KLANGBAD FESTIVAL Tag 3, 05. – 07.08.2011, Alte Papierfabrik, Scheer

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Foto: Udo Eberl

Zugegeben: Die beiden ersten Festivaltage fordern am finalen Sonntag ihren Tribut. Ich schwänze Livemusik. Nachdem Heiner Müllers Quartett mit FM Einheit und zwei Schauspielerinnen der Stuttgarter Staatsoper krankheitsbedingt abgesagt wurde, schenke ich mir den frühen Einstieg in den Festivaltag. Alles muss man ja auch nicht gesehen haben, sagt mir mein Gewissen, das eigentlich auf Vollständigkeit besteht. Limpe Fuchs wird es nicht bemerken, dass ich nicht mit geschlossenen Augen, scheinbar in ihre Musik kriechend, aber eigentlich eher müde, in einem der Sofas des Zelts abhänge. Die Avantgardistin unter den Schlagwerkerin wird auch ohne mich auf Holz, Stein oder klingender Bronze klöppeln. So ist es.

Nach spannenden Improvisationen und behutsamen musikalischen Annäherungen der in Brooklyn lebenden, deutschen Saxofonistin Ingrid Laubrock und des Schweizer Schlagwerkers Christian Wolfarth gibt sich auf der großen Bühne OY die Ehre. Joy Frempong hat Spaß daran, live aus Klangschnipseln und Sound-Loops Pop-Songs entstehen zu lassen – in Echtzeit, mit Puppen-Unterstützung und mehr oder weniger gewitzten Texten. Ein Großteil des Publikums ist gefesselt oder amüsiert sich köstlich.

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Foto: Udo Eberl

Zum Heimspiel wird das Konzert von Bob Rutman’s Steel Cello Ensemble. Großartig, das zum zwei Meter hohen Metallsegel geformte Streichinstrument des 80-jährigen Klangerfinders, der die Töne mit Streicherbögen aus Angelschnur erzeugt und immer wieder zwischen den dünnen Platten hindurchlinst, um Kontakt zu den Mitmusikern zu halten. Unterstützt wird er von Christoph Hahn, der mit dem Ebow und Delays auf der Slidegitarre schöne Klangflächen und Melodien baut und von Keyboarder Hans Joachim Irmler. Hier spielt der Chef selbst und zwar mit großer Begeisterung und trimmt den Sound in eine Richtung, die den guten alten Krautrock hochleben lässt. Hinzukommt das Maulgetrommele von Mike Hentz, der wahlweise auch etwas für vokalistische Eruptionen übrig hat, und die omnipräsente Schlagzeugarbeit von Kersten Ginsberg. Das klingt zwar so, als habe der Mann in seiner Jugend eine Überdosis „Ummagumma“ abbekommen, peitscht die ganze Sache enorm nach vorne. En typisches und wortwörtliches Klangbad-Konzert, begeistert bejubelt. Rutman lässt sich eine Zugabe nicht nehmen, verspricht Gänsehaut-Feeling, meint aber wohl eher die Haare, die einem zu Berge stehen. Heftiges Gesäge auf Metall wird mit dem schmutzigen Text von „Dry Fuck“ verschmolzen. Und Rutman legt mit Limericks ähnlicher Machart nach.

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Foto: Udo Eberl

Für ein großartig eintöniges Finale des Festivals sorgen dann Elektro Guzzi aus Wien, die in der klassischen Rocktrio-Besetzung analogen und definitiv tanzbaren Techno zelebrieren. Die Clubmeister bewegen das Klangbad-Publikum und es freut sich an der immer stärker werdenden Sogwirkung der handgemachten Beats. Ohne Sounds aus dem Off und Laptops zelebrieren Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer die Magie der Monotonie, die sie in der Vergangenheit bis zum Sonar-Festival nach Barcelona gebracht hat. In den letzten fünf Minuten dieses mehr als einstündigen Tracks bricht die Soundhölle los. Klasse.

Da bleibt Klangbad-Chef Irmler nur der Dank an alle Mit-Organisatoren des Vereins, die Stadt Scheer und die hundert ehrenamtlichen Helfer aus nah und fern. Und dem Publikum dankt er mit Rührung in der Stimme: „Ihr seid die schönste Familie die man sich wünschen kann und so schnell gewachsen. Ich werde euch vermissen.“

Fortsetzung folgt, allerdings erst wieder im Sommer 2013.

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