STEREO TOTAL, 16.09.2012, Schocken, Stuttgart

Stereo Total

Foto: Steffen Schmid

Auf Stereo Total bin ich erst vor einigen Jahren so richtig aufmerksam geworden, obwohl es die ja schon ewig gibt. Ein Freund nahm mich mit auf ein Konzert ins Freiburger Jazzhaus, ein schöner, aber eher gediegender Laden. Als Françoise Cactus und Brezel Göring auf die Bühne schritten und ihre mitgebrachten Noten auf die Notenständer legten, wunderte ich mich noch kurz, was der Zirkus soll. Was dann folgte, waren etwa drei Stunden Punkrock, unzählige Zugaben und nicht abreißendes Stagediving der Freiburger Studentenschaft – das war für mich damals neu, dass man so schweißtreibende Konzerte mit ein bisschen Nintendo-Techno und französischer Nonchalance hinbekommt. Seitdem bin ich auch so halb Fan.

Apropos Nintendo-Techno: Habe gerade herausgefunden, dass „Ushilo Sugata Ga Kilei“ von Stereo Total tatsächlich als Referenz für die Musikrichtung „Casio Core“ bei Ishkur’s Guide to Electronic Music angegeben ist. Exkurs Ende.

Kaptn Blauschimmel

Foto: Steffen Schmid

Im Schocken ist es schon furchtbar heiß, als die Vorband, naja, Vorperson Käpt’n Blauschimmel die Bühne betritt. Kommt aus Cottbus und singt mit Hamburger Akzent so Reeperbahn-Schunkler. Für mich nicht ganz nachvollziehbar. Verstehe vielleicht auch den Spaß nicht. Als Stereo Total dann die Bühen betreten, platzt das ausverkaufte Schocken aus allen Nähten, zehn Leute weniger hätten auch keinem weh getan. Ofenhitze, obwohl es noch nicht mal angefangen hat.

Es geht direkt mit dem ersten Lied von Cactus vs. Brezel, der mittlerweile elften Platte des Duos, los: Jaloux De Mon Succés. Davon folgen auch noch einige im Laufe des Abends, Pixelize me, LA-CA-USA, Ich will Blut sehen und natürlich die Frau in der Musik, die erste Single. Witzig ist die Zusammensetzung des Publikums: Scheinbare Fans der ersten Stunde stehen neben Schülern, die wahrscheinlich nur „Frau in der Musik“ auf FluxFM gehört haben, da lief das bis zum Hörsturz hoch und runter. Gelingt auch nicht jeder Band, dieses Generationsübergreifende.

Stereo Total

Foto: Steffen Schmid

Kritikpunkt: Zum Zuhause hören ist Stereo Total nur so mittelmäßig geeignet. Geht einem ganz schnell auf den Keks, und auf jeder Platte gibt es mindestens drei Songs, die man skippen muss. Das interessante an der Band ist ja auch was anderes. Zum einen diese irre Besetzung: Eine relativ normal aussehende Frau, die mit provokanten, frechen Texten und charmantem Akzent alle Erwartungen auf den Kopf stellt, dazu ein anarchistischer Berliner mit einem großen Herz für Effektgeräte und 8-Bit-Samples. Und zum anderen ist das, was dabei rauskommt, manchmal genial, manchmal voll daneben, dafür aber auf jeden Fall anders und überaus typisch.

Stereo Total

Foto: Steffen Schmid

Später kommen auch noch Liebe zu dritt, Ich bin der Stricherjunge, Schön von hinten, und als Zugabe Wir tanzen im Viereck. Insgesamt ein gutes Konzert: Viele bekannte Songs, dazu die besten vom neuen Album, außerdem ein bisschen Quatsch zwischen den Liedern gemacht und mit französischem Akzent beeindruckt. Ich wette, letzerer ist auch nur noch für die Bühne und die Françoise kann mittlerweile akzentfreies Deutsch, aber das Publikum möchte das halt so. Ein Zugeständnis an den Kapitalismus.

Bisschen blöd vielleicht, dass es ein Sonntagabend war und dem Publikum der Montag schon im Nacken saß. Nächstes Mal gerne Freitags und mit Schnaps.

Stereo Total

Foto: Steffen Schmid

Stereo Total

Käpt’n Blauschimmel

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