SEEED, 04.12.2012, Schleyerhalle, Stuttgart

Seeed

Foto: Andreas Meinhardt

Soviel vorab: für den Gigblog und eine hautnahe Berichterstattung bin ich sonst ja immer dort, wo es weh tut: mitten im Moshpit, im tiefsten Festival-Schlammloch, direkt vor den Boxentürmen, Aug in Aug mit der Band oder auch dem Singer-Songwriter quasi direkt auf dem Schoß.

Insofern ist dieser Abend in der Schleyerhalle mal eine neue Erfahrung. Ein Sitzplatz im Presseblock, von der Bühne etwa so weit entfernt wie Berlin von Stuttgart. Vogelperspektive auf ein paar tausend tobende Leute und auf der Bühne am Horizont dreizehn winzige Männlein auf einer treppenartigen Kulisse. Optisch kaum identifizierbar, aber unüberhörbar: das sind Seeed! (Aus dieser Distanz werde ich dem Gig vielleicht nicht ganz gerecht. Vorab also ein sorry an die Fans, die hier mehr Euphorie erwarten)

Denn ich vermute: die da unten im Innenraum haben einen verdammt lustigen Abend mit den Dancehall-Königen. Und zwar vom ersten Moment an. Als Seeed nämlich pünktlich um neun mit „Wir sind Seeed“ loslegen, wogt der Laden umgehend und auch auf den Rängen erheben sich sofort alle von den Sitzen und schwingen ihr Teil. Ein überraschend vielfältiges Publikum übrigens, davon ein großer Teil deutlich Ü30. Seeed scheinen doch viel mehr Leute zu erreichen, als ich erwartet hätte. Jedenfalls haben wir hier sicher nicht nur das typische Dancehall-Partyvolk. Liegt’s vielleicht an Peter Fox, der mit seinem Über-Album „Stadtaffe“ mittlerweile auch im letzten deutschen Wohnzimmer angekommen ist und neue Zielgruppen erschlossen hat?

Sei’s drum: Seeed gehen jedenfalls ab, und alle gehen steil. Gut sechs Jahre ist mein letzter Seeed-Gig schon her, im Vergleich mit dem damaligen ist inzwischen alles reduzierter. Keine firlefanzigen Hüte und rote Glitzeranzüge mehr, keine Background-Mädels und Gogo-Tänzerinnen in Kompanie-Stärke. Wozu auch? Der Auftritt im dunklen Anzug und Krawatte ist bei weitem cooler, die Choreografie der drei Sänger noch tighter. Und der Sound, der ist immer noch genau so massiv, auf jeden Fall variantenreicher.

Zwischendurch reitet Peter Fox immer wieder das alte Berliner-Schwaben-Thema, redet uns mit „meine lieben Schwaben“ an, fordert uns auf, doch lieber in unserer Berg-und-Tal-Stadt Stuttgart zu bleiben und nicht nach Berlin zu kommen. Aber natürlich nur, weil es hier viel schöner sei. Außerdem hätten wir eh den coolsten Typen als Landesvater. Was früher vielleicht ernst echtes Schwaben-Bashing war, kommt jetzt mit einem nicht unsympathischen Augenzwinkern rüber. (Naja, alles andere wär auch allzu blöd, ausgerechnet in Stuttgart)

Seeed

Foto: Andreas Meinhardt

Das Programm ist eine gut kalkulierte Mischung aus Titeln ihres aktuellen Albums und alter Hits. Nahezu pausenlos prasseln die Beats auf die tanzende Menge ein, vom erdenschwerem Reggae mit Tiefbass-Synthie wie bei „Waterpumpee“ bis hin zu Uptempo-Nummern mit rockigem Einschlag wie das aktuelle „Molotov“. Natürlich fehlen auch „Alles Neu“ und „Dickes B“ nicht. Mitsing-Titel gibt es auch, und mit einem beeindruckenden Riesenchor zu „Aufstehn“ endet der offizielle Teil des Gigs.

Zur Zugabe lassen sich die Herren ziemlich lang bitten, spielen dann „Beautiful“ und „Elephants“ vom aktuellen Album, bevor sie zu „Schüttel deinen Speck“ drei Mädels aus dem Publikum zu einem Dance Contest auf die Bühne bitten. Die drei aus Stuttgart, Ulm und Winnenden bringen die Halle dann endgültig zum Ausrasten. Wie geheißen schütteln sie „ihre Schrippen“, „ihr Gold auf den Rippen“ und auch „ihr Holz vor den Hütten“ – und das nicht zu knapp. Hier haben sie als Dancehall Queens ihre drei Minuten Fame. Und 12.500 in der Halle haben ihren Spaß.

Zwei Erkenntnisse bleiben mir nach diesem Abend. Erstens: Seeed ist Peter Fox ist Seeed. Keine Widerrede. Zweitens: große Konzerte sind nichts für mich. Beim „Geheim“-Gig im Zapata hätte ich mich vermutlich wohler gefühlt, aber an dem Abend bin ich ja lieber ins noch lauschigere Goldmark’s gegangen.

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