CASPER, 05.10.2011, LKA, Stuttgart
HipHop-Konzerte sind oft genug wie das Leben. Immer ein bisschen beschissener als man sich das eigentlich gewünscht hatte – aber das Leben ist halt kein Ponyschlecken. Casper wiederum brüllreimt die passenden Worte dazu ins ausverkaufte LKA. So gut, dass es schon klar wird, bevor es überhaupt richtig losgeht: Das da ist viel zu groß, um nur HipHop zu sein. In den letzten Jahren roch diese Musik schließlich viel zu oft nach Douglas-Filialen und dem Erbrochenen von Abiturienten.
„Der Druck steigt“, perfekter Einstieg. Die Bühne blau ausgeleuchtet, Casper und Band stehen da mit Wolfsmasken, aus deren Augen kleine Lichter scheinen. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt muss Steve Jobs gestorben sein. Wissen kann das da kaum einer, denn alle halten ihre iPhones hoch und filmen. Wer’s nicht tut, hat die Hände trotzdem oben. Nach Leben greifen, irgendeinem – die Halle ist voll davon. „3…2…1… der Druck steigt, wir holen zurück, was uns gehört“. Dann bricht das Ding los und das komplette LKA steht Kopf und hinter Casper.
Der presst ohne Rücksicht auf Verluste und sich selbst Ohnmacht, Existenzangst, Wut und Orientierungslosigkeit durch den Trichter. Auch wenn die Schere weit auseinander geht – zwischen Kapitalismus kacke finden und sich trotzdem brennend für das neue iPhone oder Turnschuhe zu interessieren. „Hipster sind das Produkt der Weltlage“, erzählt mir eine Frau später in der Stadtbahn – immer auf der Suche nach etwas, egal was. Nix gibt’s schließlich an jeder Straßenecke. Casper, der Typ aus Bielefeld mit der schiefen Frisur macht die Zeilen dazu, fasst diese Leere und auch diese Wut in Worte. Schmissig ist das trotzdem und „Zeitgeist“.
Er trifft den Nerv oder zumindest den Moment: Überall Arme, Hände, Körper – ein Tollhaus. Casper lässt sich Mittelfinger, Hände und alles zeigen, das man in Luft halten kann. Mal zettelt er eine freundliche „Wall Of Death“ an, mal freut er sich wie ein kleiner Junge über die phänomenale Stimmung oder erweist sich als durchaus verantwortungsbewusster Geselle: „Ich weiß, dass da eine Nebelmaschine steht. Aber ich weiß auch wie verbrannte Kabel riechen.“ Sympathisch, praktisch, gut.
Gothgirls, Metaller, Mütter mit Töchtern, sehr junge Mädchen, Emos, HipHopper, verstrahlte Hipster mit Sonnenbrille und Blogger-Friesen – ein kuntergrau und dunkelbunter Querschnitt durch das Leben und jeder einzelne davon feiert Casper ab. Vom ersten Ton an und bis zur letzten Reihe. Einer mit Krücken trägt sich und ein T-Shirt auf dem steht: „Casper, ich will ein Kind von Dir“. So was schreibt man sich nicht einfach so auf den Bauch. „Voll viele Kinder hier“, sagt eine andere Frau an der Bar. Sie ist sehr jung. Und auch sie hat Recht.
Doch es beruhigt, dass Kinder lieber bei Typen wie Casper rumhängen, anstatt Lieder übers Besoffenarschficken lallen. Einer trägt ein T-Shirt auf dem steht: „Anti HipHop Alliance“. Passt auch. Hier gibt’s Indiegitarren, Post-Punk, Pop, Pathos und Tanzbuden-Geklapper – HipHop ist allenfalls Caspers derber, kehliger aber klarer Gesangsstil. Manchmal klingt er fast ein bisschen wie Dendemann.
Weil sich der 29-Jährige mehr mit dem desillusionierten Leben seiner Generation als mit seinem Schwanz beschäftigt, wird der Kerl im Reimgeschäft und Feuilleton hochgehalten und gelobt wie schon lange keiner mehr. So „Hier guckt mal, der ist anders“-mäßig. Verdient hat er sich jede einzelne Lobhudelei davon. Intellektuell ist das trotzdem nicht – aber manchmal schmerzhaft echt. Manchmal auch herrlich plakativ: „Wir tragen schwarz, jeden Tag, bis es was Dunkleres gibt.“
Einen Kompass hat auch Casper nicht dabei, das verlangt aber auch keiner im LKA. Manchmal rudert er mit den Armen, als ob er sagen will: „Es ist okay, keine Ahnung zu haben, wo oben und unten ist“. Wahrscheinlich macht ihn das so beliebt. Erhobene Zeigerfinger gibt es schließlich schon genug.
Stänkern kann er auch: „Zu viele Scheißbands“, brüllt Casper, hält das Mikro hoch und die Halle schreit zurück: „Zu viel Hype“. Das Irre daran: Egal, welche Zeile er weglassen würde, das Publikum singt jede mit. Laut, lauter, am lautesten. Da kann der Wasen nebenan dichtmachen dagegen, obwohl die da mehr Bier haben. Welche Scheißbands er meint, sagt er leider nicht. Aber er preist Springsteen. Das ist gut.
