OMAR RODRIGUEZ LOPEZ GROUP bzw. BOSNIAN RAINBOWS, 07.09.2012, Manufaktur, Schorndorf
Ein neuer Trend bei Rockbands aus Nordamerika 2012: Sie treten kurzfristig unter einem anderen als den bekannten, etablierten Namen auf. Zuletzt zu sehen bei Thurston Moore in der Manufaktur, wo er als eben dieser angekündigt war, dann aber doch unter „Chelsea Light Moving“ mit seiner Band aufgetreten ist. Heute geht man dem Merch-Stand nach von 3 Bands aus, „Mother’s Cake“ aus Österreich, „Bosnian Rainbows“ aus Bosnien, sowie „Omar Rodriguez Lopez Group“ aus Nordamerika.
Aber der neue Trend ist wieder am Werk, denn Bosnian Rainbows stammen nicht aus Bosnien, sondern sind die ORLG, die offensichtlich kurzfristig unter neuem Namen firmiert. Es sollte nicht die letzte Überraschung bleiben.
Omar Rodriguez Lopez oder O.Lo, stammt genau wie J.Lo aus einer puertoricanischen Familie. In Sachen Umtriebigkeit dürfte J.Lo allerdings zweite Siegerin bleiben. In einem Interview mit Lopez war zu lesen, dass er ausschließlich arbeite, keine Freizeit, kein soziales Leben und also keine Freunde habe. Hier soll nur die musikalische Seite kurz angerissen werden.
At.the.drive.in (ATDI) war die erste Band, mit der er mir begegnet ist. Sie waren bei mir einsortiert als „die Typen mit dem/den viel zu langen Band/Namen, den riesen Afros, dafür mit ultra engen Hosen“. Das Album „Relationship of Command“, erschienen um 2000 auf dem kurz vor dem Aus stehenden Beastie Boys Label „Grand Royal“ und hat mir sehr gefallen. Einer dieser Afros war Lopez. ATDI zerschlugen sich in mehrere Bands, Lopez und der zweite Afro (Cedric Bixler-Zavala) machen bis heute als „The Mars Volta“ weiter. ATDI haben übrigens trotz jahrelanger Absagen vom Boss (Lopez) an hochdotierte Angebote, dieses Jahr wieder zusammen gespielt, obwohl er dies überhaupt kategorisch ausgeschlossen hatte.
Boss ist Lopez nicht nur bei ATDI, auch bezüglich The Mars Volta betont er regelmäßig, dass es sich um „seine“ Band handele, die es genau so lange geben wird, bis er keine Lust mehr habe. Frontman Bixler-Zavala wird schön in seine Schranken verwiesen, indem Lopez gerne betont, dass ER (Lopez) mal wieder ein Mars Volta Album fertig habe, über das Bixler-Zavala nun seinen Falsetto Gesang anbringen darf. Boss ist er natürlich auch bei der ORLG, oder bei „Bosnian Rainbows“ wie die Band heute heißt.
ORLG ist ein weißer Fleck für mich, habe ich einfach ausgelassen. Obwohl ich alle Mars Volta-Alben habe, kann ich noch nicht mal behaupten, diese so richtig gut zu kennen. Teilweise sehr komplexes Material. ORLG habe ich mir ähnlich vorgestellt. Live bin ich von ausufernden Jams mit sehr vielen Musikern ausgegangen.
Tatsächlich haben wir es mit einem Quartett zu tun, das wohl schon in Richtung Supergroup gehen könnte. Neben Lopez der aktuelle Mars Volta Drummer Deantoni Parks. Freunde von mir sind hauptsächlich zur Show erschienen, um ihn bei der Arbeit zu sehen, Lopez‘ „favorite artist of all time“. Dann noch der Keyboarder Nick Kasper, laut Lopez eine „Legende“ sowie eine Frontfrau im hochklassigen Segment.
Wer Parks in derber Aktion sehen wollte, wurde vielleicht ein bisschen enttäuscht, denn richtig Gas gibt er nicht. Hauptsächlich hat er neben dem sehr reduzierten Schlagzeug auch noch ein Keyboard bespielt, was wohl auch keine leichte Übung sein kann. Ins Auge sticht natürlich der etwas im Hindergrund agierende Lopez, der wegen des zwar geschrumpften aber immer noch vorhandenen Afros, seinem virtuosen Gitarrenspiels als Linkshänder einfach an Jimi Hendrix erinnern muß. Wobei selbst Gitarrengott Hendrix sicher von Lopez (36) begeistert gewesen wäre, hat dieser doch schon einige Jahre länger Zeit zum Üben als Hendrix (27 †) überhaupt hatte. Auch von ihm wird ja erzählt, er habe Tag und Nacht an der Gitarre geübt, und deshalb sei er so wahnsinnig gut gewesen. Die Effekte die Lopez einsetzt, um den normalen Gitarrensound zu verfremden, und wie er trotz heftigstem Rumgezappele präzise spielt, ist sehr beeindruckend. Kennt man von Konzerten von The Mars Volta. Lopez selbst bezeichnet sich ja selbst weder als Musiker noch als Gitarrist. Ein Amateur auf allen Gebieten sei er.
Was wir heute zu hören bekommen, lässt große Vorfreude auf das Album, das Anfang 2013 erscheinen soll, aufkommen. Es singt die Frau, und liefert eine heftige Show ab. Laszives Tanzen, Verrenkungen und Turneinlagen an Vorhängen und Rohren bekommen wir geboten. Manche Stücke kommen wegen ihrem klagenden Gesang etwas „gothy“ daher. Der Gesang auch teilweise verfremdet und schön mit Hall unterlegt. Traumhafter Sound, wie immer in der Manufaktur, aber heute wieder besonders gut. Viele Stücke sind versetzt mit premium Soundeffekten, die oft noch das Sahnehäubchen auf ohnehin schon starken Darbietungen sind. Alles verdammt tight. Lopez legt eines seiner berüchtigten Gitarrenfreakouts hin, gibt alles, ohne auch nur einmal auf seine Hände zu schauen. Ein Wahnsinn dieser „Amateur“.
Ich höre nur begeisterte Stimmen nach der etwas kurzen Show. Nächstes Jahr angeblich wieder! Gleicher Ort! Mit Album im Gepäck! Heute war schon gut was los, 2013 alle kommen, unbedingt, brutalstmögliche Empfehlung! Das gilt insbesondere für Leute, die heute eigentlich kommen wollten, aber den Arsch trotz Mitfahrgelegenheit nicht hochbekommen haben.
Hab Mars Volta mal live gesehen, das Konzert bestand aus eineinhalb Stunden pausenlosem Gejamme mit heftigen Dresch- und Schreieinlagen, bei denen alle zehn auf der Bühne anwesenden Musiker gleichzeitig jeder ein anderes Lied zu spielen schienen. Es war das mitunter schlechteste und langweiligste Konzert, das ich je sah und hörte. Das scheint sich ja erfreulicherweise bei ORLG geändert zu haben, das ist schön und ich werde ihm (dem ORL) deshalb noch mal eine Chance geben.