FEIST, 22.08.2012, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Feist

Foto: Steffen Schmid

Die Leslie Feist und ich waren ziemlich lange zusammen. Mit ihrem zweiten Album Let it Die öffnete sie mir damals, 2004, die Augen: Ach was, es gibt Musik, die ich gleichzeitig potenziellen Freundinnen auf Mixtapes packen kann und auch selber gut finde? Mambostark. Sie half mir damals unter anderem, die für mich in punkto Frau mit Gitarre traumatischen 90er zu verarbeiten und zu vergessen: Alanis Morrisette (schauder), Natalie Imbruglia (schauder) und, doppelschauder, Sheryl Crow. Dafür bin ich ihr dankbar, für immer.

Feist und ich waren dann noch relativ lange ein Paar. Sie war mit ihrem freundlichen und selbstgemachten Pop eine Abwechslung zu dem Second-Hand-Sound der ganzen „The“-Bands, die ich damals gehört habe. Aber irgendwann haben wir uns dann auseinandergelebt. Das dritte Studioalbum The Reminder kam 2008 zu spät, um uns noch zu retten. Bei Metals habe ich sie dann, ohne mit der Wimper zu zucken, abgesägt. Ich brauchte sie nicht mehr.

Deshalb kenne ich auch nicht alle Lieder, die Feist für mich und ein paar andere Freunde und Bekannte auf dem Killesberg spielt. Premiere auf der Freilichtbühne Killesberg für mich, übrigens: Prima Location für einen lauen Sommerabend mit Konzert. So lau und so prima, dass mindestens die Hälfte der Leute einfach auf den Bänken sitzenbleibt, als Feist auf die Bühne kommt. Ist ja auch noch warm und hell. Erstmal Wurst, Bier und den Arbeitstag besprechen. Ausverkauft ist längst nicht, aber die Tickets sind auch ganz schön teuer.

Der erste Song, mit dem mich Feist zurückzuerobern versucht, ist eine Version von Mushaboom. Die ist so anders als das Original, dass ich sie nur am Text erkenne, die Feist covert sich praktisch selbst. Autocover. Einer der besten Songs der ersten Platte, finde ich. Und sofort auffällig, neben der fantastischen Location und der fantastischen Feist: Die bezaubernde Dreiergruppe Backgroundsängerinnen, die eine Klasse für sich im hammerharten Wettbewerb Backgroundgesang/-tanz sind.

Feist

Foto: Steffen Schmid

Aber der Feist ist das Publikum noch viel zu ruhig, und sie macht eine Art Chorprobe. Und da hört man sie das erste Mal: Ihre Stimme ist, wenn sie spicht, fast noch besser als wenn sie singt. Rau und ewig sexy. Sie könnte auch einfach nur reden. Okay, halbe Zeit reden, halbe Zeit Musik. Wie sie lustig das Publikum dirigiert und danach So Sorry, den Opener von The Reminder raushaut, hat sie die Leute auf dem Killesberg in der Tasche. Wird auch langsam dunkel und dadurch bei einigen Songs sehr romantisch, es wird durchaus mit dem Konzertklammergriff gearbeitet.

Eine gute Band gibt es auch: Einen Schlagzeuger, einen Synthesizerist und einer, der alles spielt (Trompete, Rassel, Trommel, Bass, Synthie, etc). Da kommt der Stampfer My Moon My Man gerade recht. Vom fröhlichen Pop unserer ersten gemeinsamen Platte ist hier gar nichts mehr übrig, meine Feist hat sich ganz schön verändert. Aber zum Guten, finde ich: Mehr Gitarre, mutigerer Gesang, auch mal eine bisschen Geschrammel. Steht ihr. Die meisten älteren Stücke werden, wie Mushaboom anfangs, in rearrangierten Versionen gespielt, schön, dass sich da jemand um seine ollen, tausendmal gespielten Kamellen kümmert und das Repertoire interessant hält.

Das Beste an Feist ist aber natürlich nicht nur, dass sie so viele Hits auf Halde hat, sondern dass sie immer noch so cool und natürlich ist wie früher. Dass sie sich nicht hat korrumpieren lassen vom Biz. Dass sie mit einer Rasselbande von Backgroundsängern auf die Bühne geht, die aussehen wie aus der nächstbesten Abiband gemopst. Aber: Stimmt das überhaupt? Ich sage Nein und äußere die These, dass Feist unter ihrem Schafspelz der netten Klampferin von nebenan eigentlich ein rigoroses, autokratisches Biest ist und auf und hinter der Bühne nichts dem Zufall überlässt. Kann das aber leider nicht belegen.

Dem Publikum und mir ist das auch egal, denn wir sind im Geiste heute alle Romanistikstudentinnen, die seit jeher die radikalste Ultras-Gruppierung unter den Feist-Fans bilden. Und sie singt ja auch wirklich, wirklich schön, und alles klingt immer super, da lasse ich mich gerne ein bisschen blenden. Zum Beispiel Get It Wrong, Get It Right (das sind auch die Background-Girls) und Let It Die. Am Ende verkackt sie, ganz allein auf der Bühne, beim furchtbar traurigen Lonely Lonely den kompletten Text, das ist ganz lustig.

Ein sehr schönes Konzert, in allen Belangen. Auch, weil Feist und ich uns wieder etwas näher gekommen sind.

Hidden Cameras

Foto: Özlem Yavuz

Feist

Hidden Cameras

8 Gedanken zu „FEIST, 22.08.2012, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

  • 24. August 2012 um 21:59 Uhr
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    Sehr schöner Text und tolle Bilder!
    Ich fand es wundervoll, wahrlich wundervoll! Gehört für mich auf jeden Fall zu den besten Konzerten dieses Jahr, wenns nicht sogar das Beste war. Auch die Location ist so wundervoll.
    Herrlich!

  • 24. August 2012 um 23:01 Uhr
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    Meini, ich fand die ja auch spitze, aber die sind schon sehr schrullig, musst du zugeben.

  • 25. August 2012 um 11:21 Uhr
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    @Niko: Geb ich gerne zu ;)
    Kann mir einer das Konzept hinter den Bühnenoutfits verraten? Und der Albumtitel „Metals“? Zumindest auf der Platte sind deutlich mehr Blechbläser eingesetzt. Vielleicht desshalb?

  • 25. August 2012 um 11:48 Uhr
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    Großartiger Text! (War das eigentlich ein Gig-Blog-Betriebsausflug mit Anwesenheitspflicht?)

  • 25. August 2012 um 15:43 Uhr
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    Yep, Holger! Du warst aber ja entschuldigt!

  • 26. August 2012 um 11:49 Uhr
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    „eigentlich ein rigoroses, autokratisches Biest ist“

    Davon ist auszugehen, schließlich hat sie mit Peaches und Gonzales in einer WG zusammen gewohnt (so die Legende) und das härtet sicher in puncto Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen.

    Sehr schöner Text und Fotos!

    https://www.gig-blog.net/2009/10/07/peaches/

  • 28. August 2012 um 16:00 Uhr
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    Danke für den Hinweis auf Mountain Man und den Link!

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