HURTS, 30.09.2011, Porsche-Arena, Stuttgart

Hurts

Foto: Steffen Schmid, Reykjavik 2010

Es ist wohl tatsächlich passiert. Was andere Gig-Blog-Autorinnen und -Autoren vermuteten oder feststellten: etliche Konzerte und ein erschienenes Album (Happiness, 2010) später sind Hurts, der Popwelt zum Glücke, im Mainstream angekommen, nicht jedoch darin verloren. 45 Euros zahlen die Menschen (damals schienen einem Kommentierenden 12 Euros zu viel), um die schönen Briten in der Porsche-Arena zu sehen. Nicht meine Wunsch-Location, aber das will ich mir jetzt doch mal anhören, nachdem ’s die Platte auch bei mir auf den ipod geschafft hat.

Ihr kennt doch bestimmt auch das „Was passt nicht in die Reihe-Spiel“ ? So hab ich mich gefühlt als ich gelesen hab, wo Hurts noch spielen nach ihrem Auftakt-Gig der neuen ‚Happiness-Tour‘ in Stuttgart: Frankfurt – München – Düsseldorf – Erfurt. Ja, ok, zugegeben, es könnte auch Erfurt sein …

Und dann eben Porsche-Arena – da war ich zum ersten und einzigen Mal bei deren Eröffnung und durfte mich mit Frank Elstner und unserem ehemaligen Minischdrpräsidenten Gündr Öddinger hinter der Bühne, sozusagen ‚backstage‘ vergnügen, „Verstehen Sie Spaß?“-Aufzeichnung mit Oldtimer-Bus-Erscheinen und derlei Späßen.

Heute Abend waren mit mir noch etwa 2.999 Leute in Cannstatt und alle so bunt (wie auf dem Wasen nebenan); gar nicht erwartet hätte ich, dass das Grüppchen schwarz Gekleideter (und auch musikalisch schwarz Gesinnter) im Innenraum so auffallen würde. Tat es aber. Mir jedenfalls.

Ein Gutes hat ja ein Konzert in solch einer Halle: pünktlich anfangen tut’s. Auch vorteilhaft, bei drei Acts (werd ich alt?). Hat ja fast schon Festival-Charakter mit so vielen Supports. Um 19:59 Uhr kommt der erste, die ebenfalls in Manchester lebenden The Heartbreaks. Aus dem kleinem Ort Morecambe an der britischen Westküste in der Grafschaft Lancashire stammend, leben sie den rauen Sound der See in ihrer Musik, die man, vielleicht etwas nichtssagend, als Indie-Pop bezeichnen darf; ein wenig Smiths, ein wenig Beatles, rauer aber, ungestümer. Im Jahr 2003 ist Morecambe auf Platz 3 der „50 worst places to live in the UK“ gelandet – sowas prägt.

„… The British seaside has this sort of faded glamour to it, its tacky and tragic, yet at the same time, there’s a real beauty to that. And thats so essentially British. There’s nothing more inspirational than the British seaside…“ – The Heartbreaks

Mit ihrer ersten Single „Liar, my Dear“ und ihrem Mini-Album „Jealous, Don’t You Know“ (gleichnamiger Song auf Platz 1 in England) machen sie eine Ansage. Nämlich die, dass sie ernst zu nehmende Newcomer sind, die sich musikalisch nicht verstecken müssen und von denen wir hoffentlich noch viel hören werden. Einzig der Bandname, hallo, „die Herzensbrecher“ (warum da vorher noch keiner drauf kam), macht, dass ich mich ein wenig zu alt fühle. Aber es gibt ja jüngeres Publikum, dem gefällt’s bestimmt noch besser als mir. Schade nur, dass heute Abend eigentlich kaum einer wegen ihnen gekommen ist.

