MISFITS, 15.06.2011, Röhre, Stuttgart
Was habe ich mich gefreut, als ich gehört habe, dass die legendären Misfits in Stuttgart spielen. Und das auch noch als eines von nur zwei Live-Konzerten in Deutschland. Außer uns wurden sonst nur die Hamburger beehrt und die sind es ja gewohnt, dass die richtig dicken Bands kommen. Klar, ich weiß natürlich auch, dass der große Glanz der Misfits aus vergangenen Tagen stammt und von der Originalbesetzung der Horrorpunker nicht mehr viel übrig ist. Trotzdem, beim Gedanken ein paar meiner Lieblingssongs live zu hören wurde mir schon ein bisschen warm ums Herz. Ich bin kein Fan der ersten Stunde – das mal vorweg geschickt. Erst nach der Wiedervereinigung der Misfits bin ich wirklich auf sie aufmerksam geworden, muss so um 1999 gewesen sein. Davor kam bei mir eigentlich nur Deutschpunk und später dann Gothic und EBM auf den Plattenteller. Mein großes Aha-Erlebnis war „Scream!“ auf irgendeinem billigen Sampler. Dass Glenn Danzig da nicht mehr Frontmann war, wusste ich anfangs nicht mal. Wie dem auch sei, mittlerweile sind die Misfits eine meiner absoluten Lieblingsbands geworden, vom ganzen alten eher oi!punkigen Zeug bis hin zum modernen und wesentlich glatteren Horrorpunk von heute.
Die Unkenrufe waren schon lange vorm Konzert allerorts zu hören. Angefangen vom Vorwurf, dass die Band um das einzig verbliebene Gründungsmitglied Jerry Only politisch nicht ganz einwandfrei und extrem konservativ sei, über den Vorwurf doch nur noch eine Misfits-Coverband zu sein bis hin zum Eintrittspreis, der mal wieder unverschämt hoch sei. Davon unbeeindruckt mache ich mich am Mittwochabend auf zur Röhre, leider viel zu spät, so dass ich die beiden Vorbands The Peacocks und The Phantomics gleich komplett verpasst habe. Noch viel schlimmer, ich verpasse sogar den Opener der Misfits. Asche auf mein Haupt. Eine Saite soll Gitarrist Dez Cadena bei „Halloween“ gerissen sein, wird mir später erzählt. Etwas gehetzt, aber gut gelaunt stürme ich also in die Röhre und laufe erstmal gegen eine Wand aus Menschen. An der Abendkasse soll es noch Karten gegeben haben. Aber wenn das hier jetzt nicht doch noch ausverkauft ist, frage ich mich, wo man hier ernsthaft noch mehr Menschen unterbringen will. Auf der Bühne geben Jerry Only und seine beiden Mitstreiter schon ganz gut Gas.
Recht ordentliches Geknüppel zwischen Punkrock und Metal was die da abliefern. Der Gesang von Jerry Only klingt allerdings ein wenig schwach auf der Brust und reicht so nicht an den der beiden Ex-Frontmänner Glenn Danzig und Michale Graves heran. Ob das am unterdurchschnittlichen Sound oder den Sangeskünsten von Herrn Only liegt, mag ich nicht beurteilen. Was bleibt ist eine ordentliche Horrorpunkband, die recht zünftig auf die Zwölf geht ohne einen wirklich umzuhauen. Den vorderen Reihen macht das, wie zugegebenermaßen recht oft, sichtlich mehr Spaß als den hinteren. Während im Schubskreis nach Herzenslust gerempelt und geboxt wird und immer mal wieder einer über die Menge getragen wird, betrachtet man das Spektakel hinten eher steif oder konzentriert sich auf die Unterhaltung mit den Freunden.
Die Misfits spielen ältere Songs wie „I turned into a Martian“, „Hybrid Moments“ und neuere wie „Helena“ und „Rise above“. Richtig Stimmung gibt es aber nur bei einigen wenigen flotten Hits wie „Skulls“ oder „We are 138“. Da wird dann sogar weit hinten mal eine Faust in die Luft gereckt und ein wenig mitgesungen. Jerry Only, der es vom Bassisten mittlerweile zum Frontmann gebracht hat, steht im Misfits-typischen Outfit auf der Bühne, reckt hier und da mal die Faust in die Luft oder grinst fies ins Publikum. Im Hintergrund prangt ein riesiger Totenkopf vom Banner. Mit dem was damals 1977 in New Jersey entstanden ist, hat das vielleicht nicht mehr allzu viel zu tun, schlecht ist es aber deswegen nicht.
Nach nicht ganz eineinhalb Stunden ist dann auch schon Schluss. Mit „Die, die my Darling“ gab es immerhin nochmal einen kleinen Höhepunkt. Oder Moment mal, spielen die doch noch weiter? Jerry Only stolziert jedenfalls selbstverliebt über die Bühne und lässt sich noch ein wenig feiern während hinter ihm schon das Schlagzeug abgebaut wird. Ja mein Gott, da haben sich schon welche wegen Schlimmerem feiern lassen.
Enttäuschte Stimmen gibt es hinterher viele. Ich hatte einen ganz netten Abend, Freunde getroffen, ein paar Bier getrunken und gute Musik gehört. Mehr habe ich gottseidank auch nicht erwartet. Warum auch?
„(altes) eher oi!punkiges Zeug“??? hab ich was verpasst? und ist „rise above“ nicht von black flag? mir ist zumindest kein misfits song dieses namens bekannt.
davon abgesehen: sämtliche punk rock kenner in meinem bekanntenkreis haben sich die veranstaltung entweder direkt gespart oder waren durch die bank hinterher entsetzt angesichts der qualität.
Schön nur davon gelesen zu haben. Das hört sich ja tatsächlich so an, als sind die „Misfits“ tatsächlich zum Fürchten, gar zum schreiend Davonlaufen. Gibt es eine Band, bei der eine versuchte Fortsetzung von echten Erfolgen schlimmer in die Hose ging? Ich glaube es nicht.
Auch lustig, was die von mir hochgeschätzten Peacocks nach dem Röhre-Gig auf ihrer Facebook-Seite gepostet haben. Zum grandiosen neuen Video von J.D. McPherson „North Side Gal“ gab es folgenden Kommenar: „On our drive home from playing with the Misfits we listened to this in the van. Needed some good stuff after hearing not so good stuff. And after hearing Jerry Only ruining Misfits songs you appreciate a good voice even more.“
An Jonas: Nice!
Danzig hat wohl jahrelang ziemlich erfolglos versucht gerichtlich Jerry Only die Mitsfits-Rechte zu entreißen. Glänzen tut Danzig heute ja auch nicht gerade, aber die Misfits-Katastrophe ist schon echt widerlich. Der Richter muss ein perfider Punk-Rock-Feind gewesen sein.
@DaDude Ganz richtig “ Rise Above“ ist von Black Flag. Vor Henry Rollins war Dez Cadena der Sänger von Black Flag, insofern kann man das Liedchen schon einmal anstimmen.
@Da Dude: mit „Rise above“ liegst Du natürlich richtig. Ich bin kein Black Flag-Fan und kannte das Original bisher nicht. Mit oipunkig meinte ich altes schraddligeres Zeug mit Mitgröhlfaktor. „We are 138“ beispielsweise.