BEACH BOYS, 04.08.2012, Schleyerhalle, Stuttgart
Die Beach Boys! Mit Brian Wilson! Dass die Herren zum 50-Jahr-Jubiläum noch mal auf Tour gehen und unter den zwei Deutschland-Konzerten auch die Stuttgarter Schleyerhalle dabei ist, ist schon eine Sensation. Klar, dass die gig-blogger auch vertreten sind. Nicht nur einer. Ein Chatprotokoll über ein sehr schönes Konzert. Here we go:
L.: Ich find’s ja immer eine arg einfache Masche sich drüber lustig zu machen, dass die Konzertbesucher jetzt nicht die allerjüngsten und allerhipsten waren. Wenn man das machen wollte, hätte man natürlich gestern ausreichend Gelegenheit dazu gehabt. Aber so billig sind wir ja nicht. Ich fand das ja eher rührend, auch wenn die Mehrheit der Leute, glaub andere Lieder gut fand als ich.
A.: Die Typen auf der Bühne sind ja auch nicht mehr die allerjüngsten und allerhippsten. Und es war doch sehr erstaunlich, dass die Beach Boys für drei Stunden mit einer 20-minütigen Pause auf der Bühne standen.
L.: Absolut! Und gesungen haben sie ja zu 90% auch ganz prima, erstaunlich gut sogar. Und ich fand auch die selbstironische Art mit ihrem Alter umzugehen auch sehr sympathisch. Am besten gesungen haben dann aber doch die anderen Mitmusiker. V.a. Darian Sahanaja als er „Darlin'“ geschmettert hat. Gänsehaut, ganz großartig!
A.: Mike Love, der übrigens nicht wie sonst auf Fotos so oft „Love“ auf seinem Baseball-Käppie stehen hatte sondern „Beach Boys“, war recht unterhaltsam. Ein Lied hatte er angekündigt, dass dies nun aus dem Jahr 1872 sei. Brian Wilson saß ja eher so stoisch hinter seinem so schönen, weißen Flügel. Manchmal aber da schien er fast schon beflügelt von seiner eigenen Musik und hat drollig die Arme nach oben gestreckt.
L.: Mitblogger Schappo Klack meinte in der Pause, dass ihm beim Anblick Brian Wilsons der Begriff „betreutes Auftreten“ in den Sinn gekommen sei. Aber Brian sieht man alles nach. Als er mit seiner brüchigen Stimme „God Only Knows“ intoniert hat, habe ich mich innerlich vollgeheult. Hätten sie danach noch „Surf’s Up und „Till I Die“ gespielt, hätte man mich schluchzend aus der Halle raustragen müssen. Ernsthaft!
A.: „God Only Knows“ war schlichtweg großartig. Leider gibt es keine Fotos von Brian Wilson, wie er in Jogginghose hinterm Flügel saß, da die Speicherkarte des Fotografen den Geist aufgegeben hat.
L.: Das ist ein Jammer! Dass sie die oben genannten zwei Lieder nicht gespielt haben, ist vielleicht mein schärfster Kritikpunkt an dem Konzert. Das sind solche Meisterwerke, dass es ein Verbrechen ist, sie nicht zu spielen. Dafür hat mir überraschenderweise die erste Hälfte des Sets zu Großteilen sehr gut gefallen, obwohl fast nur Stücke aus der Surfmusik-Phase kamen, und nichts von den Überwerken „Pet Sounds“ und „Smile“. Aber die Vocals-Harmonien waren wirklich extrem beeindruckend und klangen wunderbar.
A.: Im zweiten Teil dann nach der Pause und sich die Menschen, die nicht einmal so viele Hawaii-Hemden anhatten, noch Bier geholt hatten, haben sie dann doch erstaunlich viele Hits herausgehauen. Hits, Hits, Hits. Das ging Schlag auf Schlag. Da wird einem erst einmal bewusst, wie viele Lieder die Herren in doch relativ kurzer Zeit geschrieben haben.
L.: Und mir ist nochmal deutlich vor Augen und Ohren geführt worden, welchen immensen Einfluss die Boys auf die Popmusik bis heute ausüben. Von so offensichtlich beeinflussten Bands wie High Llamas oder The Explorers Club mal abegesehen, aber wenn man will, kann man es sich auch sehr gut vorstellen wie die Chorgesänge z.B. eine Band wie die Fleet Foxes beeinflusst hat.
A.: Absolut! Das ist schon unfassbar. Und sie haben – kein Witz – 49 Lieder gespielt. Erstaunlich fand ich auch die sehr gute Stimmung in der Halle. 9000 Menschen waren da, die ja nicht lange auf ihren Stühlen sitzen blieben.
