CRO, ROCKSTAH, AHZUMJOT, 27.04.2012, Universum, Stuttgart
Bevor es hier tierisch spaßig wird, kurz eine Einführung in die Grundlagen der BWL mit Halbwissen von Wikipedia:
Marktgleichgewicht nennt man in der Wirtschaftswissenschaft die Situation auf einem Markt, in der die Menge des Angebots gleich der Nachfragemenge ist. Diese Menge wird als Gleichgewichtsmenge bezeichnet.
Offensichtlich war es aber in der letzten Zeit auf dem deutschen HipHop-Markt zu einem ordentlichen Ungleichgewicht gekommen: Hier das Angebot in Form von Kollege Bushido und seinen knuddeligen Berliner Hohlpfeifen, die schon länger niemand mehr interessieren, und dort eine ziemlich große Nachfrage nach Musik und Texten, die auch die Kids aus Backnang und Villingen-Schwenningen nachvollziehen können (viele Grüße, ich hoffe ihr habt die Schräglage noch gefunden). Ein Kerl namens Cro hat sie jetzt befriedigt.
Den Cro kennt man mittlerweile sogar beim ZDF Heute Journal, dem stilsicheren Magazin für Trends im Underground-HipHop-Bereich. Bekannt geworden ist der Carlo aus irgendeinem Kaff in Baden-Württemberg aber durch seine beiden kostenlosen Mixtapes Meine Musik und Easy, besonders mit dem freshen Titelsong des letzteren.
Für eine Karte für das heutige Konzert des schwarz-weiß bemützten Gesellen musste man früh aufstehen: Schon im Januar war die Tour zusammen mit seinen Buddys Ahzumjot und Rockstah ausverkauft. Am Eingang müssen alle ihren Ausweis vorzeigen, das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Wir dürfen aber letztendlich rein, auch wenn wir das Durchschnittsalter damit um 180.000 Jahre heben. Denn Cros Fans sind circa alle um die 13, das ist aber nicht überraschend, weil sich die Themen auch hauptsächlich um das große adoleszente Ego, Partys und herrlich naive Annäherungsversuche an irgendwelche Mädels drehen.
Drinnen schon Schweißhölle wie im Leuze-Dampfbad oder der VfB-Kabine in der Halbzeit, Anheizer Rockstah leistet ganze Arbeit. Bisschen blöder Sound, aber das geht schon steil, halt so Disco-Rap mit catchy Hookline. Können alle mitsingen. Vielleicht muss um 22 Uhr die Hälfte des Publikums gehen, jedenfalls dauert die Umbauphase danach nur vier Minuten, bevor der Carlo mit Maske, Kapuze und DJ Psaiko Dino loslegt. Hi Kids, das fiese Banquet-Cover Rockstar, Easy, Kein Benz, nur Hits. Alle können alle Texte, und man kommt immer an die Theke, weil alle ihr Taschengeld schon ausgegeben haben und jetzt nur noch die Möglichkeit haben, sich durch übel abgehen bei Laune zu halten. Aber solche Fans muss man erst mal haben, die sind dem Typen verfallen wie die Katholiken ihrem Weihrauch.
Auch das eine oder andere Lied vom für Juli angekündigten Album spielt der freundliche Carlo, der von sich selbst sagt, dass er keine Gangstertexte macht, weil er das ja gar nicht könnte, weil das nicht sein Lebensumfeld sei. Manchmal sagt er trotzdem Sätze mit „ficken“ und regt den Konsum von Einstiegsdrogen an. Ein Lebensumfeld halt, das schon repräsentativ für den Großteil der Fans ist, denkt man.
Leider hört man den neuen Tracks an, dass Cro jetzt von harter Labelhand geleitet wird, die Songs professionell gemastert, gemixt und von erfahrenen Produzenten glattgebügelt wurden. Sind die älteren Tracks von den Mixtapes noch unbeschwerte Teeniehits, die einen mit ihrem sympathisch Selbstgebastelten, den gelegentlich recht holperigen Reimen und dem unfertigen, wilden Ausprobieren und Samplen zurück in die Vergangenheit katapultieren, hört man den neuen Sachen die Richtung an, in die es gehen soll: erwachsenere Produktionen, mehr Rap als bisher Raop, die von Cro ausgedachte Musikrichtung zwischen Rap und Pop.
„Scheiß auf Major“ heißt es da einmal, eine Liebeserklärung an das kleine Berliner/Stuttgarter Indie-Hiphop-Label Chimperator, dessen Exportschlager der Carlo gerade ist. Mal sehen wie lange noch.
P.S.: Tipp vom Pandamann höchstpersönlich: Hier Maske kaufen.