JACQUES PALMINGER & THE KINGS OF DUBROCK, 21.11.2012, Schocken, Stuttgart

Jacques Palminger

Foto: Steffen Schmid

Da hätte das Ersatzmariechen mal besser den Mauszeiger vom Senden-Butten gelassen, statt übereifrig eine „hier, hier, hier. Ich, ich, ich.“ Nachricht zu verschicken, als die Info kam, dass der eigentliche Kritiseur von den Kings of Dub Rock ausgefallen war. Denn nun sitz ich hier und weiß nichts außer: „Sorry, Herrschaften, also ich hab’s nicht kapiert.“

Dieser Palminger. Verrückt ist der. Und praktisch nicht recherchierbar. Man werfe zum Beispiel einen Blick auf seine Website: www.palminger.de. Na, herzlichen Dank auch. Oder auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=s7U09a5PlVI

Na, herzlichen Dank auch.

Aber hilft ja nichts. Da müssen wir jetzt alle durch. Hier kommt mein schönstes Ferienerlebnis.

Letzten Mittwoch war also dieser Palminger mit seinen Kings of Dub Rock in unserer Stadt „mit Loch“. So nannte dieser Mann Stuttgart irgendwie die ganze Zeit. Ich vermute, es hatte etwas mit unserem Bahnhof zu tun. Oder mit etwas Anzüglichem. Wahrscheinlich mit beidem. Muss man nicht verstehen. Auf jeden Fall war der da und trat im Schocken auf. Davor traf man (also nicht der Palminger sondern meine Begleitung und ich) sich im Junior. War mir auch neu. Verrückt, was sich in der Stadt mit Loch tut, wenn man sie einmal kurz aus den Augen lässt. Wicked. Als es Zeit war, begab man sich hinüber ins Schocken. Um 21 Uhr sollte es losgehen, man traf pünktlich ein und der Laden war noch fast leer. „Perfekt.“ dachte ich bei mir „Kennt also wirklich keine Sau diesen Palminger. Schreibste morgen irgendnen Mist zusammen. Liest dann eh keiner. Jetzt erst mal ne Johannissaftschorle.“

Dann wartete man. Und plötzlich war der Laden voll. Voll mit Männern – die keine Hipster waren, sag ich jetzt mal. Voll mit Männern, die sich gegenseitig „Fraktus“ nacherzählten. Mist, da hat der auch mitgemacht. Hätte ich bloss letztens nicht bei der Gig-Blog Fortbildung im Delphi geschwänzt. Das hat man jetzt davon. Mut zur Lücke rächt sich immer. Mist. Darauf noch mal ne Johannisbeersaftschorle.

Jacques Palminger

Foto: Steffen Schmid

Irgendwann recht spät, kam ein Mann auf die Bühne, stellte sich hinter so ein Soundmachgerät und wartete. Dann kam eine Frau, stellte sich ans Mikro und wartete. Dann kam ein Mann mit roter Wollmütze. Das war der Palminger. Und dann ging es los. Um mich herum wippte und freute sich das Publikum. Auf der Bühne machte man vielleicht Musik. Und der Palminger war irgendwie immer sauer auf etwas. Das Publikum freute sich darüber. Und wippte. Meine Begleitung wunderte sich, dass ich nichts mitschrieb. Ich behauptete, ich könne mir das alles merken. Aber ganz ehrlich: Ich wusste einfach nicht, was ich da mitschreiben sollte. Ich stand unter Schock. Als man dann „Fick dich, Henry Maske“ sang, fragte ich das Umfeld mal vorsichtig, ob man das jetzt echt oder ironisch gut finden muss. Ironisch. Aha. Comedy ohne Pointe quasi. Also eher so Dada statt Mittermeier. „Ok. Alles klar.“ sagt ich und dachte dabei: „Das schreib ich mir mal mit meinem unsichtbaren Stift auf meinen unsichtbaren Notizzettel. Für später.“ Das Konzert (?) ging weiter und ich beruhigte mich damit, dass ich später zuhause einfach ein bisschen rumgoogeln könnte. Das würde schon passen. Die Erwachsenversion von. „In der kleinen Pause noch schnell wo abschreiben“, quasi. Na, herzlichen Dank auch.

