HIP HOP OPEN, 14.07.2012, Cannstatter Wasen, Stuttgart
Ich war am Samstag bei diesem Max Herre und Kolchose-Konzert in Cannstatt, und ich hab mich noch gewundert warum da so viele Vorbands spielen. Hm, ja, ok, der war mau. Ich fang anders an.
Also, ich fang mit einem Geständnis an: Ich bin zu alt, um bei einem HipHop-Festival vor der Bühne zu stehen. Ich war bei den HipHop Open akkreditiert und bin fast nur im VIP-Bereich rumgehangen. Das ist zwar weniger glamourös als es sich anhört, aber wenigstens kann man sitzen und muss nicht so lange für Essen und Trinken anstehen.
Das eigentlich Schöne am VIP-Bereich ist, dass man da immer so viele Leute trifft. Die Gleichen, die man immer trifft, wenn’s was umsonst gibt. Und wenn’s nur der Eintritt ist. Die üblichen Verdächtigen halt, Musik, Club, Szene. Großes Thema der mangelnde Handyempfang, ich solide mit Telekom und vollem Signal am Start. Strachi musste sich mein Handy borgen, um ein paar Deals am Telefon abzuschließen. Hätte jemand für ihn zurückgerufen, ich hätte neue Deals gemacht.
Die bekanntesten Promis da hinten waren Michael Gaedt, Torch, einer von diesen Fernsehköchen und das Mädchen aus dem Cro-Video. Und Cro ohne Maske. Ich nehmen mal an, er war es, zumindest hat ihn jemand mit „Hallo Carlo“ begrüßt, und er hatte beängstigend dünne Beine in Röhrenjeans. Hab‘ ich das also auch mal gesehen.
Musik gab’s natürlich auch. Auch wenn die Verlockung groß war, sich einfach in der Nähe des von der Schräglage bewirtschafteten Gastrobereichs aufzuhalten, weil da jeder früher oder später vorbeikam. Und von der Position hörte sich vieles erschreckend ähnlich an. Aber am besten der Reihe nach.
Gekommen bin ich pünktlich zu den Orsons, der selbsternannten HipHop-Boygroup auf dem derzeit massiv gehypten Chimperator-Label. Die Jungs sind in aller Munde, und ich muss leider zugeben, dass ich kein einziges Lied von ihnen kenne. Den Auftritt würde ich jetzt mal als solide bezeichnen, die Leute waren schon gut in Stimmung und sind ordentlich mitgegangen.
Zu Marsimoto im Anschluss war ich dann auf der Tribüne, und das hat sich gelohnt. Ich bin jetzt weder großer Fan von Marteria noch von seinem grünen Alter Ego Marsimoto, aber der Auftritt war definitiv einer der besten des Tages. Gleich zu Beginn wurde dank helfender Fans mit bengalischen Feuern eine fette grüne Wolke gezündet, die Bässe haben anständig gedrückt und die gepitchte Stimme nervt live weniger als man denkt. Großes Kino, wie man unter Ex-Models sagt.
Mac Miller bekam ich dann wieder überwiegend von der Seite mit, von dem kannte ich immerhin ein bis zwei Songs, aber irgendwie ist das auch nur so vor sich hin geblubbert. Ich mag auch so College-HipHop nicht so richtig, und in der Ecke ist für mich Mac Miller einfach.
Dann war Kool Savas an der Reihe, und auf den hatten sich viele vor allem jüngere Fans gefreut. Für die ist Kool Savas ja schon Oldschool, verrückt, so aus Stuttgarter Sicht. Wiederum solide Leistung, eine ordentliche Live-Performance sprechen ihm ja die meisten zu, nur wieso er „Reimemonster“ ohne Afrob performt hat, der natürlich vor Ort war, das war nicht richtig ersichtlich.
Wiz Khalifa ist im Gegensatz zu Mac Miller dann eher dem Nerd- oder Hipster-Rap zuzurechnen, so in etwa wie Cro, um mal den naheliegendsten Vergleich zu ziehen. Manche haben über seinen Auftritt bissle gelästert, ich fand das gut, was ich gehört habe, extra Props dafür, dass Live-Musiker auf der Bühne standen.
Großes Thema neben dem mangelnden Handy-Empfang war die Soundqualität, und wie Experte DJ Friction richtig meinte, ist es einfach ein Unterschied, ob die Musik auf der Bühne als mp3 aus dem Laptop kommt (Orsons), direkt aus Synthesizern (Marsimoto) oder von Live-Musikern (Wiz Khalifa) – mit ansteigender Qualität.
Dann endlich das erste richtige Highlight, muss man einfach sagen: Max Herre und Freunde. Wobei die Freunde in erster Linie mal aus Joy Denalane bestanden, die bei vielen Songs auf der Bühne war, aber auch Fetsum, Afrob, Marteria, Cro und Philipp Poisel. Sehr gute Show, definitiv, natürlich kamen die Freundeskreis-Hits am besten an, aber auch die Songs seines neuen Rap-Albums fanden Anklang. Stellenweise wirkte der Ablauf etwas holprig, aber Herr Herre konnte beweisen, dass er so ziemlich jedem aktuellen Rapper noch locker das Wasser reichen kann.
Inzwischen hatten wir uns auch vor die Bühne gewagt, natürlich in den abgetrennten Bereich, wo nicht so viel Gedränge war, aber immerhin. Und dann kam das finale Highlight, mit dem die Facebook-Walls noch heute überquellen: der Auftritt der Kolchose. Wobei ich etwas gemischte Gefühle hatte, ehrlich gesagt. Einerseits Überwältigung angesichts der wiedervereinten Stuttgarter HipHop-Kompetenz auf der Bühne, andererseits das komische Gefühl, dass da etwas wiederbelebt wird, was es in der Form eigentlich nicht mehr gibt und von der Mehrzahl der Besucher im Publikum wahrscheinlich nicht verstanden wird.
Aber beeindruckend war es trotzdem, zunächst eine solide DJ-Show mit 5ter Ton, Emilio und Friction, gehostet vom unerreichten Eldin alias MC Coma von der einstigen Kolchose-Nachwuchsband Deine Quelle. Und dann Gänsehaut bei allen Über-30-jährigen beim Aufmarsch der Massiven Töne in Vollbesetzung, inklusive Wasi. Dazu natürlich noch Afrob, Torch und diverse Tänzer von Aktive Artisten und Southside Rockers, irgendwann war die Bühne ziemlich voll und alle Hits gespielt.
Mein persönliches Highlight hier: „Wenn der Vorhang fällt“, gesungen nicht von Joy Denalane, sondern von Cassandra Steen wie bei der Originalaufnahme auf dem ersten Freundeskreis-Album.
Auch wenn einige Teenies nach Max Herre von dannen gezogen sind – was man ihnen auch nicht verübeln kann, waren sie doch bei Gründung der Kolchose noch nicht auf der Welt und während deren besten Zeit in der Grundschule – allein wegen des Kolchose-Auftritts waren das mit die besten HipHop Open seit Bestehen – und mit knapp 19.000 Besuchern auch die erfolgreichsten.