JENNIFER ROSTOCK, 20.01.2013, LKA, Stuttgart
Spiegelglatt ist es, als ich mich am Sonntag auf den Weg ins LKA nach Wangen mache. In den Ohren habe ich noch das Lachen meiner Frau. Die lacht immer, wenn es um Jennifer Rostock geht. Außer wenn sie im Autoradio laufen – da lacht sie dann nicht mehr. „Ihr solltet Euch schämen“, meinte sie noch vor ein paar Tagen. Den Gefallen tun wir ihr aber nicht. Scheiße ja, wir gehen zu Jennifer Rostock. Und wir werden da sogar Spaß haben.
Zugegeben, Jennifer Rostock machen es einem nicht immer ganz leicht, sie zu mögen. Sängerin Jennifer Weists Auftritt beim perfekten Promi-Dinner war echt ein wenig peinlich. Und auch bei der einen oder anderen Bühnenansage hätte ich besser mal weggehört. Trotzdem: der Indiepop der gebürtigen Usedomer kann schon Spaß machen. Nicht mehr und nicht weniger. Ebenfalls nicht ganz zu vernachlässigen ist die schmucke Erscheinung der schwer tätowierten Sängerin.
Wir sind früh da und bestens gelaunt (Einlass ist um 18 Uhr und Konzertbeginn ist 19 Uhr – süß!). Erstmal anstoßen auf den Abend. Der Huiss hat noch ein bissle an den Auswirkungen des Vortages zu knabbern, schlägt sich aber wacker. Björn sowieso. Das Publikum im ausverkauften LKA ist weitgehend weiblich und noch weitgehender sehr jung. Trotzdem haben sich auch ein paar Leute unters Publikum gemischt, die ganz offensichtlich schon volljährig sind. Drinnen spielen gerade Aufbau West. Bissle Indie, bissle Rock, bissle Sprechgesang. Ganz nett. Eigentlich wollten wir unsere Jacken an der Garderobe abgeben. Die Schlange ist aber lang und so holen wir uns erstmal ein Bier. Das stellt sich später als fataler Fehler raus. Die Garderobe macht heute nämlich schon früh Feierabend. Sauber, dann schlepp ich halt meine Winterjacke mit mir rum. Danke LKA.
Immerhin sehen wir Jennifer Rostock… ähm, ich meine Jennifer Weist schon mal kurz auf der Bühne. Sie lässt es sich nicht nehmen, Aufbau West bei einem ihrer Songs zu unterstützen. Die Pausen zwischen den Bands werden mit Dubstep gefüllt. Schmeckt nicht allen, mir aber heute schon. Die zweite Band namens Heisskalt kommt aus Stuttgart. Scheinbar starten die gerade richtig durch. Vom Cro-Label Chimperator unter Vertrag genommen wird man von ihnen sicher noch einiges hören. Der harte deutsche Rock der Lokalmatadore scheint auch beim Publikum gut anzukommen. Bei uns kommt erstmal noch die nächste Runde an. Die Laune steigt.
So gegen 21 Uhr betreten dann Jennifer Rostock die Bühne und eröffnen die Sause mit „Fuchsteufelswild“. Die anwesenden Teenies brauchen nur Sekunden um voll dabei zu sein. Die meisten anderen auch. Nur bei uns dauert es noch ein bisschen. Wird aber noch. Versprochen. Während Jennifer Rostock NDW-Indie-Rock-Songs wie „Du willst mir an die Wäsche“, „Himalaya“ oder „Meine bessere Hälfte“ spielen, passiert die eigentliche Show oft zwischen den Songs. Da werden Backstage-Pässe verteilt, Kurze gekippt und großspurige Jungs wegen ihrer rudimentären primären Geschlechtsmerkmale gehänselt. Nichts Neues, wenn man Jennifer Rostock schon mal live gesehen hat, aber auch immer wieder lustig. Bei „Kopf oder Zahl“ werden Teenieträume wahr. Zwei Mädels dürfen auf der Bühne mitsingend gegeneinander antreten und ihre Hintern an den von Jennifer Weist reiben. Da hätten sicher einige der anwesenden Männer auch nix dagegen. Also zweiteres meine ich jetzt. Singen kann ich ja nicht. Äh, die anderen meine ich. Glaube ich.