Meinem Alter angemessener scheint mir die sechsköpfige Formation von Firefox AK, von denen ich mir am Ende des Abends die CD mit heim nehme. Firefox AK, das ist in erster Linie Andrea Kellerman. Die Schwedin, Ehefrau von Tiger Lou-Head Rasmus Kellerman, stellt ihr drittes Album (Color the Trees, 2011) vor und das mit glasklarer und kräftiger Stimme, nicht unbedingt zu erwarten, wenn man das zarte Mensch dazu sieht … aber sie weiß, was sie singt und spielt – multi-instrumental mit Schellenkranz, Schlaghölzern, Gitarre, vielen frickeligen Beats … Kritiker attestieren ihr große Nähe zu Nina Persson und den Cardigans, was nicht gelogen ist, wobei Songs wie „Boom Boom Boom, The Wind“ oder „My Sister And I“ (ein Song über Ihre Zwillingsschwester; toll eigentlich, dass es diese Frau zweimal gibt) schon sehr eigenständig daherkommen – perfekt produzierter Sound (von Andreas Mattsson, in Stockholms Musikszene kein Unbekannter) die halbe, viel zu kurze Stunde lang. Würden wir nicht eigentlich alle auf Hurts warten, wär’s schön, sie würden noch ’ne Weile bleiben.

Ameisenhaufenartig wird umgebaut, Schnakenbergs modulare bühnentechnische Elemente auf die Bühne (für die Fachleute unter uns), die später die zahlreichen Musiker (vier Streicher, einen Synthesizer-Bediener, einen Schlagzeuger, einen Gitarristen) tragen werden, die Theo und Adam begleiten werden am heutigen Abend. Und auf einmal sind SIE da – ein wenig bin ich schon gespannt, ob das Wunder um Hurts auch für mich funktioniert – und gleich vorneweg: es tut. Bevor ein Ton gesungen ist, spür ich was vom Charisma der Briten. Keine Angst, das hier wird jetzt keine Hymne auf Hurts.

Eröffnet wird düster und bombastisch mit Standartenträgern und „Silver Lining“ bevor bei „Better Than Love“ die zwei Tänzerinnen eingeführt werden, die mal in schwarz und mal in weiß gekleidet auch heut Abend einiges zu tanzen haben.

Schon beim dritten Song „Blood, Tears & Gold“ wird das erste (und vielleicht einzige) Feuerzeug ausgepackt, von einem Überzeugungstäter, der ein paar Reihen vor mir sitzt und wohl kein Mobiltelefon besitzt, mit dem er neumodisch leuchten könnte. Selbst als Theo ruft „Handys hoch, Stuttgart (…) schöne Leute, Stuttgart“, brennt dieses Analog-Licht. Nun, in „Illuminated“, das fast am Ende des Konzerts als einer der Höhepunkte kommt, kann’s auch nicht um das schnöde Handy-Geleuchte gehen und auch die Zeile „Lights are shining on our faces“ muss anders gemeint sein.

Hurts wecken tiefere Gefühle, auf ihrem erstem Album Happiness geht es um nichts geringeres als um die Suche nach Glück und das Säen von Hoffnung (erschließt sich einem vielleicht nicht ganz, wenn auf der Rückseite des Cover-Booklets Lento Doloroso zu lesen ist, was soviel wie ‚langsam schmerzhaft‘ bedeutet – oder muss man das lediglich als eigene musikalische Einordnung in die Kiste Disco Lento verstehen?). Es ist schon viel über Hurts geschrieben worden, ich verzichte, wie der aufmerksame Leser vielleicht auch schon gemerkt hat, auf den musikjournalistischen Part, das können andere besser als ich. Man möge mir meine rein subjektive Sicht der Dinge verzeihen.

„Illuminated“ auf jeden Fall- vielleicht mein Lieblingslied heut Abend. Obwohl, jeder Song hat irgendwie auf seine Art das Zeug zum Lieblingslied, „Wonderful Life“ natürlich oder auch „Stay“ – ist das vielleicht das Geheimnis des Erfolgs von Hurts? Lauter Lieblingslieder, Songs zum Mitsingen – obwohl, wenn ich sehe, wer aus der bunten Innenraumgesellschaft mitsingen kann, will ich es vielleicht gar nicht mehr … ist mitsingen womöglich eh blöd? Egal, ist ja dunkel und laut, da stört’s doch keinen großen Geist.