Jacques Palminger

Foto: Steffen Schmid

Es ging also weiter. Der Palminger war immer noch schlecht gelaunt. Das Publikum wurde zum peinlichen Alleinesingen gezwungen. (Hätte ich eigentlich nicht verraten sollen, hat der Palminger gesagt. Aber who cares? Anarchie! Absurdität galore! Verklag mich doch, wenn du dich traust, Palminger.), ein Lied wurde vom Künstler angekündigt mit „ein paar Stellen davon sind gar nicht so schlecht“, Schnaps wurde in der ersten Reihe verteilt, Streit mit dem Publikum angefangen und wieder beigelegt. Sprüche a la „Arbeitszeit ist Leistungszeit“ für die iPhone Notiz rausgehauen, rote Klangteppiche ausgerollt und der Palminger war immer noch schlecht gelaunt. Um mich herum murmelte es „genial.“, „in Hochform“, „Nee. Echt. Ich glaubs nicht.“ Und in meinem Kopf ging’s nur noch zwischen „Ach, du Scheiße. Was schreibstn da?“ und „Cool bleiben. Das wird schon irgendwie.“ hin und her. Und immer mal wieder wurde vorsichtig die Begleitung ausgequetscht. „Aha. Umhm. Ist so bisschen wie Helge Schneider oder?“, „Ziemlich viele Männer hier im Publikum. Ist nicht so’n Mädchen-Ding, gell?“, „Echt krass, so lang gibt’s den schon?“. „Studio Braun. Nee klar. Heinz Strunk und so. Hab ich beim Wittwer liegen sehen. Ach echt, der auch?“, „Den Rocko Schamoni find ich ja ganz süß. Den hab ich mal bei Zimmer frei gesehen.“

Jacques Palminger

Foto: Steffen Schmid

Aber zum Ende des Konzerts (?) brach es dann doch aus mir heraus: „Der spinnt doch. Der ist doch komplett irre. Der hat sie nicht mehr alle.“ Und von der Begleitung kam darauf die strahlende Antwort: „Ja! Genau. Genial oder?“ Aha! Jacques Palminger kann man nicht verstehen. Palminger darf man gar nicht verstehen. Der ist komplett irre. Das ist so ein bisschen, wie bei einem Unfall zuschauen. Man weiß nicht warum, man kann nichts verhindern, man kann keinem der Beteiligten wirklich helfen. Aber wegschauen kann man irgendwie auch nicht. Nur in lustig eben.

Vielleicht hab ich’s also am Ende doch kapiert.

Jacques Palminger

Foto: Steffen Schmid

7 Gedanken zu „JACQUES PALMINGER & THE KINGS OF DUBROCK, 21.11.2012, Schocken, Stuttgart

  • 23. November 2012 um 09:13 Uhr
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    Respekt, liebe Silke, wie du hier die Kurve gekriegt hast. Toll geschrieben. (Bin froh, dass ich etwas leiser „hier, hier“ geschrien hab. Sonst hätte ich nämlich schreiben müssen, dass ich’s einfach nur furchtbar fand. Völlig überbewerteter, pseudo-lustiger Krampf. Und dass die Kings of Dub Rock ohne Palminger besser – und lustiger – wären)

  • 23. November 2012 um 09:22 Uhr
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    Gegenrede zum Holger:-)
    extrem lustiger Abend mit sehr moderner, stilsicherer Elektronik unterfüttert. Und überbewertet kann’s ja bissle schwer sein bei dem überschaubaren Erfolg, den der gute Jacques mit seinen Kings hat;-) Kommt definitiv in die Top Ten Konzerte bei mir.

  • 23. November 2012 um 11:26 Uhr
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    Silke ist halt schon unser personal Gernot Hassknecht ;) Ich find’s 1a geschrieben (und top Bilder) und finde das auch bisschen schwierig den Palminger in seiner Kunst vollumfänglich zu begreifen. Und definitv mutig da hinzugehen ohne einschlägige Vorkenntnisse!!

  • 28. November 2012 um 10:56 Uhr
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    Ich fand es Spitze. 100 Technoproduzenten schaffen es nicht, einen so nonchalanten Electrosound zu produzieren. Viktor Marek heisst der Künstler.
    Und die Groteskhumorpoesie von Herrn Palminger fand ich ebenso großartig.

    Ich verstehe aber auch, dass solch eine Performance polarisiert. Ist doch auch mal schön, eine Kontroverse zwischen den eingebildeten Gig-Bloggern ;-)

  • 1. Dezember 2012 um 23:30 Uhr
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    lieb sein da oben! unter meinem artikel wird nicht gestritten!

  • 2. Dezember 2012 um 14:58 Uhr
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    Ich fands musikalisch einfach gut. Elektrosound und Sängerin haben mir beides gut gefallen und Palmingers Performance war halt irgendwas zwischen sehr erheiternd und irritierend. Ich fands sehr schön (bin aber auch ein Junge)

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