MOTÖRHEAD, ANTHRAX, 28.11.2012, Arena, Ludwigsburg

Motörhead

Foto: Dominic Pencz

Gleich zwei Giganten des Metal an einem Abend in meiner Stadt, ich könnte mir wirklich Schlimmeres vorstellen. Motörhead spielen wieder pünktlich zur Vorweihnachtszeit ihren Cowboystiefel runter. Das aktuelle Album ist zwar von 2010, trotzdem können wir nun schon im dritten Jahr in Folge vom Konzert der Engländer berichten. Vorjahresberichte hier und hier.

Aber zunächst zu Anthrax, ebenfalls Urgesteine, wenn auch nicht ganz so urig, aber immerhin schon seit 1981 aktiv, sind ein hochkarätigerer Support als sonst bei Motörhead. Die Band hatte – zumindest früher – einiges an Gewicht in die Waagschale zu schmeißen. Der in Fachkreisen gebräuchliche Ausdruck „Mosh“ kommt von den Männern aus New York City, „Thrash“ glaube ich auch (jeweils von Titeln), weiter verbuchen Anthrax für sich Metal und Rap zusammengebracht zu haben, mit Stück „Bring The Noise“ gemeinsam mit Public Enemy. Knallt immer noch gut. Dazu kommt, dass Anthrax zu den „Big 4“ des Heavy Metal, neben Metallica, Slayer und Megadeth gehören. Auch wenn der Begriff jetzt nur von einer Tour stammt, stimmt schon würde ich sagen.

Mein letztes Anthrax-Konzert liegt lange zurück, in der Rockfabrik , war das, und damals noch mit dem Sänger John Bush, heute mal wieder mit Joey Belladonna, mit dem ich Anthrax kennengelernt hatte. Thema Sänger bei Anthrax – ein eher trauriges. Ohne jetzt noch voll interessiert zu sein an der Band, habe ich immer wieder mal mitbekommen, dass mit dem einen ein neues Album eingespielt wurde, auf Tour war man aber wieder mit einem anderen, diverse ältere Männer sitzen im Personalkarusell, ein riesen hin und her. Selbst bei oberflächlicher Betrachtung drängt sich der Verdacht auf, dass es hier in erster Linie um eines geht, ums Geld. Zwar sind die Mieten in NYC bekanntlich sehr hoch, und wenn man wie Scott Ian mit der Tochter von Meat Loaf verheiratet ist, steht man vielleicht schon unter einem gewissen Druck, viele der grünen Scheinchen abzuliefern. Aber trotzdem. Hat ein Gschmäckle.

Anthrax spielen im Zeichen des leicht modifizierten Pentagram eine ordentliche Show, da gibt’s nichts. Wie oben schon erwähnt werden die Trademarks ausgepackt, „Caught In A Mosh“ ist das erste Stück des Abends, zum Anheizen der Moshergemeinde. Belladonna sieht aus der Distanz original unverändert aus. Gleiche Matte, gleiche Klamotte, doch was ist das? Ein Anthrax-Shirt ziert den dürren Leib. Das gibt natürlich Abzug. Weiß doch eigentlich jeder, dass nur Morrissey seinen eigenen Merch tragen darf. Weiteres trauriges Beispiel hier.  Abgesehen davon gibt er sich echt Mühe, heizt an, ich freue mich mal wieder den für mich ersten Sänger in Metall-Aktion zu sehen und zu hören, obwohl mir ja John Bush mit seiner Reibeisenstimme besser gefällt. Belladonna hat vermutlich die Ronnie James Dio – Universität besucht, geht schon sehr in diese Richtung. Eher hoch mit so Verkünstelungen. Und zur Klarstellung: Belladonna, was ja wahrscheinlich „schöne Frau“ bedeutet, ist aber KEINE Frau. Ein Freund von einem Freund lobt nach dem Konzert, „die Alte“ von Anthrax, sei fett abgegangen, was zu Belustigung geführt hat. Aber so von noch weiter hinten, ohne Vorkenntnisse, gar nicht so abwegig. Die alten Klassiker des Thrash werden präsentiert: Doublebass ballert zuverlässig, kein Wunder, am Schlagzeug sitzt Charlie Benante, ein Kaffee-Junkie mit Starbucks-Tattoo. Auch so eine traurige Wahrheit über Anthrax.

Motörhead

Foto: Dominic Pencz

Was kam noch so – das Telefon zeigt mir an: Deathrider, Uraltnummer von ganz ganz ganz am Anfang, welche sie gleich mal Motörhead widmen, Hymne (wenn auch gecovert glaube ich) „Antisocial“, alle grölen mit, das gleiche bei „Indians“. Dann folgt die zwischenzeitlich nicht selten gewordene Zeremonie für Ronnie James Dio, ein Mann der in der Metalszene vermisst wird, ein guter Mann, witzig aber auch weise, hat er mir bei einer zufälligen Begegnung in Italien schriftlich attestiert: „You rock“. Ohne das er mich vorher kannte, hat er das gleich von sich aus erkannt. Ein zweiter, ein echter Metal-Märtyrer wird ebenfalls geehrt – Dimebag Darrell von Pantera, der im Einsatz live on Stage erschossen wurde. Die Köpfe der beiden sind auf große Tücher airbrush-artig angebracht, ein passendes Lied wird vorgetragen, schon andächtig, Horns in die Höhe für DIO, wie es sich gehört.

