THEES UHLMANN, 16.10.2011, LKA, Stuttgart

Thees_Uhlmann

Foto: Steffen Schmid

„Beim Tatort habt ihr nichts verpasst, der Mörder war der Gärtner“, eröffnet Thees Uhlmann, gute Info, weil es immerhin Sonntagabend ist, auch im Industriegebiet am Ende der Welt (LKA, Stuttgart-Wangen). Ist ja schon eine Ehre, wenn der Gebührenzahler dann zum Indierock-Konzert aufschlägt und nicht vorm Rentner-TV dämmert wie sonst, das weiß er zu schätzen, dieser Thees.

Uhlmann ist ja in den letzten Jahren hauptamtlich als Käpt’n von Tomte unterwegs gewesen. Für die schreibt er manchmal Liebeslieder, zu denen sogar mäßig geübte Tänzer sofort Pogo machen wollen, rau wie Dreitagebärte, echt wie das Leben mit 14 oder 54, speckig wie diese alte Lederjacke, Uhlmann-Uniform seit Anbeginn der Hamburger Schule oder noch eher, mit Friteusenfett imprägniert.

Thees Uhlmann ist der Typ, der schon in der zehnten Klasse damals das alte Rennrad hatte, als wir noch verglichen haben, wer mehr Gänge hat am hässlichen Mountainbike aus dem Baumarkt. War schon immer St. Pauli-Fan, hat schon immer das richtige gesungen, schon immer viel zu viel von dem richtigen Bier getrunken und immer gewusst, was er gut kann (Texte, Indierock) und was nicht (Mountainbikes oder sonst was vergleichen).

Jetzt also solo mit geiler Band. Alles Jungs, mit denen man gerne im Tourbus sitzen mag, bisschen rauchen, bisschen quatschen, wahrscheinlich sagen alle hin und wieder gute Sätze über Musik und/oder Hamburg. Aber ehrlich gesagt, auf Männlicher-Zuhörer-Ebene, das Problem aus Tomte-Zeit, das bleibt bestehen. Ist das jetzt Mädchenmusik, um einiges subtiler vielleicht als Robbie Williams oder so, aber trotzdem? Alle Frauen ohne Freund jedenfalls gucken ständig nach Typen, die sie mit griechisch-römischem Konzertklammergriff auch so von hinten würgen möchten wie bei den ganzen anwesenden Pärchen.

Die Speckjacke fällt Mitte des Sets, pünktlich zur Single, das beste Lied bisher: Zum Laichen und Sterben Ziehen die Lachse den Fluss hinauf ist so ein typisch kryptischer Uhlmann zwischen ganz melancholisch und spaßig optimistischem Indie-Geschrammel. Vielleicht daher auch der Konflikt. Musikalisch immer prima solide, flotter Indie, den man auch betrunken und laut mag, aber dazu eben wieder raue, wahre Zeilen, die einem sogar nüchtern die Tränen in die Augen treiben, zu denen man an schlechten Tagen alleine auf der Couch ins Kissen heult:

Meine Wahrheit in 17 Worten:
Ich hab ein Kind zu erzieh’n, dir einen Brief zu schreiben
und ein Fußballteam zu supporten.

Das beste Lied bisher. Schon wieder. In St. Pauli oder Stuttgart-Süd wären Leute wie Thees Uhlmann in Volksumfragen bestimmt schon längst die Nummer eins auf der Wunsch-Bundeskanzler-Liste. Mädchenband-Schubladen lösen sich endgültig auf. Uhlmann ist nicht „der älteste Newcomer Europas“, sondern hat schon so viele Platten gemacht, dass er die kritische Grenze übersprungen hat, jetzt weiß er objektiv, instanzmäßig, Helmut-Schmidt-Kolumne-in-der-ZEIT-mäßig, wie früher schon mit dem Fahrrad, was gut und was schlecht ist. Wusste deshalb auch schon früh die Sache mit Casper. & Jay-Z spielt uns ein Lied ist wieder so ein Ding, wieso ist das jetzt nicht Single geworden? Stadiontauglich. Das beste Lied bis hierhin.

Thees Uhlmann ist schon immer ein guter Entertainer gewesen, der auch zwischen den Songs so enorm normale, anständige, witzige Sachen sagt, so dass man weiß, dass er die Texte nicht nachsingt, sondern die alle selbst erfunden hat. Er hat neben Gary & The Pacemakers auch das einzige würdige Fußballlied der Welt geschrieben. Das beste Lied bisher. Irgendwer flüstert hinten rum, dass eine Zeitung mal schrieb, dass Thees Uhlmann der Robbie Williams der Literaturstudentinnen sei. Da wir Literaturstudentinnen sehr schätzen, weil sie oft erstaunlich anmutig und mit viel rhythmischem Verständnis zu Alternative-Krachern tanzen und darüber hinaus oft überdurchschnittlich viel Bier trinken können, sei dies ein Kompliment.

Die dritte Zugabe, Sonntagabend, der Gitarrist raucht schon und ist grantig und müde, will Tourbus, ist übrigens Zum Laichen und Sterben Ziehen die Lachse den Fluss hinauf. Hatten wir zwar schon mal, ist aber das beste Lied bisher.

Ein Gedanke zu „THEES UHLMANN, 16.10.2011, LKA, Stuttgart

  • 17. Oktober 2011 um 20:49 Uhr
    Permalink

    „Thees Uhlmann ist der Typ, der schon in der zehnten Klasse damals das alte Rennrad hatte, als wir noch verglichen haben, wer mehr Gänge hat am hässlichen Mountainbike aus dem Baumarkt.“
    Ganz groß. Danke.

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