JONATHAN JEREMIAH, 16.03.2012, Zapata, Stuttgart
Sieben Jahre können arg lang sein. Beim im-Knast-sitzen zum Beispiel. Oder wenn man auf einen Anruf wartet. Oder einen Brief. Es geht aber auch kürzer. Etwa wenn man die ganze Zeit über Drogen genommen hat. Bei manchem Musiker sind so ganze Dekaden zu „boah hey, keine Ahnung“ geworden. Oder wenn man in dieser Zeit Musik macht. So wie Jonathan Jeremiah. Der hat nämlich für sein Debütalbum „A Solitary Man“ so lang gebraucht, sieben Jahre. Das Echo auf das Album fällt durch die Bank recht postiv aus. Als „zeitlos schönes Gesamtpaket„, „perfekt ‚für laue Sommerabende‚“, „verdammt gut“ oder einfach nur „sauber“ wird es betitelt. Ob er es im Zapata auch so gut hinbekommt?
Ich glaube, Jonathan denkt, Stuttgart wäre eine besondere Kaffee-, oder Caféstadt. So wie Wien etwa. Dauernd redet er nämlich davon, was mit Kaffee zu machen: Einmal will er ihn trinken, dann will er, dass das Publikum ihn trinkt und irgendwann will er ihn sogar stehlen. Warum, verstehe ich nicht. So eine kriminelle Ader mag man ihm, trotz der zotteligen Haare, gar nicht so recht abnehmen. Dafür hat er ein viel zu verschroben-sympathisches Gesicht. Er kommt im grauen Hemd und mit frisch gewaschenen Haaren, sagt zumindest die Conny, auf die Bühne. Dort erwartet ihn schon seine fünfköpfige Begleitband, die ihn mit Cello, Kontrabass, Posaune, Gitarre und Schlagzeug begrüßt.
Leider ist das Zapata geschätzt nichtmal zu einem Drittel gefüllt. Der einzige Platz, an dem sich das Publikum berührt, ist die erste Reihe vor der Bühne. Arg schade ist das. So mag auch nie richtige Tanzstimmung aufkommen.
Den Abend startet er mit „If You Only“, dem ersten Song seines Albums. Seine Stimme und die tolle Instrumentalisierung der Band machen ordentlich Druck. Um einiges mehr als auf dem Album. Wären noch weniger Leute da, sie würden wohl weggedrückt werden oder umfallen. Er mag Stuttgart. Sagt er zumindest. Und dass es „wonderful to be here“ sei. Ich möchte ihm gern glauben. Ich meine, er trinkt Whiskey-Cola.
Die Band gibt alles. Und sie sind wirklich gut. Herausragend ist das Posaunen-Solo des, äh, Posaunisten in „Happiness“. Das kommt gut an beim Publikum. Und bei mir. Ich wusste nicht, dass es so viele Adern in der Stirn gibt. Sie wechseln die Instrumente, wie manch anderer die Haarpflegeprodukte: Banjo, Percussion, Schelle, Querflöte, und, und, und… Da scheppert es ordentlich auf der Bühne. Bei „Heart of Stone“ geben sie alles. Das Publikum tanzt, Viva con Agua schwenkt die Flagge. Er hat Soul in der Stimme, schreibt schöne Texte und kann was an der Gitarre. Er spielt „How Half-Heartedly We Behave“, „Never Gonna“ und „A Solitary Man“, singt einige Songs, die nicht auf dem Album sind und macht Witze über die Plattensammlung des Publikums. Und das alles mit seiner tiefen, warmen Stimme. Manchmal jedoch scheint sie zu groß, mächtig und klar zu sein. Und dann wird mir klar: Der Kerl muss auf größere Bühnen. Mit mehr Publikum.
Und das weiß er auch. Und hier liegt der Hund nämlich begraben. Genug mit lamentieren und herumlabern. Der Funke will nicht überspringen. Bei mir nicht. Und auch nicht bei den anderen. Meine ich zumindest. Im Prinzip stimmt doch alles: Die Stimme, die Band, die Instrumente, die Songauswahl, die Witze. Das weiß er ebenfalls, hat ja schließlich sieben Jahre dran gefeilt. Klappt im Zapata trotzdem nicht so recht. Und da selbst Jonathan Jeremiah nur ein Mensch mit Ego ist, lässt ihn das wohl nicht kalt. Die Interaktion mit dem Publikum lässt nach. Irgendwann beschränkt er sich darauf, Witze über die Leute hier zu machen. Wir seien die „best clappers“ auf der „whole tour“ beispielsweise. Vielen Dank, das lässt meine Brust schwellen. Und so bleibt, trotz seines Könnens und seiner eigentlich symphatischen Art, doch ein wirklich fader Beigeschmack nach dem Konzert. Fast so wie beim „Alten Hasen“. Da gibt’s Paprikawurst mit Baguette. Für € 2,80.
Schön zusammengefasst! Genauso habe ich das Konzert auch empfunden – ich hatte mir die ganze Zeit über ein grösseres Publikum gewünscht. Das so wenige kamen, lag aber sicher auch mit den 30,- Eintritt zusammen. Nicht gerade wenig für einen noch relativ unbekannten (wenn auch noch so guten) Künstler. „Fader Beigeschmack“ bringt es absolut auf den Punkt. Die Jeremiah´schen Ansagen gingen dann doch bald zu sehr auf Kosten der Gäste.
Die Kaffee-Geschichte war übrigens die folgende:
In einer der peinlich-stillen Pausen zwischen den Songs war vorne ein ziemlich penetrantes Röhren aus Richtung Bar zu hören und spüren. Ganz so, als würde jemand eben jenen besagt-besungenen Kaffee mahlen… Das hörte eine ganze Weile nicht auf und war auch im Song noch zu hören, worauf sich der Zottelbarde dann wohl zur kleptomanischen Liedzeile hinreissen liess…
So war das nämlich…
Aber sonst ein Riesentyp mit Riesenband (besonders David Beckham an der Posaune).
RIESENKONZERT!
Dankesehr. Für die Blumen und die Aufklärung.
Bin ich aber froh drum, dass ich das penetrante Röhren nicht gehört habe. :D Sonst wärs noch fader gewesen, glaube ich.
Schicke Fotos, btw. :)
Das witzige ist eigentlich, dass besagte Kaffemaschine der nervend-laute Handtrockner aus dem Sanitär-Bereich war!
Ansonsten muss ich mich der Abendkritik anschließen. Vergessen habt Ihr Andy Tyler als Vorband zu loben!