RAINER VON VIELEN, ORANGE, 30.04.2012, Wagenhallen, Stuttgart
Rainer Hartmann kommt aus dem Allgäu, nennt sich Rainer von Vielen und spielt Bastard-Pop. Manche finden das lustig, andere wohl nicht.
„Mit den deutschen Bands, die wir gut finden, hat das wenig gemeinsam.“
– Spex, Martin Hossbach
„Ich finde das furchtbar, mit dieser Musik möchte ich nichts zu tun haben.“
– Visions, Jan Schwarzkamp
„Ich hasse diese Band.“
– Dieter Bohlen
Genüsslich zitiert Rainer von Vielen seine Kritiker auf der Band-Website. Er weiß: Er hat sich im Laufe der Jahre eine treue Fan-Gemeinde erspielt, die seinen Humor und seine Musik schätzen und vor allem seine fulminanten Live-Auftritte lieben. Da können ihm die miesepetrigen Urteile der Spaß-Verächter herzlich egal sein. Vermutlich hat auch keiner von denen jemals ihn und seine Band live gesehen.
In den Wagenhallen haben sich jedenfalls einige hundert Fans versammelt, die genau wissen, was sie heute erwartet. Ein besonderes Highlight auf seinem immer gut gefüllten Tourplan sind nämlich die gemeinsamen Konzerte mit der Kemptener Ethno-Trance-Elektro-Combo Orange. Und wer ein Konzert in dieser Kombination schonmal gesehen hat, weiß, dass dies eine lange, schweißtreibende Nacht werden wird.
Eröffnet wird der Abend von Rainer von Vielen und seiner Band Kauz. Und sofort geht es heftig zu Sache: „Der Abstand“, „Neu definieren“ und „Tanz deine Revolution“ – allesamt „Hits“, die die meisten lautstark mitsingen können – werden mit Mitsch Okos schneidender Metal-Gitarre zu echten Anheizern. Es ist eine krude Mischung, die den Besuchern in der Folge um die Ohren gehauen wird: tibetischer Kehlkopfgesang, Polka, Hip-Hop, Techno, Metal, Reggae, Schunkel-Akkordeon, Synthie-Gefiepse und Gejodel. Das ist wahrlich Bastard-Pop! Der Alptraum eines jeden Schubladen-Denkers und Musikpuristen.
„Von vielen Stilen so viele / es gibt den Kopf um die Ärsche zu bewegen / Doch eines gibt es glücklicherweise nicht: es gibt kein zurück!“
Höhepunkt der Gemütlichkeit ist natürlich der Sido-Klassiker „Mein Block“ (Video), den Rainer von Vielen als Ländler mit Jodel-Einlage zum besten gibt und „Alles verloren“, der Dub-Reggae, den er für Binder & Krieglstein komponiert hat. Eineinhalb Stunden später endet die erste Hälfte des Abends mit „Teknoskat“, einem furiosen Kabinettstückchen aus Obertongesang in Scat-Technik und Technobeats.
Das Publikum jedenfalls ist glücklich und verschwitzt und ist eigentlich schon längst auf seine Kosten gekommen. Aber dies war ja erst der Geschichte erster Teil. Wer sich beim Tanzen allzu sehr verausgabt hat, dürfte mit der zweiten Hälfte des Konzerts noch seine liebe Mühe bekommen.
Denn nun betreten die sechs Mannsbilder von Orange die Bühne. Das Setting ist ein gänzlich anderes: drei Percussion-Sets, Drums, ein Didgeridoo und Rainer von Vielen an einem Korg MS-20. Ganz klar: jetzt wird’s rhythmisch. Und wie! Orange spielen eine Art Ethno-Trance oder Ur-Techno, bei dem mit Didgeridoo und Synthesizer sphärische Klänge über einen dichten Teppich der üppigen Rhythmus-Sektion legen. Das entfaltet nach einiger Zeit eine geradezu hypnotische Wirkung und bringt den ganzen Laden wieder in Bewegung.
Beeindruckend ist, dass Drummer Niko Lay in beiden Bands trommelt und so in der Summe ein Programm von fast vier Stunden spielt. Chapeau!
Mit dem Titel „Chuwenga“ schließt sich dann der Kreis: „Leben den Lebenden“, das drei Stunden früher bereits mit Kauz gespielt wurde, findet sich in einer anderen Interpretation in diesem Titel wieder.
Och neeee – das ist nicht nett: wer RVV nicht mag, ist also automatisch ein „Spaßverächter“ und „Schubladendenker“, urteilt „miesepetrig“ und hat vermutlich RVV und seine Band auch niemals live gesehen.
Ich habe RVV live gesehen – wenn auch nicht dieses Konzert. Und ich erlaube mir, RVV unerträglich zu finden. Trotzdem mag ich nicht als miesepetriger Spaßverächter und musikalischer Schubladendenker in Sippenhaft genommen werden, bloß weil ich etwas nicht mag, was dem Rezensenten voll reinläuft.
Aber nicht doch, lieber Holger D. So bös war’s nicht gemeint. Das ist nunmal die Freiheit des Bloggers: subjektiv zu berichten – und manchmal auch ein wenig zu übertreiben und zuzuspitzen. Aber eines weiß ich auch: Freiheit ist auch immer die Freiheit der Andershörenden… ;)
Der Artikel über RvV ist klasse und bringt den Abend auf den Punkt. Als Ergänzung vielleicht noch 1. Warum konnten so viele die Texte mitsingen? und 2. Warum haben sehr viele der Fans (ganz vorne) nicht vorher geduscht?
Vermutlich hatten die urigen Gestalten in der 1. Reihe vor lauter Text-Pauken keine Zeit mehr dazu.
Die Geruchsoffensive hat aber sehr gut zur „Homo neanderthalensis-Musik“ gepasst.
Auffallend stark finde ich die Musiker der Bands. An kleinen Stellschrauben, was die Titel betrifft, darf aber noch gedreht werden. Von Orange wünsche ich mir noch mehr Atmosphäre und Groove. Dass die Musiker den Planeten auf der Bühne verlassen, das kann jeder sehen. Aber nehmt noch mehr mit. Das soll nur eine kleine Anregung sein. Bis zum nächsten Mal.
Es hat viel Spass gemacht und das nächste Mal bin ich besser vorbereitet! Siehe Punkt 1 UND Punkt 2 weiter oben. Gruß Karim
…und noch etwas: Die Fotos sind absolute spitzenklasse!
Juhu!!! Super das ihr wieder direkt an meinem Geburtstag spielt, hab schon letztes Jahr mit euch gefeiert.Freuen mich jetzt schon ist mein schönstes Present!
Also gute Zeit noch bis dahin SONJA