Auf dem Klo werde ich erstmal von einem schwer tätowierten Grobian beleidigt. „Hey Limp Bizkit„, sagt er noch während des Uriniervorganges zu mir, „alles klar?“. Bitte? Erstens werde ich extrem ungern auf dem Klo angesprochen und schon gar nicht so. Deine Mudder sieht aus wie Limp Bizkit! Ich bin zwar kein großer Fan meines Rasierapparats und ich habe ein Cap auf. Aber sonst? Ein Kompliment sollte das sein, beteuert er auf meine Unmutsäußerung hin. Ist es aber nicht, beteuere ich zurück. „Was wäre denn ein Kompliment?“ fragt er. „Dass ich aussehe wie Ryan Gosling“, erwidere ich. „Du siehst aus wie Ryan Gosling“, sagt er. Sauber, ich gehe zufrieden zurück zu den anderen. Ich hätte ihn verarschen sollen, weil er auf einem Jennifer Rostock-Konzert ist, denke ich mir auf dem Rückweg.
Wir sind dann jetzt übrigens auch so weit. Wir fangen an uns bestens gelaunt rumzuschubsen und beziehen auch die Umstehenden mit ein. Da freuen die sich bestimmt drüber. Ich komme mir dabei auch gleich zwanzig Jahre jünger vor. Ungefähr so wie damals, als ich zu Bon Jovi im Maxim Gorki Pogo (ich habe erst später gelernt, dass das nicht wirklich Pogo war) getanzt habe.
Was bei einem Jennifer Rostock-Konzert natürlich auch nicht fehlen darf, sind nackte Brüste. Nicht die der Sängerin. Nein nein, dafür müssen schon die Fans selbst herhalten. Ein Cowboy-Schorle (Jacky Cola) winkt als Lohn für die bestandene Unreifeprüfung. Und siehe da, gleich drei Mädels ziehen mit und damit blank. Sauber. In mir kommen Erinnerungen hoch an den lustigsten Moment, den ich jemals auf einem Konzert erleben durfte und wohl auch jemals erleben werde. Haha. Jennifer Rostock aufm Southside 2012. Neben einigen ansehnlichen jungen Damen hat bei der üblichen Blankzieherei auch eine nicht mehr ganz so taufrische ein wenig Luft ans Dekolleté gelassen. Und jedes Mal wenn der Kameramann, der sie irgendwie lieb gewonnen haben muss, sie im Bild hatte, ist schallendes Gelächter und Gejohle aufgebrandet. Sie hingegen muss das mit Applaus verwechselt haben und schüttelte alles durch was es durchzuschütteln gab. Das ging eine ganze Weile so, quasi ein abgrundtief lustiges Perpetuum Mobile. Ich war nicht der Einzige, der am Ende Tränen lachte. Mist, geschrieben klingt das gar nicht mal sooo lustig. War es aber wirklich. Scheißlustig sogar.
Gegen 22.30 Uhr spielen Jennifer Rostock mit „Blut geleckt“ ihren vorerst letzten Song. Als Zugabe gibt es aber noch „Wo willst Du hin?“, „Feuer“ und „Es war nicht alles schlecht“. Und Mensch, sieht die gut aus. Klasse Abend, wirklich. Hat richtig gut Spaß gemacht. Zuhause werde ich mich auch dafür nochmal auslachen lassen müssen. Aber hey, da steh ich drüber.
Was, Jennifer Rostock? HAHAHAHAHA! Schöner Text mit spürbarer Bierseligkeit im Subtext. Der Auftritt auf dem Southside war groß.
Super Text, Ryan.
P.S.: Deine Frau hat Recht.
Sauber, du grober Ryan Gosling. :)
Ich hab das blankziehen verpasst, obwohl ich neben dem Autor ausharrte. Sowas.
Ja echt Björn, die sollen das nächste Mal eine riesengroße Leinwand wie beim Southside aufstellen… und dann ganz laut „Titten“ brüllen!