BLACK BREATH, 18.07.2011, Schocken, Stuttgart

Black Breath, Schocken Stuttgart

Fotos: Michael Weiß

Früher war halt irgendwie doch alles geiler. Wenn da einer sagte „klingt so schwedenmäßig“, dann war klar: Saiten tiefergelegt, teilchenbeschleunigter Traditionmetal plus wuchtiger Backpfeiffe, Rock’n’Roll-Schwung und gut ist’s – Schwedendeathmetal. Doch mittlerweile wird in Schweden alles kopiert, was bei drei noch kein Trend ist. Und plötzlich braucht man ein paar zerfledderte Typen aus Seattle, um den alten Schweden-Geist wieder aufleben zu lassen. Black Breath.

Kurz fürs Bescheidwisserprotokoll: Gutfindlabel Southern Lord, produziert von Kurt Ballou (Converge) und klingt trotzdem so als ob Tomas Skoksberg es getan hätte, Bandnamen von Repulsion geborgt. Gebongt – da brennt nix an. Auch sehr nett: keine Vorband. Es ist schließlich Montagabend. Keine Zeit für Geplänkel. Kurz „Hallo!“ sagen und dann hart kuscheln. Wir wollten es nicht anders. Keiner.

Diese Teufelskerle holen sich das Beste aus Dismember, Slayer, Tragedy, Entombed, Discharge und eben Repulsion und machen Lied für Lied ein Fest draus. Kerzen auf die Torte und dann mit dem Arsch voraus reinspringen und „Yiepiiee!“ rufen. Besser kann’s Montagsabends kaum kommen.

Das Quintett aus Seattle rechnet Deathmetal auf das Nötigste herunter: Energie. Nicht etwa, weil sie zu doof für höhere Mathematik wären, sondern weil sie wissen, dass es richtig ist. Kein unnötiges Gekniedel, kein Vikingerscheiss, kein Bullshit – roh und wirtshauskeilereimäßig auf die Fresse. Als wäre Nicke Andersson noch bei Entombed, als wären Langweiler wie Unleashed nie passiert, als würde sich die Welt tatsächlich nur um Metal drehen.

Black Breath

Fotos: Michael Weiß

Ehrliches Headbanging, nein, eher fast Kopfnickerzeug. Das hüftet wie ein guter Samstagabend und macht Spaß wie schon lange nix mehr. Ab und an gibt’s zweistimmige Gitarrenleads, die nach „Blind“ von Corrosion Of Conformity höchstens noch die Doomriders annähernd so sexy gespielt haben. Toll. Weitermachen, nicht aufhören. Nicht jetzt.

Black Breath sind Typen, die wissen, dass Hüftschwung keine Charakterschwäche ist. Wo man hinschaut lächeln Männer, recken die Fäuste in die Luft. „Aaaalllteerrr!!!“, schreit einer. Und recht hat er: „Aaaalllteerrr!!!“.

Und den Schalk im Nacken haben sie auch noch: „This next one goes out to all the ladies in the crowd tonight“, ruft Schreihals N.T. MacAdams von der Bühnenkante. Während sich circa 60 Männer lachend umschauen, ob tatsächlich welche da sind, grinsen die ungefähr sieben anwesenden Damen. Und sie können sich sicher sein, dass der Faxe nicht sie meinte als er sagte: „Wenn mehr als 50% Frauen im Publikum sind, dann ist die Band meistens scheiße. Frauen interessieren sich von Natur aus nicht so sehr für gute Musik. Die finden den Sänger süß oder so.“ Drei Euro in die Machokasse und weiter geht’s. Black Breath machen keine Gefangenen.

Das ist Metal, zu dem man prima trinken könnte. Zuzüglich Jacke in der Hand macht das aber fast jegliche Form des Applaus zunichte. Und den haben sich Black Breath mehr als verdient. Also, einfach ab und an mal „Yeah!“ oder „Aaaalllteerrr!!!“, brüllen. Die wissen schon, wie’s gemeint ist.

„Hey, kann einer bitte die Discokugel da anmachen?“, fragt N.T. MacAdams. Da kann die freundliche Bar an der Frau, nee andersrum, Frau an der Bar gottseidank nicht widerstehen. Das Ding dreht sich und auch Black Breath lassen alles rund laufen – kümmern sich um den Rest. Die Gitarren klingen wie Sägen mit sehr großen Blättern. Und am Schlagzeug redet Jamie Byrum in aller Ruhe mit den Becken: „Alright, let’s go“. Und wieder kommt einer dieser sexy Breaks, die heutzutage leider kaum noch einer spielt. Gitarrensoli gibt’s auch. Kurz und „Rock’n’Roll“. Der Rest ist Hingabe, unglaublich sexy und rohe Gewalt.

Nach 50 kurzweiligen Minuten ist das Ding nach Hause gefahren. Keiner motzt, keiner meckert – alle lächeln bestens bespaßt und am Merch-Stand geht’s zu wie beim Sommerschlussverkauf von Sigrun Wöhr Samstagmittags. Nur halt ohne Frauen. Echte Männer erkennt man daran, dass sie sagen: „Ich nehme noch ein T-Shirt für meine Freundin mit.“ So sieht Liebe nämlich aus.

Ich glaube, ich bin da etwas Großem auf der Spur: Früher war rein gar nix geiler, nur einfacher, nicht so verwässert und zwangsoriginell. Und Black Breath perfektionieren das. Konservativ ist das nicht, denn sie lassen halt den verdammten Bullshit weg.

3 Gedanken zu „BLACK BREATH, 18.07.2011, Schocken, Stuttgart

  • 19. Juli 2011 um 18:45 Uhr
    Permalink

    Der Faxe weiß Bescheid! Hat’s wieder bewießen!

  • 10. Dezember 2012 um 23:47 Uhr
    Permalink

    Bester Artikel den ich seit langem gelesen habe :D

  • 20. Oktober 2023 um 19:44 Uhr
    Permalink

    Gerade mal wieder die Platte zum Konzert gehört.
    Immer noch sehr sehr geil!

    Grüße,
    Faxe

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