HELLSONGS, LEO SKAGGMANSSON, 21.02.2012, Universum, Stuttgart
Ach ja, die alten Klassiker: AC/DC (Hard Rock), Alice Cooper, Black Sabbath, Twisted Sister und Skid Row (Hard Rock oder Heavy Metal), Iron Maiden und Dio (Heavy Metal), Metallica, Pantera und Megadeth (Thrash Metal). Da ist so ziemlich alles vereinigt, was Rang und Namen hat und Generationen von Altvorderen um den Verstand gebracht hat, weil es sich nur um Lärm handelt – stumpfen Lärm und Geschepper, nach welchem sich eine der Musikrichtungen, der Thrash Metal, ja sogar benannt hat. „Lärm ist es schon“, hatte mein alter Klassenkamerad Tobias Haupt eingewandt, „aber genial strukturierter Lärm.“ Dem habe ich unumwunden zugestimmt. Man könnte mal unterstellen (stimmt aber nicht), wir hätten auf der Suche nach noch mehr Gerumpel übersehen, dass der Lärm nicht nur rhythmisch, sondern auch in seiner Tonhöhe strukturiert ist, sprich: In dem Lärm stecken auch Melodien. Spätestens bei den Coverversionen von Hellsongs allerdings sollten auch alle anderen das nicht mehr übersehen – Entschuldigung – überhören können. Und diese Melodien spielen Hellsongs extrem laut und unglaublich schnell.
Bevor sich dieses überaus ironische Versprechen allerdings erfüllen kann, eröffnet Leo Skaggmansson den Abend. Der Singer/Songwriter beglückt uns mit Akustikgitarre und gelegentlicher Mundharmonika. Zum Vollbart trägt er folgerichtig Karohemd und weniger folgerichtig eine Nadelstreifenweste. Die Lieder sind ganz zurück genommen, mit leisem Gesang und mit per Fingerpicks gezupften Saiten sowie einer bei einzelnen Liedern über ein Fußpedal eingespielten Bassdrum. Leo ist ruhig, ja gemütlich. Die Musik ist nicht fröhlich, aber auch nicht von melancholischer Schwere. Vielmehr spiegelt sich in ihnen ein bescheidener Optimismus, wie in einem Song, in welchem er davon singt, dass er es nach Tiefschlägen bestimmt immer und irgendwann wieder nach oben schafft. Skaggmansson ist nicht laut, sondern leise, nicht cool, sondern schön. Ein bisschen davon kann man sich auf „Songs from the Attic“ mitnehmen.
Trotz aller falschen Versprechungen von Hellsongs, dass es „wie immer sehr laut und schnell“ werde, bleibt es bei der ebenfalls aus Schweden stammenden Band natürlich genauso leise und langsam. Das Konzert ist gleich von Anfang an sehr familiär, was sich schon darin zeigt, dass Gitarrist Kalle Karlsson bereits mit dem Publikum spricht, bevor er überhaupt am Mikrophon angekommen ist. Das sind sie also, die Lounge Metal-Heroen: Keyboarder David Bäck, der aussieht wie der sympathische Typ aus Deiner Lieblingskneipe, Sängerin My Engström-Renman im aufgebauschten Kleid mit aufgebauschtem Haar, grüner Stumpfhose und Glitzerschuhen und Kalle in Karottenjeans und Sakko mit einer Stoffblume im Haar. Man sieht schon: Bei Hellsongs spielt Ironie eine große Rolle. Und was überhaupt soll Lounge Metal sein? Metal als Easy Listening-Pop, -Jazz oder -Swing? Genau! Weg mit dem ganzen Lärm, ein bisschen Groove rein, ein paar Jazz-Keyboards, die Gesangsparts auf eine dynamische Frauenstimme übertragen und nach vorne mit den Melodien. Dann ist es eigentlich egal, ob man von Krieg und Weltuntergang singt. Es klingt immer locker flockig und macht selbst aus Slayer eine Kuschelband. Dabei waren die Melodien alle schon da. Sie bedurften nur desjenigen, der sie heraus kitzeln konnte.
