einem Bläser vor Ort…Sonnst wär`s sicher Skankiger geworden .War auf alle Fälle ein tolles Festival. Besten Dank an alle und liebe OffBeat Grüsse aus der Schweiz.
Das Cover ‚I Fought The Law‘ von The Clash as Zugabe nicht zu vergessen…
Faszinierend, das die Autocartics eigentlich in Englisch gesungen haben, was schwer zu erkennen war und quasi kein Wort Englisch zwischendurch konnten.
Aber klasse waren die und vor allem extrem gut tanzbar!
Oha, The Autocratics haben sogar ein Pogues-Cover gespielt. Ich halte mich für den größten lebenden Pogues-Fan überhaupt aber das habe ich nicht erkannt. Ich bin entsetzt. Dafür habe ich das Thema von The Mexicano – Trial by Television erkannt.