STEFAN WAGHUBINGER, 16.10.2011, Rosenau, Stuttgart

Waghubinger

Foto: Promo

Abends, sobald es dunkelt, sind sie unterwegs. Herren mittleren Alters, den Kopf gesenkt, den Buckel erhoben, zurückgezogen in ihre Mäntel, verleint mit handlichen Dackeln oder Spaniels. Flüchtlinge, für eine Runde mit dem Hund, gerne auch die große, mehrstündige, mit anschließendem Bier. Schiffbrüchige aus dem Hafen der Ehe. Insgesamt unangenehm endgültig verheiratet.

Sie trotten von Schatten zu Schatten und träumen sich zurück in die einfache Zeit, als es noch keinen weiblichen Orgasmus gab. Doch nur die wenigsten erreichen die angesteuerte Eckkneipe, bevor ihre Frauen sie eingeholt haben.

Stefan Waghubinger ist einer von jenen, die es manchmal schaffen. An diesem Wochenende sogar Samstags und Sonntags, von Korntal aus in die Rosenau (wo auch immer er den Hund abgestellt hat). Gute zwei tragische Stunden drückt er sich dort auf seinem Hocker herum, nach vorne gebeugt, die Hände fest am Bier oder im Schoß, kleinlaut und anhaltend niedergeschlagen.

Aber mit Publikum.

„Langsam werd ich ungemütlich“ heißt das erste abendfüllende Programm des 45jährigen Stefan Waghubinger, mit dem er in der Rosenau Premiere feiert. Also an jenem Ort, an welchem vor zweieinhalb Jahren alles begann. Seither hat er quer durch die Republik so einige Preise abgegriffen, unter anderem die Hundert Euro des Ersten Stuttgarter Comedy-Clashs.

„Zugabe? Aber ich hab doch

schon alles zugegeben …“

Hau ab. Die letzten Worte der Frau. Und selbst ein Flüchtling wie Waghubinger hat Prinzipien. Wenn ihm jemand sagt, hau ab, dann … ja, dann haut er auch ab. Obwohl er selbstverständlich unschuldig ist. Dass er den Geburtstag seiner Frau vergessen hat, hat er immerhin selbst bemerkt, als er zweimal hintereinander an der Reihe gewesen war. Das erste grobe Missverständnis, die erste Pointe, der Startpunkt.

Denn ganz spätabends angespülter Kneipengänger, wechselt die Figur Waghubinger schnell das Thema, entflieht ihrem Alltagsleid, träumt sich hinaus in die weite Welt und beginnt zu schwadronieren. Der Klimawandel, welcher an den Polkappen knabbert und dafür sorgt, dass Holland absäuft (man hat es näher zum Strand, aber die Tulpenpreise werden steigen), gehört dabei zu den Klassikern des Kabaretts. Dass Pinguine früher Zugvögel gewesen sein müssen, die sich auf der Suche nach südlicher Wärme allerdings verflogen haben und jetzt nicht mehr weg können, weil sie ihre Flügel ja zum Wärmen brauchen, zu den witzigen Argumentationsketten. An diesen oder ähnlichen Theorien hält sie sich fest, die tragische Gestalt, sie verschaffen ihr Trost und Geborgenheit, ein kleiner Aussichtspunkt abseits des Jammertals.

„Frau: Bin ich zu dick?

Mann: Wozu?“

Doch stets lauert die unbequeme Landung. Mitten im Geschlechterkampf. Ob es eingestreute Szenen einer Ehe sind (ach, er meint es ja nur gut, wenn er seiner Frau eine Schönheitsoperation schenkt), Untersuchungen zur modernen Partnervermittlung, Einsichten ins Schlafzimmer oder Statistiken zur Penisgröße, wiederholt und konsequent scheitert der heutige Mann in Gestalt Waghubingers. Möglicherweise an der eigenen Ignoranz, aber selbstverständlich auch an zu hohen, zu unerfüllbaren Erwartungen, und, ja, genau, hauptsächlich, ja, hauptsächlich am Zeitgeist.

Keine Frage, dieser Kneipenabend in der Suhle des (männlichen) Selbstmitleids gehört zu den besseren seiner Sorte. Man hat was zu lachen, oft, sehr oft sogar. Auch wenn man die meisten der tragenden Pointen schon kennt, wenn man einen von Waghubingers Kurzauftritten erlebt hat. Stellenweise hat der Auftritt zwar seine Längen und am Finale lässt sich gewiss noch arbeiten, amüsant ist er aber allemal.

Ein insgesamt viel versprechender gig-blog-Einstieg in die Kabarett-Herbstsaison.

Mal sehen, was noch kommt.

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