MASTODON, 08.06.2011, Röhre, Stuttgart
„Meine Fresse, die sehen ja verheerend aus“, sagt eine der wenigen anwesenden Frauen in der gut bepackten Röhre zu ihrem Begleiter. Er hat es wahrscheinlich nicht gehört. Denn wie alle anständigen Menschen war er an diesem Abend mit Mastodon beschäftigt, beziehungsweise deren sperriger Vorstellung von Metal. Das macht man nicht auf der linken Arschbacke und schon gar nicht mit einer motzenden Frau an der anderen. Das erfordert Hingabe, Konzentration und halt auch ungeteilte Aufmerksamkeit.
Zwischen den großen Sommer-Festivals, bei denen sich viele Menschen zum Biertrinken und Zeltfummeln treffen, haben Mastodon die ein oder andere Clubshow dazwischen geschoben. Eine davon gottseidank in der Röhre. Und wohlwissend, dass hier größtenteils verrückte Fans aufschlagen werden, verzichtet das Quartett aus Atlanta gleich mal auf die wenigen „Hits“. Der Aufmerksamkeit können sie sich gewiss sein. Hier wird keine Werbung gemacht, sondern unterstrichen. Dick. Lauter widerborstige Lieder, kaum etwas von „Crack The Skye“, ihrer bisher allgemeinverträglichsten Platte.
Aber Mastodon, das ist eh mehr liebevolle Hingabe, statt Selbstzweck, dem geneigte Prog-Rocker so gerne verfallen. Mastodon verrichten Schwerstarbeit, aber irgendwie doch locker aus dem Handgelenk, ohne sich dabei verliebt auf die eigenen Finger zu schauen, als würden sie sich selbst gerne beim masturbieren zuschauen.
Gleich mal vorneweg geschickt: Besser wär’s nur gewesen, wenn Mastodon auch noch ’ne Pizza gebacken oder Nutella-Brote gereicht hätten.
Ab und an rollt Troy Sanders geisteskrank die Augen um die eigene Achse oder Bill Kelliher oder Brent Hinds gehen mal einen Schritt zurück, als ob sie schauen wollten, ob jemand ihnen die Gitarren-Amps geklaut hat. Und Brann Dailor streckt mal einen Arm in die Luft. Das war’s dann aber schon in Sachen „Stageacting“. Musik ist der Rest. Mit fast aufdringlicher Beiläufigkeit und hinterfotzig gemeiner Urgewalt fegen Mastodon die Röhre aus.
Bei aller Geilfinderei ist aber auch eines klar: Das Prinzip Mastodon ist spitze, wenn nur die Musik nicht so verdammt anstrengend wäre.
Kurzer Liveticker aus meinem Kopf:
„Oh, geil. Groove. Mitwippen. Yeah, Rock’n’Roll, Alter. Noch’n Schorle? Hä, was’n das schon wieder? Achso. Yeah, Wippen. Boh, der Typ neben mir müffelt. Was machen die denn jetzt schon wieder? 1,2,3,4 und fünf und. Hä? Kommen die da immer auf die Sieben? zwei, drei, vier, Boh, Mist schon wieder verzählt. Scheisse, wieder ein neuer Teil. Schorle bitte, aber zackzackzack. Hihi, da hinten versucht eine Frau headzubangen. Wow, jetzt groovt’s wieder. Alter. Wieso hören die schon wieder damit auf. Wow, klingt geil.“
Ich habe noch immer keinen blassen Schimmer, was die da eigentlich machen. Aber es ist eine Wucht und beeindruckend: Das ist eine Band, bei der man sich auf Teile der Lieder freut, nicht auf Lieder. Deswegen spielen sie auch alles in fast einem Rutsch runter. Kein „Yeah, wie geht’s euch, Mutterficker?“, kein Animationszeug.
Und wenn das Quartett nicht gerade mal 40 Sekunden sakrisch gut rumhüftet, spielen sie derart interessantes Zeug, dass man trotzdem am Ball bleibt. Musikalisches Charisma ist das, beziehungsweise: Die Typen haben den Arsch offen – die verballern in vier Minuten derart viel Ideen – andere Leute machen daraus drei Platten.
Auch klar: Lennon und McCartney würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „The Wolf Is Loose“, das ist nix was die Familie beim Picknick zusammen anstimmt. Das sind Lieder zum Reinsetzen. Und um es ein für alle mal klarzustellen: Mastodon geben dem Prog nicht den Rock’n’Roll zurück, sie bringen ihn endlich dorthin.
Sagen wir wie es ist: Hätte irgendeiner an der Bar laut gebrüllt „Jungs, Freibier und Schnäpse, solange ihr könnt.“ Die geschätzten 500 Leute, hätten „Steck’s dir in die Haare zurückgebrüllt“ und sich wieder der Musik zugewandt. Mastodon hätten vielleicht noch gesagt: „Schmieren. Das heißt schmieren“.
Offiziell verliebt bin ich jetzt in Brent Hinds. Der spielt nicht nur ziemlich saugut Gitarre, sondern sieht auch beinahe so geil aus wie John Goodman, als der noch Dan Conner, den Ehemann von Roseanne in der gleichnamigen Sitcom mimte. Sympathischer geht’s kaum. Ich denke, unsere Kinder werden sehr schön werden.
Ja, genauso wars! *applaus* Aber hey sowenig Frauen waren das gar nicht! Mußte aufm Klo immer anstehen! Passiert mir bei Deathmetal oder Grindcore Konzerten weniger! :)