Es kommt noch ein Lied, dass ich mir bei freier Auswahl gewünscht hätte, „Got The Time“ von der „Persistence Of Time“ aus dem Jahre 1990 – meine erste Anthrax-Platte. Eine schnelle, kurze, punkige Nummer – super, ich freue mich. Da verzeihe ich der Belladonna auch einen möglichen weiteren Fauxpax, denn „Ludwigsburg“ hört sich aus seinem Mund schwer nach „Luxemburg“ an. Ich kann mich aber auch täuschen. Wie eingangs erwähnt – solide Metal-Show, hat Spaß gemacht.

Motörhead sind, was das Personal angeht, deutlich konsequenter. Die drei Herren spielen in dieser Besetzung schon seit annähernd 20 bzw. 30 Jahren zusammen, ein Austausch des Sängers ist so wahrscheinlich wie das Zufrieren der Hölle.

Dieser Sänger und Bassist, dieser „Lemmy“, unser Lemmy, dürfen wir mittlerweile sagen, ist heute besser drauf als vor zwei Jahren. Richtig gesprächig. Wir erfahren z.B., dass Deutschland den „Arsch von Motörhead“ gerettet hat. Deshalb ab jetzt: „Unser Lemmy“. Zum Dank gibt’s „Motörhead Deutschland“ Deko auf der Bühne. Warum dieses konsequente Touren? Im Sommer Festivals, im Winter die Hallen, und das schon seit gefühlten, auch was, tatsächlichen 10 Jahren. In einem Interview hat Lemmy mal gesagt, dass Motörhead schon früher reich an „Kudos“ waren, aber hängengeblieben ist wenig. Geld wird heute in der Musikindustrie bekanntlich weniger mit der eigentlichen Musik verdient, sondern mit Eintrittspreisen und dem Merch bei den Konzerten. Und hier ist Motörhead ein echtes Schlachtschiff. Vom Babystrampler bis zum „Vödka“ ist alles zu haben, was das Fanherz begehrt. Neu im Sortiment: Motörhead Headphönes. Auch wenn es teilweise etwas stumpf zugeht bei den Shows, glaub ich aber trotzdem, dass die Band schon immer noch Bock hat den auf den Rock & Roll-Zirkus. Nur finanzielle Interessen will ich bei Motörhead nicht wahr haben.

Sie starten sogar mit einem Lied der neuen Platte „The Wörld Is Yours“ (was wären Motörhead ohne das „ö“?) durch, „I Know How To Die“. Glatt gelogen der Titel, aber ansonsten, das Erfolgsrezept wie wir es kennen und lieben. Andrew Eldritch (Sisters Of Mercy) hat mal über Motörhead gesagt, dass das die dümmste Musik überhaupt sei, aber genial dumm. Deshalb sei er ein großer Fan. Den Spruch, dass der dümmste und der intelligenteste Typ im Raum beide wahrscheinlich auf die Beatles abfahren, lässt sich auch sehr gut auf Motörhead anwenden.

Weiter geht’s u.a. mit „Stay Clean“, von der „Overkill“ (1979), finde ich gut, überhaupt die „Overkill“, es kam noch „Metropolis, und die Zugabe lautet auch „Overkill“. Keine andere Platte wird heute so oft ausgepackt. Die Stimmung ist schon ganz gut in der ganz ordentlich gefüllten Arena. So voll wie bei Volbeat ist es nicht, aber kann man schon lassen. Gefällt mir wesentlich besser als die mit Vorhängen abgehängte Schleyerhalle. Motörhead sollen doch bitte die nächsten 10 Jahre in Ludwigsburg spielen. Angeblich hat Lemmy ja mit dem Rauchen aufgehört. Das ist zwar auch schon wieder traurig irgendwie, aber wenn’s hilft, dass er womöglich 80 wird, ok. In „Ace of Spaces“ singt er zwar „I don’t want to live forever“, aber The Who wollten ja auch schon längst tot sein, und leben noch zu 50%.

Wir werden noch mit jeweils einem Gitarren-, und einem Drum-Solo beglückt. Bin ich immer noch kein Freund von, und werde es auch nicht mehr. Ein 80er-Jahre-Relikt. Glaube ich zumindest. Im besagten Jahrzehnt war ich noch kein Konzert-Gänger. Da müsste man mal den Gig-Blog Methusalem befragen, was er in den wilden 80s, zwischen all dem toupierten Haar auf den White Metal-Konzerten alles so erlebt hat. „The Chase Is Better Than The Catch“, „The One To Sing The Blues“, „Going To Brazil“ kommen noch, alles Stücke, die ich mir bei einem Motörhead-Wunschkonzert sicher nicht wünschen würde. Überhaupt, meine Playlist, das wäre mal was, die Halle würde kochen, sogar auf das unvermeidliche „Ace Of Spades“ könnte ich verzichten, einfach aus Angst, Lemmy könnte wahnsinnig werden, in dem Moment, in dem er das Stück zum 100.000sten Mal anspielt. Natürlich kommt die Nummer, wir singen auf Einladung natürlich trotzdem mit. Schon immer noch super. Noch besser: „Killed By Death“ kommt auch, aber auch hier will der Titel einfach nicht stimmen.

Die Zugabe wurde ja schon erwähnt, es bleibt dabei, besser als in der Schleyerhalle, unser Lemmy ist immer noch ein Monolith im Metal, oder Rock & Roll, wie er es sagen würde, hat Spaß gemacht, hat Ludwigsburg aufgewertet, ein Prost auf Motörhead, auf Lemmy, Bier trinkt er noch, soweit ich das sehen konnte.

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