NAKED LUNCH, 08.04.2013, Zwölfzehn, Stuttgart
Die Wut über die Deutsche Bahn, dank der ich das Konzert von Archive verpasst habe, ist verraucht, Zeit sich den inoffiziellen Tapete Records -Meisterschaften zu widmen, die diesen April in Stuttgart stattfinden. Heute Naked Lunch, und Ende des Monats warten noch Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen und die kaum minder tollen Electra auf uns.
Die Klagenfurter sind ja mittlerweile schon seit Urzeiten im Geschäft, mit einer von Höhen und Tiefen gekennzeichneten Karriere. Eine schemenhafte Erinnerung verbinde ich auch mit ihnen. Wien, Ende der 90er, wir stolpern in eine Bar unter einem Bahnviadukt, im Nebenraum, durch einen Türspalt erkennbar, spielen die uns unbekannten Naked Lunch. Haben wir uns natürlich nicht angesehen, hatten besseres vor an jenem Abend (Trinken). Gelegenheit heute Abend diese kulturlose Erinnerungsschmach zu bereinigen, Karmabereinigung oder so’n Quatsch.
Trotz Montag und Konkurrenzveranstaltungen ist das 1210 gut gefüllt. And The Golden Choir verpassen wir leider, sind aber bereit als gegen 21:45 die vier Österreicher auf die Bühne kommen. Gut sehen sie aus, erster Eindruck. Irgendwie die richtige Mischung aus noch jung genug wirkend dank Glatzenmangel, aber irgendwie auch schon elder statesmen des Alternative.
Auftaktstück ist „Keep It Hardcore“ aus dem neuem Album „All Is Fever“. Viel Gitarrengeschrammel auf E-Dur, zweistimmiger Gesang, tolle Melodie, bin gleich mal sehr angetan. Und das wird auch so bleiben, also das mit dem angetan sein. „Country Girl“ stammt vom Vorgängeralbum, und das Notwist artige rhythmische Geplucker erinnert einen daran, dass es da mal Kollaborationen mit Weilheim gab. Enden tut das Stück brachial laut mit Oliver Welter, der mit einem Schlagzeug Stick auf seine Gitarrensaiten hämmert. Fast schon Hardcore-Noise.
„41“ ist wiederum vom neuen Album und hymnenhaft. Überhaupt schaffen es Naked Lunch irgendwie, trotz teils unkonventioneller Songstrukturen und Soundideen (eine Balalaika kommt auch mal zum Einsatz), immer melodisch und poppig zu bleiben. Liegt oft auch der zweiten Stimme von Herwig Zamernik, die bei vielen Songs mit ihren „Aaaahh“s schöne Harmonien den Songs hinzufügt.
Abwechslungsreich ist es. Nicht nur aus dynamischer Sicht. NL wissen, dass man um eine aufregende Live-Band zu sein, Songs nicht nur mit hoher Intensität spielen muss, sondern diese auch mit Auf und Abs versehen muss. Auch stilistisch geht es variabel zu. Da folgt auf einen narkotischen, wunderbaren Psychedelicsong im Stile der Dandy Warhols, mit Military Of The Heart ein Pophit, der auch Ende der 60er an der US-Westcoast geschrieben worden sein könnte. Super Lied!
Überhaupt ist das Konzert nicht eine Sekunde langweilig, die großen, warm aufleuchtenden Glühbirnen tragen ihren Teil zu dieser angenehmen Verweil-Atmosphäre bei. Sind die Herren am Anfang noch etwas wortkarg, gibt es gegen Ende immer mehr Ansagen, in denen ein sehr, sehr feiner Humor zum Vorschein kommt. Extrem sympathisch! Und alleine stehe ich mit meinem positiven Gesamturteil nicht da, denn NL werden für zwei Zugabenteile auf die Bühne zurückgeklatscht. Und das lohnt sich nochmal richtig! Vor allem das großartig hymnische The Sun ist nochmal was für’s Indiepop-Herzl.
Rausschmeißer ist dann „Shine On“, das anfangs fast wie ein Traditional amerikanischer Prägung daherkommt, bevor die anderen Bandmitglieder in das Geschehen eingreifen. Resümee: ganz großer Abend das, was für die Schatulle mit den besonderen Preziosen.
Ein Gedächtnis wie ein Elefant… .War das an jenem Abend, an dem ich euch zum Taxi bringen musste?
Lg matze
ich glaube fast ja. „Steinzeit“ ist noch so ein Erinnerungsfetzen…hab mir das glaub nur merken können, weil ich zu der Zeit einweder das Buch „Naked Lunch“ gelesen hatte, oder den Cronenberg-Film gerade gesehen hatte.