L.: Absolut, obwohl der Sound im hinteren Bereich wohl etwas zu leise gewesen sein soll. Beeindruckend fand ich auf jeden Fall die Backing-Band. Die war schlicht und ergreifend perfekt. Für meinen Geschmack hätte man, wie oben schon erwähnt, mehr Stücke bringen können, die die orchestrale Instrumentierung mit Vibraphon, Horn, Querflöte und Trompete mehr zur Geltung bringen. Dafür paar Rock’n Roller weniger. Aber gut, die Publikumsreaktion zeigt ja, dass die alten Herren nicht falsch lagen mit ihrer Wahl.
A.: Das g’fällt de‘ Leut! Oder so. Apropos Sound: War das wirklich alles live gesungen? Das klang gar oben auf der Tribüne manchmal einfach zu perfekt.
L.: Ich würde mal fast tippen ja, weil die Mitmusiker paar richtig fantastische Sänger dabei hatten, die eventuelle Schwächen der Originalmitglieder auffangen konnten. Aber natürlich war ab und mal schön Unterstützung durch Effekte dabei, um die Stimmen aufzupäppeln. Und die können ja mit 70 immer noch besser singen als Madonna mit 20.
A.: : Ach komm‘: Sich über Madonna lustig zu machen, ist auch eine sehr einfache Masche ;) Womit wir wieder am Anfang sind.
L.: Absolut, aber die Assoziation „nicht live gesungen“ war halt zu einfach.
Ich muss ja übrigens noch unbedingt das Wortspiel unterbringen, das mir als erstes gestern Abend eingefallen ist, als ich vor der Halle stand und dachte: „Endlich mal einer der Jüngeren auf einem Konzert.“ Und dann kam mir der Titel „Silver Surfin‘ USA“ in den Sinn. So erzählt natürlich dramaturgisch für die Katz, aber gut…
A.: Dramaturgisch mau, trotzdem lustig. Und „absolut“ scheint ein wichtiges Wort in diesem Chat zu sein.
L.: Absolut!
Eine lustige Geschichte hat mir noch Nebensitzer Marco erzählt. Er war beim Friseur, und erzählte selbigen, dass er heute Abend zu den Beach Boys geht. Der Friseur fragte, ob die bekannt seien und was die denn für Songs geschrieben hätten. Marco meinte z.B. „Surfin in the USA“. Und der Friseur „Ah ja“ und hat dann „Surfin In The USA“ zur Melodie von „Born In The USA“ gesungen.
A.: Eine schöne Anekdote zum Schluss.
gefühlte 40° in der Halle sind untragbar!
Und es ist heutzutage unmöglich, daß keine Bildschirme hängen, damit man die Gesichter der Akteure sieht.
Ja, sound war nicht perfekt, wenn aber die 4-Stimmen anfingen – gewaltig. Da konnte man anfangs die etwas brüchge Stimme verschmerzen.
Auf alle Fälle ist es nicht so peinlich, wie wenn man Jerry Lee Lewis heutzutage hört.
Tolles Konzert – insbesondere wenn man die letzten Titel in der stehenden Menge miterleben durfte.
Viele Besucher waren von weit her gereist, interessanterweise waren einige Autos mit franz. Kennzeichen da
Heidenei! Historisch, und der Gig-Blog war dabei. Mal wieder fantastische Fotos!
habt iht exzellent gemacht, ihr zwei top-korrespondenten!!
„Betreutes Auftreten“ klingt bösartiger als es gemeint war. Brain Wilson wurde nur eben umtüdelt wie ein Privatpatient, inklusive persönlichem Roadie und allzeit frischen Räucherstäbchen auf dem Flügel. Aber stimmt schon: Der darf alles. Und der Gesang des vom Leben gezeichneten 70-Jährigen bei „God only knows“ ist mir allemal lieber als der perfekte und jederzeit reproduzierbare Sound der Begleitband.
Schöne Anekdote aus Block T, Reihe 19 (=> ziemlich weit hinten): Mike Love entschuldigt sich für seine spärlichen Deutschkenntnisse und führt stattdessen seine schwedische Großmutter an.
Schwabe A: Ha, na passts doch, wenn die Großmuddr schwäbisch gwäse isch.
Schwabe B: Noi, schwedisch, ned schwäbisch.
Schwabe A: Ahso, i hann schwäbisch verstande.
5***** für die jungs. mit 70 auf der bühne, nicht geliftet, lack ab, tüv abgelaufen –> they REALLY got balls. ich hab schon ganz andere beispiele für surfin´ the bach runter gesehn. dies war 100% ehrenhaft. cent´anni!
nachtrag: irgendwie erinnerte mich der auftritt an die bundesliga in den frühen 80ern, als nicht die jungen unrasierten hüpfer, sondern gestandene männer wie udo lattek, ernst happel, branko zebec und pal csernai einfach qua alter die meinungshoheit hatten.
@el schlappo kacko: BRAIN wilson… passt abber irgendwie schon…