Großes Gefühlskino auch mit dem Instrumental-Stück „Gloomy Sunday“ oder auch den balladeskeren Songs wie „Verona“, dem hidden track (so ne 80er Jahre-Albernheit sagt mein Mann), oder „Mother Nature“ und „Unspoken“. An dieser Stelle kommt allerdings von meinem Begleiter A. die Anmerkung, dass wir es doch eher mit langweiligen Live-Performern zu tun hätten. Kann man finden, durchaus. Ich find, sie performen mit der charmanten 80er Wave-Attitude, die mir gut bekannt ist, da ein früherer Freund meiner Schwester und mir, den meine Eltern meist liebevoll „dr Elektrisch aus Bergisch Gladbach nannten“ (er war Elektroinstallateur) nicht müde wurde, uns mit Wave-Mixtapes zu versorgen und uns in einschlägigen Kölner Clubs live teilhaben zu lassen an diesen 80er Posen, mit auf die Schuhe kucken und so (schöner youtube -Kommentar zu einem Hurts-Auftritt: „why he all the time looking down??“) … also ich hab jedenfalls Spaß an der Performance. Wobei es das nicht allein ist, es ist eher die unbedingte antonymische energische Ruhe und die Sicherheit, die die beiden Herren von der Insel auf der Bühne ausstrahlen, als gehören sie nirgends hin als auf die Bühne, die das Konzert zu einem Erlebnis machen. A. ist allerdings erst ein wenig versöhnt, als Theo sich bei der zweiten Zugabe „Sunday“ zu einem übermütigem Mikro-Schlenker hinreißen lässt und seiner Meinung nach dann erst das Prinzip Live-Konzert verstanden hat…

„Happiness“ wird außerdem gespielt, der Song, der nicht auf der Platte ist, aber nach dem die Platte heißt, Kylie Minogue, die auf der Platte bei „Devotion“ mit singt, wird mit einer Coverversion ihres „Confide In Me“ gewürdigt, die fast berührender ist als das Original. Mit „Affair“, einem neuen Lied, das zum ersten Mal live gespielt wird, kriegen wir noch eine Ballade geschenkt, vielleicht erwartet uns 2012 ein noch gefühlsschwangereres Balladen-Album? Man darf gespannt sein. Eigentlich aber auch egal, wegen mir könnten sie eh einfach nur ihr wunderbares Britisch reden und gut aussehen.

Für die Porsche-Arena gab es leider keinen Fotopass, wer aber wissen möchte, wie die Jungs aussehen, kann hier nachschauen: Baden-Baden 2009 oder Reykjavik 2010.

3 Gedanken zu „HURTS, 30.09.2011, Porsche-Arena, Stuttgart

  • 3. Oktober 2011 um 15:33 Uhr
    Permalink

    Ja, die neue Show ist wieder ganz großes Kino :). Die Hallen wurden für die Jungs sehr schnell groß, die Gigs von Anfang an in immer größere Locations verlegt als ursprünglich geplant. Die Jungs haben es (momentan) geschafft. Trotzdem bin ich ein wenig stolz zu der kleinen Gruppe der „Schwarzen“ zu gehören, die noch immer dabei sind. Und dass die Jungs nicht nur Mainstream sind, beweisen sie ja sehr oft und auch die Show hat den düsteren Touch behalten (der, wie ich finde, im aktuellen Programm noch stärker zum Ausdruck kommt) :).

    Nur gingen nicht alle Tickets für ca. 45€ weg. Viele haben ihr Ticket sicher für 20€ bekommen können…

    Danke für diesen schönen Bericht!!!

  • 4. Oktober 2011 um 08:52 Uhr
    Permalink

    das stimmt wohl, viele haben ihre karte wohl billiger bekommen … aber das lag eben an der zu großen halle. danke für den kommentar und den dank !

  • 10. Oktober 2011 um 09:26 Uhr
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    Karlsson vom Dach, dr Elektrisch aus Gladbach und Hurts in einem Artikel – Hut ab!

    ;-)

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