UNSANE, BIG BUSINESS, 15.06.2012, Schocken, Stuttgart
Immer berichten wir ja nicht über Vorbands – bei Big Business aus Kalifornien muss es heute aber sein. Coady Willis und Jared Warren sind uns schon gut bekannt als Vorband und gleichzeitig Teil der großen Melvins bei diversen Auftritten in Schorndorf. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass Big Business bei den früheren Auftritten so gut waren. Das mag auch am direkten Kontakt mit dem Publikum liegen, was ja im Schocken viel besser möglich ist als in der Manufaktur, und das passt bei dieser Art von Show einfach besser.
Das Trio liefert ein echtes Brett ab, ein Sludgefest. Drummer Coady, der heute noch schier unmenschliches leistet, ist ein echtes Tier am Schlagzeug, Part Animal Part Machine. Eine Freude ihm zuzuschauen. Jared am Bass (der Basssound steht im Vordergrund) ist bei seiner Statur bestimmt von guter Stimme, davon bekommen wir allerdings wenig mit, denn seine Shouts gehen im restlichen Geräuschbrei fast ganz unter. Das kann bei aller Sludgereinstellung nicht gewollt sein, nein das ist nicht besonderns gut abgemischt. Trotzdem macht das ganze ziemlichen Spaß. Frontman Jared ist ein echter Blickfang, bedankt sich für Applaus mit „Fuck you too“, und nimmt den Schädel eines Zuschauers in erster Reihe auch mal als Klangverstärker für den Bass. Er rockt fett im Publikum ab, läuft mit Bass fast bis zur Bar, und lässt bei einem offensichtlichen Big Business Hit auch treue Fans mitsingen – das Mikro steht dabei Mitten im Raum. Großes Business!
UNSANE – US-Noiserocklegende kann man mit einem Begriff aus dem Englischen ziemlich gut beschreiben. UNSANE sind gnarly. Eine Umschreibung, die gerne im Skateboarding verwendet wird, zu deutsch, krass, derbe, extrem, bei UNSANE sage ich aber gnarly.
Gnarly ist an dieser Band, dass sie schon früh ihren ersten Drummer mit 26 oder 27(!) wegen Herointod verloren haben, die Plattencover, die teilweise kaum zu ertragen sind, die Liste ihrer Plattenlabels (auch bei Discogs zu bestaunen), dieses Video, die Tatsache, dass Frontmann Chris Spencer bei einer Europatour vor ca. 10 Jahren in Wien fast unter hohem Blutverlust halb totgeschlagen wurde, und sich in der Folge lange Zeit überhaupt nicht bewegen konnte. Grausam ironisch.
Dazu kommt der unverwechselbare, brutale Sound. Kein Stück verändert seit den späten 80ern. Es gibt ein Lied mit Mudharmonika, ansonsten gab es keine Ausflüge weg von lärmendem Bass, gedrückten, verzweifeltem Gesang, schneidenden Riffs, und meist schleppenden Schlagzeug Beats. Titel und Themen drehen sich immer um die unangenehmen Themen des Daseins.
UNSANE müssen sich heute schon anstrengen, damit man nicht sagen kann, „Big Business haben sie an die Wand gespielt.“ Dem wirkt schon mal dagegen, dass ein Drittel von Big Business bei UNSANE integriert ist – Coady wird auch bei der Hauptband trommeln – und Big Business haben recht lange gespielt. Als Grund erfahren wir, dass Drummer Vinnie Signorelli (ex Swans!), wie könnte es anders sein, in New York im Krankenhaus liegt, und das schon seit zwei Monaten. Ein weiblicher Fan schimpft wie ein Rohrspatz über diese Tatsache. Ich habe eher Respekt vor dem sehr kleinen Mann, der heute die zweite Schicht schiebt.
Der Sound ist auch bei der Hauptband ganz am Anfang echt nicht besonders gut, was sich aber im Laufe der Show erfreulicherweise noch ändert. Nicht das es bei Noiserock auf Nuancen ankäme.
Der erste echte Aufmerker für mich ist „Against the grain“, vom vorletzten Album „Visqueen“, welches Kenner gerne als das beste Album der Band bezeichnen. Kann man gerne machen. Verglichen mit anderen Bands im Heavy Bereich, die schon seit vielen Jahren den Sound und die Ideen kaum bis gar nicht verändert, nehmen wir mal Slayer, liefern UNSANE immer noch überragendes Material ab finde ich. Siehe das aktuelle Album „Wreck“. Deutlich besser als sämtliche letzte millionenteure Slayer Alben.
Der Fan will UNSANE und bekommt heute alles was das blutende Herz begehrt wie das gnadenlose „Sick“, „Empty Cartdrige“, ein Favorit von mir namens „Blew“.
Auch von der neuen Scheibe kommen Stücke in gleicher Qualität, wie „Decay“ und „No Chance“.
Mit dem Gelächter von „Ha Ha Ha“ werden wir angenehm gequält entlassen. Angeblich gibt es nächstes Jahr schon ein Wiedersehen. Das wäre natürlich gnarly, hoffentlich wieder im angemessen gefüllten Schocken.
Schönes Details bei Bild 13 von UNSANE. NRA – das passt zu ihm.
top Aufkleber…heijeijei…die letzte Slayer war gut, Du Penner. Dass der Sound bei einem Noiserockkonzert nicht gut war, hat mir sehr gefallen.
Lärm ist nicht gleich Lärm. Die neue UNSANE ist insgesamt besser als die letzte, vorletzte, vorvorletzte Slayer. Die Typen kommen mit der Musik gerade so über die Runden würde ich schätzen, wohnen in heruntergekommenen Gegenden und verbringen viel Zeit unter Qualen im Hospital bzw. Hospiz. Die Slayers hingegen, jeder für sich Gazillionaire, dürften als einzige Qualen erleben, dass der Poolboy mal wieder einen Grashüpfer übersehen hat, oder Rick Rubin sich mal wieder in der Speißekammer „bedient“ hat, oder es bei der Pediküre zwickt. Solche Typen kommen auch niemals in der NFA unter.