ORANGE GOBLIN, HOLISTIC HOBOS, SPACELORDS, 05.06.2013, Universum, Stuttgart
Mal wieder einer dieser Abende, an denen man als Autor prima glänzen kann, indem man am Ende nicht einen Songtitel nennen kann, der gespielt wurde. Liegt natürlich zu Großteilen schlicht daran, dass man die Bands nicht kennt, ein bisschen aber auch daran, dass die wenigen Song-Ansagen im Verlauf des Abends dank Lautstärke + Soundbrei nicht identifizierbar auf dem Trommelfell landen. Warum also hier? Weil Fotograf Michi mir den Namen Orange Goblin schon vor paar Jahren um die Ohren gehauen hat. Und besagte OG auch auf Man’s Ruin Records veröffentlicht haben. Da gibt es übrigens einen gig-blog internen Wettbewerb zwischen Michi und Tox, wer denn mehr geileres Vinyl dieses legendären Labels sein eigen nennen darf.
Viertel vor neun treff ich ein, um noch das letzte Stück der ersten Band Spacelords mitzubekommen. Wenn die Dauer dieses Songs typisch ist, dann dürfte ich auch nicht allzu viel andere verpasst haben. Ein langes, episches Stück also. Spacerock, hauptsächlich instrumental mit paar verfremdeten Vocaleinsprengseln des Drummers. Bisschen Hawkwind, aber auch My Sleeping Karma dürften in der selben Genre-Schublade zu finden sein. Die Gitarre ist nicht allzu hart, das Stück hat viele Parts und ist kompetent gespielt. Yo, ist schon gut anzuhören, was das Reutlinger Quartett so anbietet.
Kleine Nebenbemerkung vor der zweiten Support-Band: Einige Mädels heute Abend könnte man sich vom Kleiderstyle her auch genauso auf einem Camera Obscura Konzert vorstellen. Die Moderne hat auch ihre guten Seiten, von wegen Führer früher war alles besser.
Die Holistic Hobos aus Stuttgart setzen sich u.a. aus Überresten der Godless Funk Of Bonanza zusammen, und legen bei ihren ersten beiden Stücken den Verdacht nahe, Down sehr zu mögen. Was ja auch ok ist, gibt ja auch nicht viel aus dem Bereich langsamer und verzerrter Musik, das geiler klingt. Klingt jetzt nur ein wenig sehr nah am Original dran. Aber erstens ändert sich das im Verlauf des Sets deutlich, und zweitens spielt die Band so tight, dynamisch und abwechslungsreich, dass das komplett in den Hintergrund rückt. Da gibt es schöne zweistimmige Leads, standesgemäß mit Les Paul-Gitarren und Orange-Verstärker gespielt. Der fleißig im Beat mitnickende Gegentrend-Records-Helge meint auch richtigerweise, dass man als Stoner-Rock Band wohl einfach totgeschlagen würde ohne dieses Equipment.
Gegen Ende des Sets gibt es auch ein Stück mit schön dissonanten Akkorden, das fast schon im Prog-Gewand daher kommt. Das letzte Stück hingegen ist ein fast schon straighter Hardrocker. Klingt alles nach viel Potenzial, vielleicht mit noch etwas nötigem Feintuning in der Frage Abwechslungsreichtum vs. Eigenem-Stil-Finden.
Orange Goblin, das wird nach den ersten 10 Sekunden deutlich, ist live was das Optische angeht, hauptsächlich Sänger Ben Ward. Ein Koloss von einem Mann mit Haaren bis zum Steiss, Tattoos all over, Venom-Shirt, Bierdose in der Hand und ständigen Anfeuerungen des Publikums. Das Charisma eines irren Wrestlers, aber in sympathisch. Irgendwie sieht er vom Gesicht her dann doch total nett aus. Seltsam, ist aber so.
Der Sound ist erst mal ein wenig arg dumpf-breiig. Nix gegen viel Bass in diesem Genre, aber die Gitarre säuft in dem Bass-Sumpf anfangs fast total ab. Macht aber nicht viel, denn Spielfreude ist angesagt. Und außerdem geht’s musikalisch eh nicht allzu komplex zu. Also statt Florett eher der Degen…nee Beil…quatsch, besser: stumpfe, schwere Keule. Psychedelische Momente gibt es kaum, eher schnellere Songs, irgendwo zwischen Sabbath und Motörhead. Ein Stück gegen Ende des regulären Sets überrascht dann übrigens aber doch, mit fast schon Southern-Rock artigen Klängen.
Beeindruckend die Urgewalt mit der das Ganze stattfindet. Wie eine große, fette Walze, mit Ben Ward am Steuer, der gerne auch den Bier-Geysir gibt und sich mit dem kostbaren Nass selber das Gesicht beträufelt.
Ein Song, der als „song from the first album“ angekündigt wird, sticht für mich heraus, da er schön nach Black Sabbath klingt, wobei das Hauptriff dank atonalem Halbton-Passagen in seiner Bösartigkeit fast nach Slayer klingt. Appropos, Jeff Hanneman bekommt im Zugabenteil vor einem schnellen Thrashteil auch noch eine Widmung von Ben Ward. Dass er paar Minuten davor noch mit einer Flasche Jim Beam dem Publikum zugeprostet hat, kann man vielleicht auch noch als ungewollte Reminiszenz an die Trinkgewohnheiten des großen Slayer-Gitarrengotts auffassen.
Viertel vor zwölf ist dann der große Sturm vorbei. Dumpf war’s, Spaß hat’s gemacht, und wenn die Leber von Ben Ward das alles mitmacht, sieht man sich wohl demnächst auch wieder. Hat er zumindest einige Male versprochen.
Holistic hobos kommen ned aus Stuttgart sondern aus Schorndorf…