CLUSTER BOMB UNIT, APPÄRATUS, ATOMIC DEATH, 10.06.2013, FFUS, Stuttgart
Punk im Stadt-Dschungel:
I han dengt, du koasch’s!
Cluster Bomb Unit, die altehrwürde Punkband (founded 1989!) aus der Region Stuttgart spielen heute Abend ein Konzert zusammen mit den zwei malaischen Bands Atomic Death und Apparätus aus Kuala Lumpur. Im Waggon am Nordbahnhof. Dschungeliger geht´s nicht, zumindest nicht hier.
Für Punk (oder Pöngk wie es Björk ausspricht, wenn sie über ihre alten Sugarcubes sinniert) bin ich kein Experte, um das mal vorweg klarzustellen – aber mir gefällt die Energie, das Do-It-Yourself-Element, die Schnörkellosigkeit. Von all dem gibt es heute Abend genug.
Um Punk(t) 10 prügeln Atomic Death für eine knappe halbe Stunde ihren Sound durch den Waggon, dass die alten Fahrwerksfedern schwingen. Für mein (ma)laienhaftes Empfinden spielen sie eher eine Mischung aus Hardcore und schnellem Metal. Die vier Malaien tragen langes Haar und Kutten mit zig Aufnähern. Auf den ersten Blick entsprechen sie damit dem klassischen Erscheinungsbild ihrer Subkultur, wer allerdings einmal durch Südostasien gereist ist, weiß, dass die dortigen Gesellschaftsregeln erheblich konservativer, teils stark religiös geprägt sind. Sich also so dort zu präsentieren, heißt einerseits sich gegen jene sozialen Normen zu stellen und andererseits sich Ablehnung und gegebenenfalls sogar Repressalien auszusetzen.
„Punk im Dschungel“ heißt der Film von Andreas Geiger, der neben der Südostasientournee von Cluster Bomb Unit auch die gesellschaftlichen Spannungen im Umfeld von subkulturellem Leben dokumentiert – ein sehr sehenswerter Film, der hiermit ausdrücklich empfohlen sei und im Rahmen des Filmfests Made In Stuttgart am 21. Juni im Landesmuseum Württemberg (Altes Schloss) gezeigt wird. Auf dieser Tournee lernten Cluster Bomb Unit die wilden Kerle von Apparätus kennen und rechneten nicht damit, sie jemals wiederzusehen, erzählt Moritz von CBU. Doch 2013 sind die Malaien zum ersten Mal in Europa unterwegs und spielen unter anderem in Mailand, Zürich, Wien, Budapest, Prag und Berlin – da darf die Landeshauptstadt nicht fehlen und Moritz lud die alten Freunde kurzerhand auf ein gemeinsames Konzert ein.
Apparätus, ebenfalls aus Kuala Lumpur (Keï Äl, wie die sagen dürfen, die schon mal in der Metropole waren), gehen zu dritt ans Werk. Sie teilen sich mit Atomic Death den Gitarristen/Bassisten. Apparätus tragen ebenfalls keine langsamen Balladen vor, ihr Hardcore-Subgenre man nennt sich D-Beat (habe ich gelernt). D-Beat kann man sich wie eine Mischung aus Punk und Speedmetal vorstellen – jetzt werde ich wahrscheinlich von den Fachleuten gesteinigt, aber ich brauch das Wort Speed, um auf den nächsten Satz überzuleiten: Jedenfalls ist Apparätus Sound zu schnell für die Bassdrum, die langsam vom Podest ruckelt. Fluchs sind Spaxx und Akkuschrauber zur Hand und die Trommel fixiert.
Saufen schreit der junge Sänger ins Mikro und prostet mit der Gruibinger Bügelflasche den etwa 30 Zuhörern zu. Da wird aktiv Deutsch gelernt. Zum Abschluss wird Oli von Cluster Bomb Unit zum „Duett“ gebeten und gemeinsam wird ein CBU-Song gebrüllt, wenn ich das richtig verstanden habe.
Um viertel vor 12 gehen schließlich Cluster Bomb Unit an den Start und pressen ihren D-Beat dem Publikum ins Mark. Wie die kleine Hexe in der Walpurgisnacht hüpft und kreischt Julia in der rosa Jogginghose ihre Parolen ins Mikro, unterstützt von Co-Sänger Oliver am Schlagzeug. Moritz lächelt dazu, während er seine Finger über den Bass flitzen lässt. Roland sondert stoisch Klang von seiner E-Gitarre ab, und Gründungsmitglied Werner wird immer wieder von technischen Problemen seiner E-Gitarre geplagt.
Hat oiner än gscheits Kaabäl?
Neues Kabel, neues Glück. „Wut“ wird zum Besten gegeben. Dieser Song kommt auch im Dokumentarfilm vor. Dort spielen CBU „Wut“ in einer Bambushütte und die tanzenden Indo-Punks singen beim Refrain mit: „Uuuu!“ – großartig! Zurück zum Konzert. Es muss noch ein paar Mal unterbrochen werden, was aber sehr zur Unterhaltung beiträgt. Oli meint zur Erklärung, dass sie heute Abend beinahe nur neue Songs spielen – ohne das Köchelverzeichnis von CBU zu kennen: Das war gelogen.
I han dengt, du koasch’s!
hört man aus dem Publikum lachend rufen. Beim letzten Stück legt Werner die Gitarre zur Seite und entlockt dem Effektgerät quietschende und kreischende Geräusche, während die Band weiterspielt. Für mich das beste Stück, aber ich bin ja auch Elektroliebhaber. Trotzdem war ich nicht falsch hier heute Abend – es war ein tolles Erlebnis in Stuttgarts Stadtdschungel.
Rückfahrt: Das gehört zwar nicht mehr zum Konzert, ist aber so absurd, dass es hier noch seinen Platz finden muss. Auf der Rückfahrt nehmen wir zu viert Platz in Yvys beigen Opel Kadett C (!) und werden beim Ex-Milchwerk-Gelände von einem riesigen schwarzen Afroamerikaner angehalten. Er trägt einen braunen Cowboyhut und ein rotes T-Shirt mit dem Aufdruck „Kaffee Haag“ und redet aufgeregt in Eddy-Murphy-Manier auf uns ein:
You know, that crazy bitch ditched me at the side of the road here in da middle of nowhwere – where am I? Please can you take me to the city, to Roger’s Kiste?
Well, wir quetschen den armen Kerl in unsere Mitte und nehmen ihn mit. Auf der Fahrt redet er ohne PunktundKomma und erzählt, dass er Sänger sei – Jazz, Soul, Blues, You-name-it.
Here is my card, my name is Leonard. The other guy on the left is called Troy – he is a background singer for Sarah Connor! Und schüttet Leonard sich aus vor Lachen…
schöner artikel und schöne fotos. danke für den bericht. kleine korrektur jedoch: im artikel werden appäratus und atomic death verwechselt. 4-köpfige metalband mit langen haaren: atomic death. d-beat trio mit kürzeren haaren: appäratus.
liebe grüsse
^^ what Moritz said – und das Cover mit Oli war Anti Cimex oder?
ah,stimmt. anti cimex – warmachine
Moritz: Vielen Dank für Lob und Hinweis.
Ich habe den Artikel daraufhin geändert – das wollte ich dann doch nicht so stehen lassen.
Unglaublich, aber genauso hat es sich zugetragen!!! :-)
Tja- klingt alles wie immer lustig und obwohl Ichs schon hundert mal gesehen hab, wär ich gern dabei gewesen, …