Vor allem bedurften sie dazu der passenden Stimme. Das war für Hellsongs in den vergangenen Jahren allerdings nicht ganz so einfach. Überhaupt haben die Schweden um Mastermind Kalle ein sehr bewegtes Line up, soll heißen, er ist die einzige Konstante. Die Instrumentierung ändert sich, wie man schon bei ihren letzten Besuchen in Stuttgart unter anderem 2009 und 2010 sah. In der Vergangenheit hat sogar Leo Skaggmansson schon als Live-Gitarrist bei Hellsongs ausgeholfen. Jetzt ist wenigstens seine Gitarre mit auf der Bühne – in den Händen von Kalle. Am alles entscheidenden Gesang konnten nacheinander verpflichtet werden: Harriet Ohlsson und dann ihre frühere Background-Sängerin Siri Bergnéhr. Nach deren leichtem Schlaganfall 2010 leiht nun eben My den alten Klassikern ihre Stimme.
Gar nicht so einfach, Siri zu ersetzen. Das schafft sie aber sehr gut. Auch sie hat diese Leichtigkeit in der Stimme, mal fröhlicher, mal verträumter. Auch sie hat diese Dynamik, die sie aber nur ganz dezent einsetzt – wäre sonst ja auch kein „Easy Listening“ mehr. Für das Publikum sind die Melodien von genauso entscheidender Bedeutung, denn man kann natürlich sofort mitsingen, wobei es schön zu hören ist, wie 150 Leute so leise wie möglich singen, was sie beim Konzert der Originalbands aus vollem Halse gegrölt hätten. Also, mir war gleich klar, wie gut die Melodien bei Iron Maiden sind. Bei Hellsongs verstehen es jetzt auch meine Eltern. Viele schöne Melodien kommen heute Abend zur Geltung, übergenommen von Bruce Dickinson oder Ronnie James Dio. Sie erzeugen ein paar echt besondere Momente. Am eindrucksvollsten ist das wohl bei „We’re Not Gonna Take It“. Als alle singen, „This is our life, this is our song“, muss ich irgendwie an “Born Too Late” (Saint Vitus, 1986) denken. Twisted Sister haben 1984 eben auch so eine Hymne für eine Generation geschrieben, auch wenn ich ein wenig, naja, zu spät geboren bin, als dass es meine hätte sein können. Ich weiß nicht, wie es den anderen Zuschauern da geht. Die Begeisterung ist im Universum jedenfalls voll da.
Und es ist ja auch ein Klassiker, wie die ganzen anderen Songs, die Hellsongs uns heute in neuen schönen Versionen präsentiert haben. Dabei waren sie schon immer schön – nur anders. „It’s the same old song“, wie Dio in „Stand Up and Shout“ schon singt.
Hier noch die Set list zum Rumspielen:
- „Seek & Destroy“ im Original von Metallica
- „The Evil That Men Do“ im Original von Iron Maiden
- „War Pigs“ im Original von Black Sabbath
- „Stand Up and Shout“ im Original von Dio
- „Walk“ im Original von Pantera
- „School’s Out“ im Original von Alice Cooper
- „The Trooper“ im Original von Iron Maiden
- „Youth Gone Wild“ im Original von Skid Row
- „Sin City“ im Original von AC/DC
- „10.000 Lovers (in One)“ im Original von TNT
- „Run to The Hills“ im Original von Iron Maiden
- „We’re Not Gonna Take It“ im Original von Twisted Sister
- „Symphony of Destruction“ im Original von Megadeth
Super Sache mit der Setlist!
oh jeh arme Siri. Zusammen mit Kalle war sie eine der ersten, die unser Q&A beantwortet haben.
Appropos akustische DIO Cover:
Beeindruckend! Eine echte Entdeckung für mich! Die Interpretation von AC/DC´s Sin City: ich bin mir sicher Bon Scott hätte seine wahre Freude dran gehabt. Und so was gesagt wie: She’s better looking than me for sure!