Mit jeder Minute schaukelt Casper das Ding souveräner durch den Abend und keiner im Saal denkt daran, leiser zu brüllen oder etwas weniger durchzudrehen. Thees Uhlmann ist leider nicht dabei, um den Refrain von „xoxo“ zu singen. Das ist sehr schade. Die Zeilen aber bleiben groß:
Zuhause ist da, wo man sich vermisst. Doch wir glauben an ein Licht, das niemals erlischt.
Da ist Hoffnung drin. Der schönste aller Strohhalme. Und noch so eine Zeile:
Ich tättowier‘ mir deinen Namen übers Herz. Mit Anker. Damit jeder weiß, wo meins hingehört.
Achkommdraufgeschissen, Sprühdose klauen und dem besten Menschen der Welt an die Hauswand sprühen. Es gibt sinnlosere Leidenschaften, auf denen man durch die Nacht rutschen könnte.
Klar, für Zyniker ist so ein Happening wie Weihnachten und Ostern am Lieblingstresen. Der Typ bietet mehr Angriffsfläche als gesund sein kann. Und, ja, das ist hochgradig „Emo“, wenn man das unbedingt als was Schlechtes sehen möchte. Doch im LKA werfen die Menschen nur mit Liebe nach ihm. Das ist ein guter Deal.
„Gleich weinst Du, Alter“, sagt einer zu mir als Casper „Das Grizzly Lied“ ankündigt und ich mich freue, dass ich auch mal ge-Du-zt werde an diesem Abend.
Papa sagt ‚Sohn, Nimm mein Gewehr‘, mal bist du der Jäger, mal bist Du der Bär. Und wenn Du Bär sein musst, um Gotteswillen, dann kämpf. Und ich bin Grizzly jetzt.
Einrahmen, solche Zeilen kann man immer gebrauchen! Auch gleich mal einen auf Grizzly gemacht. Spätestens bei „Michael X“ klappt das nur noch mit Körperbeherrschung. Das ist die Welt in der ein freundlich gebrülltes „ICH HOFFE, ES GEHT DIR GUT!“ mehr wiegt als alles andere. Durchatmen.
Nach 90 Minuten ist das Ding im Kasten: „Alles wird perfekt“, schreit Casper und wiederholt es so oft, dass man es ihm fast glauben möchte. Letzte Tanke: Hoffnung. Bis die Leute da keinen Vodka mehr kaufen, sobald es dunkel wird.
Mörderbilder. Sackzementaberauch.
Mördertext. ;)
Sackzementaberauch.
Herrgottssacknochemol, Sause verpasst.
tolle fotos, toller text! auf euch is halt verlass :)
hahaha killer. allein der erste satz ist nix als die wahrheit. ansonsten ging casper an mir vorbei wie seinerzeit stephan mross oder hansi hinterseer. aber bestimmt guter typ.
schlabbrige haut
Pingback: Von Blingbling bis Gangbang – die wirklich wahre Wahrheit über Hip Hop [Kolumne x Kommentar] | splash! Magazin
schwuchtel
https://www.splash-mag.de/magazine/2011/10/23/von-blingbling-bis-gangbang-die-wirklich-wahre-wahrheit-uber-hip-hop-kolumne-x-kommentar/
vielleicht lest ihr anschließend das und denkt dann möglicherweise ein wenig klarer, denn dies hier oben ist wirklich nur gequirlter Scheiß. tut mir leid aber ist so.
Ach komm schon, was soll diese Einleitung denn bitte? Hip Hop hassen und verachten ist so einfach, weil offenbar selbst intelligente Leute diese Verachtung nicht hinterfragen. Ist es denn so schwer, sich vorzustellen, dass eine seit Jahren existierende Musik-Szene mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick meinen könnte? Man sagt über Rock ja auch nicht „Rock ist scheiße, guck dir nur Tokio Hotel, Silbermond und Revolverheld an“. Und ich werde jetzt nicht daher gehen und irgendwelche Künstler empfehlen, denn man findet sehr schnell auch durch eigene Recherche heraus, wie vielfältig Rap sein kann. Bitte solchen Stumpfsinn beim nächsten Mal erstmal kritisch hinterfragen und dann posten.
Immer schön wenn Leute über HipHop schreiben, die keinen Plan von der Materie haben, noch nie ein Untergrund-Konzert in nem kleinen Club mit 100 geradezu fanatischen Fans besucht haben, und das Wort „Freestyle“ nicht mal kennen.
Solche Leute halten Casper dann auch für HipHops Rettung.
Christa!
ich geh schon mal Bier, Chips und meinen Flamingo holen.
…wenn schon Objektivität in diesem Blog nicht vorhanden ist, sollte wenigestens Fachwissen über angesprochene Themen vorhanden sein – beides ist leider nicht der Fall. Hetztiraden kann jeder schreiben. Dieser Text stellt in Sachen Informationsgehalt und Wahrheitsfindung das gleiche dar, wie Arschfickrap im HipHop: Eine zum Glück immer kleiner werden Zahl verirrter Idioten, die nicht wissen was sie sagen oder tun, und deshalb auf alles und jeden drauf hauen….denkt mal drüber nach und informiert euch über weniger Hass-orientierten Plattformen…dieser Blog ist Zeitverschwendung!