DILLON, 14.12.2011, Rocker33, Stuttgart

Dillon

Foto: Özlem Yavuz

Dominique Dillon de Byington staunt. Mit charmanter, mädchenhafter Schüchternheit steht sie im Halbdunkel der Bühne und staunt mit großen Kulleraugen in die Runde. Vermutlich wundert sie sich. Wie kann es sein, dass derart viele Menschen sie sehen wollen, an diesem nasskalten Dezemberabend im komplett ausverkauften Rocker 33? Genau wie die Tage davor in Frankfurt, Köln, Hamburg.

Haben alle ihr hochgelobtes Debütalbum „This Silence Kills“ im Schrank? Liegt es daran, dass alle erleben wollen, wie ein kommender Star zum letzten Mal in kleinen Clubs spielt? Jetzt, wo sich die Musikkritiker angesichts ihres Albums darin überbieten, sie mit berühmten und noch berühmteren Kolleginnen zu vergleichen, wo die Versuche, ihre Musik zu kategorisieren, zu erstaunlichen Wortschöpfungen wie „Indie-Operette“ führen?

Oder liegt es nur daran, dass alle ein letztes Mal einem der besten Stuttgarter Clubs ihre Aufwartung machen wollen, bevor er dank Stuttgart 21 geschlossen wird. Da wäre ein düster-melancholisches Konzert doch die ideale Einstimmung auf den kommenden Abriss.

Bereits um Dreiviertelacht ist die Eingangshalle jedenfalls rammelvoll. Im gnadenlosen Neonlicht kann man das Publikum studieren: relativ jung ist es, schick, urban, hohe Hornbrillen-Dichte. Es dauert geschlagene eineinhalb Stunden, bis die Rocker-Crew den Andrang bewältigt und viele nach Hause geschickt hat. Und als dann auch die Konzertbeobachter der großen Stuttgarter Tageszeitungen eingelassen sind, kann der Abend beginnen.

Ganz unprätentiös beginnt das Konzert. Ein wenig Nebel, ganz wenig blaues Licht und eine Bühne, die in der Mitte leer ist. Am rechten Rand steht Dillon mit Ihrem Piano, am linken ihr musikalischer Begleiter mit zwei MacBooks und weiterem elektronischen Equipment. Mit wummernden Elektrobeats wird eröffnet, zwei Titel später kommt leise Begeisterung im Publikum auf, als sie ihren Hit „Thirteen Thirtyfive“ anstimmt. Aber auch bei diesem Konzert gehen große Teile der musikalischen Darbietung im lautstarken Getratsche derer unter, denen es zwar wichtig war, bei diesem Hipster-Event dabei zu sein, sich aber herzlich wenig für die Musik interessieren.

Dillon

Foto: Özlem Yavuz

Und diese Musik ist, mit Verlaub, lange nicht so einzigartig, wie uns die Lobhudeleien glauben machen wollen. Das ist bestenfalls eine zeitgemäße Mischung aus Triphop, ein wenig zuviel Elektronik und zugegebenermaßen griffigen Melodien. Nichts jedenfalls, was den Hype um diese Musikerin erklären könnte. Es ist Dillons Gesang, die Stimme, die zwischen Kleinmädchen-Gesang und großer Geste changiert, das kaum wahrnehmbare, aber sehr sympathische Lispeln. Nur leider kann sich an diesem Abend nicht der Zauber entfalten, den dies auf der Platte hat. Und das liegt nicht nur an den Labertaschen, die jegliche Atmosphäre totquatschen sondern auch an den allzu lauten und irgendwie deplatzierten Elektronik-Effekten. Die Leere auf der Bühne findet sich auch in der Musik wieder, Dillon und ihr Piano und die Loops und Samples vom linken Bühnenrand finden einfach nicht zusammen.

Höhepunkt des Konzerts ist „Tip Tapping“. Dillon wagt sich ins Scheinwerferlicht am Bühnenrand und animiert die „Ladies und Gentlemen“ zum Singen des Refrains, während sie die Melodie darüber singt.

Manche halten es dann auch für einen schlechten Scherz, als Dillon nach einer knappen Dreiviertelstunde erklärt, dass dies nun alles gewesen sei, sie nun von der Bühne gehen und diese wieder betreten könne und stattdessen nun gleich die Zugabe spiele. Drei Songs später ist auch diese vorbei und das kürzeste Konzert des Jahres endet so plötzlich wie es begonnen hat. Das ist frech. Die bis hierhin lautstark labernden Gäste im hinteren Teil des Saals vermissen die Geräuschkulisse, haben den kleinen Scherz wohl verpasst, und verlangen nach einer Zugabe. Zu spät.

Ich stelle mir vor, wie dieses Konzert wohl gewesen wäre, wenn es ohne all den Szene-Stress nur mit Dillon und ihrem Piano im kleinen, persönlichen Rahmen, z.B. im Café Galao, stattgefunden hätte. Ich glaube, es wäre zum Heulen schön gewesen. Und vielleicht irgendwann, wenn sich die ganze Aufregung wieder gelegt hat, wird es ein solches Konzert auch wirklich mal geben. Ich freu mich drauf.

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