THE RUBY SUNS, 05.02.2013, Manufaktur, Schorndorf
Eine ganz Blasse würde mir ja schon genügen. Müssen nicht gleich mehrere sein, und rubinrot müssen sie auch nicht sein. Eine, von mir aus ganz grauslig anzuschauende, zerlumpte, depressive, sogar eine mit CSU-Mitgliedsausweis und Vampire Weekend Fan-Shirt, aber Hauptsache irgendeine Sonne mal wieder sehen, da würde ich gerade echt viel für geben. In Neuseeland, da wo The Ruby Suns aka Ryan McPhun her ist, ist jetzt Sommer. Und da merkt man, dass das Musikerleben kein Zuckerschlecken ist. Der arme Hund muss jetzt das seit Monaten in tiefem dunkelgrau gefangene Europa betouren, statt sich dem Südhemisphären-Sommer widmen zu können.
Das Hawaii-Hemd des Schlagzeugers sieht dann auch gleich danach aus, als sei man gerade erst aus dem Flieger aus Auckland ausgestiegen, um Punkt 21:30 in Schorndorf das Konzert beginnen zu können. Was das Trio dann bieten wird, entzieht sich irgendwie jeglicher Kategorisierung. Ryan McPhun (The Ruby Suns ist sein Kind) spielt abwechselnd einen Short-Scale-Bass oder E-Gitarre, und singt butterweich, gerne auch im Falsett. Das Drum-Set des Schlagzeugers ist u.a. um ein Percussion-Pad ergänzt, mit dem man elektronische Drum-Sounds ansteuert. Singen tut der Surferboy auch. Der Keyboarder steht hinterm Keyboard und spielt Keyboard.
Klingt jetzt nicht super ungewöhnlich, aber das Resultat ist es dann doch. Die in diesem Internet zu findenden Vergleiche, die Band höre sich an wie Yo La Tengo, Beach Boys oder The Apples In Stereo, stimmen irgendwie schon, denn eine gewisse Soundverwandtschaft ist da rauszuhören. Andererseits gab es im Set nicht einen Song, der mich ganz konkret an irgendetwas Bestimmtes erinnert hätte. Am ehesten muss ich vielleicht noch an Hall & Oates denken.
Also es ist Pop auf jeden Fall. Aber nicht dieser klar strukturierte Pop, wo der Song angezählt wird, Strophe-Refrain-Strophe-Refrain, Aus. Oft ist es so, als würde die Band sich leise in den Song reinschleichen, ruhig und sachte. Irgendwann später ist man bei einer Art Refrain, die Rhythmus-Pattern sind gerne mal komplex, und die Songs verlaufen auch nach einem Refrain nicht in einem „normalen“ Songmuster weiter, sondern sind irgendwie, wie soll man’s sagen, ungewöhnlich. Und das Erstaunliche aber ist, wir reden hier nicht über verkopften und extra auf schlau gemachten arty Avantgarde Pop oder sowas. Die Songs lassen sich wunderbar anhören, tolle Melodien dabei, und die letzten 2/3 des Sets sind nach dem etwas ruhigeren ersten Drittel ja fast schon mitreißend, rockig. Für mich klingt’s wie anspruchsvoller Soft-Pop aus den End 70ern, der schon damals zu gut für Hitparadenerfolge war.
Die nicht allzu vielen Zuschauer sind sehr angetan. Was auch damit zu tun hat, dass die Band sehr sympathisch rüberkommt. Nach dem ersten Stück „Desert Of Pop“ begrüßt Ryan das Publikum mit „Hello on this chilly Monday“, um gleich von seiner Band den Wochentag korrigiert zu bekommen. Ihm ist das sichtlich peinlich („oh my god, this was really bad“), während sein Keyboarder den Ball aufnimmt und „Hello, Paris!“ ins Publikum ruft.
Und so geht dann eben der Abend so. Popminiaturen mit leicht seltsamen Harmonien, bei einem Stück ist der Gegengesang des Drummers mit Vocoder verfremdet, bei einem anderen gibt es ein virtuoses Keyboard-Solo, das man so vielleicht das letzte Mal in den 80ern gehört haben durfte. Alles nicht so richtig einordenbar, alles immer höchst spannend und trotzdem eine Wohltat für den durch Grippe und Winter ausgelaugten Autoren, und wie immer in der Manufaktur alles bei bestem Sound. Knapp 70 Minuten allerfeinsten Konzerts, nicht so im Kraftklubschen Sinne ein Konzert, eher so im Sinne feingeistiger Popkunst. Und da kann uns der Schneesturm, der draußen wartet, auch mal gern haben.
Lino, auch in Neuseeland gibt es Wolken. Und schlimmer: viel Wind.