HOTEL BOSSA NOVA, 15.02.2013, Theaterhaus, Stuttgart

Hotel Bossa Nova

Foto: Andreas Meinhardt

Bossa Nova, zwei Gedanken mal vorab.

Der erste: Joao Gilberto, Gal Costa, Antonio Carlos Jobim, Astrud Gilberto, Marcos Valle, Caetano Veloso et al, eine illustre Reihe von Musikern, deren Stücke und Interpretationen, hauptsächlich aus den 60ern, ich mir ständig anhören könnte. Was mir daran gefällt? Der samtweiche Sound, ob in der Minibesetzung Gitarre und Stimme, oder ob mit großem Streichorchester, völlig egal. Die jazzigen Harmonien kombiniert mit diesen wunderbaren, wie nebenbei fallengelassenen Melodien, unprätentiös gesungen. Und das alles mit dieser unangestrengt wirkenden Lässigkeit, keine nach Aufmerksamkeit heischende Virtuosität, welche die Harmonie der Stücke stören könnte. Die große Kunst kompliziertes wie das einfachste und natürlichste der Welt erscheinen zu lassen.

Der zweite Gedanke: Ein wenig dieselbe Befürchtung, dass es sich mit modernem Bossa Nova so verhält, wie mit modernen Soul zu altem Soul. Das Lässige verschwindet hinter lauter Vokalakrobatik, die besonders eindruckvoll dokumentieren soll, wieviel Gefühl in der Stimme man doch hat, bei mir allerdings eher eine Mischung aus Leere und Genervtheit erzeugen. Sprich, die Schraube überdreht, genau das, was mir an der Musik gefällt wird missachtet, und unter einem Haufen von zuviel unnatürlich wirkender Virtuosität begraben. Bildliche Entsprechung: ich, der versucht überambitioniert pedantisch Samba tanzen zu wollen wie ein Brasilianer. Lockere Natürlichkeit geht anders.

Man kann es aus jeder Silbe bisher raus lesen, ich habe keine Ahnung was der Bossa Nova heutzutage so treibt. Und doch ist der Abend mit Hotel Bossa Nova aus Wiesbaden im ausverkauften T4 des Theaterhauses (ein paar der Zuschauer dürften beim Release von „Girl From Ipanema“ auch schon den Führerschein gehabt haben; gefällt mir gut das gemischte Publikum) dann doch weder das eine noch das andere. Der Gesang der portugiesischstämmigen Liza Da Costa zum Beispiel behagt mir. Natürlich ist es kein simpler Gesang à la Astrud Gilberto, und es darf auch keine jazzige Scat-Einlage fehlen, aber ihr Stimmtimbre ist angenehm, die Stimme nicht sehr in den Vordergrund gemischt, kein wimmerndes Vibrato oder zuviel Verzierungen. Kontrabass und Schlagzeug spielen auch eher angenehm unauffällig. Technisch vom allerfeinsten, aber mit dem richtigen Gespür für Zurückhaltung und Songdienlichkeit.

Hotel Bossa Nova

Foto: Andreas Meinhardt

Gitarrist Tilmann Höhn ist so was wie der heimliche Star der Kombo. Technisch ganz weit vorne was er da fabriziert. Ob mit Fingern komplizierte Arpeggi gezupft, ob mit Plektrum irre schnelle Soli gespielt, ob spanisch angehauchte Parts, oder mit der linken Hand Akkorde über fünf Bünde gegriffen, es scheint nix zu geben, was unspielbar für ihn wäre. Eine achtsaitige Gitarre kommt dann auch zum Einsatz. Sehe ich auch zum ersten Mal. Von meinem Blickwinkel und Entfernung, sieht es übrigens gerne mal so aus, als hätte man Peer Steinbrück die Hände von Paco De Lucia angeschraubt. Ist so, wirklich.

Eigentlich alles prima, und doch zündet der Abend bei mir nicht so richtig. Da sind einmal die langen Ansagen von Liza, die einen immer wieder aus der richtigen Stimmung holen, und die jetzt auch inhaltlich den Abend nicht unbedingt weiterbringen. Da ist auch die Musik selber, die zwar exzellent gespielt ist, aber irgendwie wollen die Parts sich bei mir nicht zu einem passenden Ganzen zusammenfügen. Da gibt es lange Intros auf der Akustikgitarre, die auch von Al Di Meola oder so jemanden stammen könnten. Dann kommen die Bossa-Parts, die wiederum in World-Music-artige Jazzparts übergehen, gefolgt von technisch herausragenden Soli. Jeder Teil für sich genommen entspricht einem Musikstil, mit dem ich sehr wohl was anfangen kann, von dem ich auch Platten habe. Aber die Kombination des Ganzen will bei mir keine euphorische Stimmung aufkommen lassen.

Das ist allerdings eher ein Problem meiner Perzeption und Erwartungshaltung. Für Bossa Nova ist es mir nicht straight und poppig genug, für Jazz dann doch wiederum zu sehr, und so weiter. Das Publikum ist – glaube ich – allerdings anderer Meinung, und steht sich selber psychologisch weniger im Weg, als ich es tue, und das ist auch gut so. Ich tapp danach dann raus in den Schneeregen, und muss mich wohl mit dem Gedanken abfinden, ein Bossa-Nova-Konservativer zu sein. Tristeza e melancolia. Und wie es der Zufall will, ich schwöre es, beim Schreiben dieses Artikels läuft im Hintergrund der vierte Abend des San Remo Festivals im Fernsehen, und wer tritt auf: Caetano Veloso. Felicidade!

Hotel Bossa Nova

Foto: Andreas Meinhardt

Ein Gedanke zu „HOTEL BOSSA NOVA, 15.02.2013, Theaterhaus, Stuttgart

  • 18. Februar 2013 um 10:43 Uhr
    Permalink

    Ich verstehe.

    Peer Paco: gefällt mir.

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