FRUSTRATION, KOMPLIKATIONS, 16.06.2012, Komma, Esslingen
Wenige Wochen nach dem großartigen Agent Side Grinder Gig zieht es uns schon wieder nach Esslingen ins Komma. Diesmal haben die dortigen Veranstalter einen noch spektakuläreren Act gebucht: Frustration, die Pariser Post-Punk-Band mit Kultstatus ist im Haus!
Ein Blick ins Publikum zeigt, wo’s heute lang gehen wird: schwarz ist die Farbe des Abends, T-Shirts von Bauhaus, Joy Division und den Einstürzenden Neubauten werden ausgeführt. Elektronischer Postpunk und Coldwave stehen auf dem Programm.
Finster ist’s im „Kleinen Saal“, der seinem Namen alle Ehre macht. Der Raum hat maximal achtzig Quadratmeter, die Bühne ist knappe zwanzig Zentimeter hoch, Band und Publikum stehen sich Auge in Auge gegenüber. Eine kleine Bar passt auch noch rein, perfekte Bedingungen also. Die Anlage allerdings ist mächtig dimensioniert und ist bereits bei der Vorband sehr, sehr laut.
Komplikations heißt die Vorband, ein deutsch-belgisches Synth-Punk-Trio. Um 22:30 Uhr – mit dem Schlusspfiff der EM-Spiele – geht es los. In dieser Minimalbesetzung – Synth Lios spielt knurrige Synthesizer-Hooklines, Alens engagierter Gesang erinnert manchmal sogar ein wenig an Jello Biafra – machen die drei jedenfalls gewaltig Druck. Der Saal kommt schnell in Bewegung, die Bandmitglieder von Frustration haben ebenfalls ihren Spaß und tanzen mit im Publikum.
Die erst 2011 gegründete Band spielt ihr gesamtes Repertoire – „Defect“ und „Feelings“ sind mir in Erinnerung geblieben – und muss sich zur geforderten Zugabe sogar wiederholen.
Nach Komplikations nun also Frustration – man ahnt den Spaß, den die Organisatoren hatten, diese beiden Bandnamen auf ein gemeinsames Tourplakat zu bringen. Die Franzosen genießen – was einem jedenfalls ein Bericht auf Arte vor einigen Jahren nahe bringen wollte – einen gewissen Kultstatus, haben sie doch das französisch Phänomen Coldwave wiederbelebt und sich mit ihrem Plattenlabel „Born Bad“ und z.B. einem Sampler obskurer französischer Synthie-Musik um das französische Kulturerbe verdient gemacht.
Doch Musiktheorie beiseite: Diese Band hat Lust zu spielen. Wirken sie auf Bandfotos und Internet-Videos eher so, als ob sie zum Lachen in den Keller gehen würden – haben sie heute allerbeste Laune und machen da weiter, wo Komplikations aufgehört haben: Punk und Wave mit einer guten Portion Elektronik, nun allerdings in fünfköpfiger Besetzung. „As They Say“ vom aktuellen Album „Relax“ eröffnet das Set: knackige Bass-Riffs – eine schneidende Gitarre und darüber Fabrice Gilberts Stimme, die tatsächlich sofort Ian Curtis auferstehen lässt (wenn auch ein leichter, sehr charmanter französischer Akzent die Illusion trübt).
Wenn nur der Tonmensch nicht allzu heftig am Lautstärkeregler schieben würde. Zum ersten Mal in dreißig Jahren gehörmordender Konzerte muss ich zu den umsichtigerweise angebotenen Ohrstöpseln greifen. Insbesondere in den Höhen wird die Schmerzgrenze klar überschritten, wenn auch der Gesamtsound erstaunlich klar bleibt. Der Laune tut’s keinen Abbruch, im Gegenteil. Da bleibt kein Bein unbewegt, und trotz des sinistren Gesamtauftritts gibt es keine Zweifel: Diese Band musiziert mit Begeisterung. Manu Blervaque am Bass und Gitarrist Nicolas Duteil grinsen sich eins und auch Fabrice lässt häufig ein schelmisches Zwinkern erkennen. Très sympa, wie der Franzose (vermutlich) sagt.
Das Set endet mit dem herrlich schrägen Mitgröl-Hit „Too Many Questions„. Drei Titel gibt’s in der Zugabe, Alen von Komplikations kommt aus dem Publikum nochmal mit auf die Bühne und der Abend endet noch heftiger, als er begonnen hat. Leider ohne den programmatischen Titel „I have some… Frustration“. Dennoch: ein fulminantes Konzert für ein kleines, aber fachkundiges und vor allem begeistertes Publikum.
Und hier der Gigblog-Setlist-Service:
As They Say
Midlife Crisis
Worries
No Promises
It’s Gonna Be The Same
Pre Meditation
She’s So Tired
Uncivilized
Angel Grinder
Assassination
Miss You
No Trouble
Blind
Too Many Questions
I Can’t Forget You
Ranaway
On The Rise
Sauber! Hätt ich besser auch mal hingehen sollen…
Sehr schöner Bericht (wie gewohnt) und super Fotos (ebenfalls) von einem großartigen Konzert!
Die allerletzte Zugabe war übrigens noch „Holocaust“ (Crisis-Coverversion).
Mal wieder begeistert… Tolle Bild-Perspektiven, toller Bericht!
Agent Side Grinder waren nicht großartig, Frustration und Komplikations sehr wohl! Ein toller, langer Abend…
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