MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER, 04.06.2011, Keller Klub, Stuttgart

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Foto: Andreas Meinhardt

Es ist heiß und schwül, schon den ganzen Tag. Letzte Nacht habe ich nur 4 Stunden geschlafen. Um 18 Uhr ruft ein Bekannter an, der auf der Durchreise ist. Wir treffen uns kurz und trinken in der Hitze eine Halbe. Ich wanke zum Keller Klub, dann ist das auch schon wieder ausgeschwitzt. Express-Rausch. Wird teuer, wenn man das den ganzen Tag macht. Wenn ich jetzt auch bei Rock am Ring wäre, würde ich das den ganzen Tag machen. Ich stelle mir vor, was passiert wäre, wenn ich zwei getrunken hätte.

Wenigstens ist es im Keller Klub (vor Konzertbeginn noch) leer und kühl, irgendwann spielt eine Band namens Der dünne Körper von Francoise. Hab mal in das Album reingehört, war nett. Sind auch auf der Bühne nett, die Sängerin macht auf Hipster und sieht ganz drollig aus, die Gitarristin pflegt im Bezug auf ihr Äußeres eher so den Used-Look. Hätte ich nie gedacht, dass dieser Cobain-Style irgendwann mal wiederkommt. Cobain-Style ist ein schönes Oxymoron. Spektakulär allerdings der metronomisch prügelnde Schlagzeuger im roten Adidas-Trainingsanzug, da kann sich jeder Drumcomputer eine Scheibe von abschneiden. Wie surreal das wohl aussieht, wenn ein Drumcomputer sich eine Scheibe von einem Schlagzeuger abschneidet. Insgesamt aber ganz schöner Elektropop, gewürzt mit kleinen Ausrastparts, noch ein bisschen mehr Würze wäre aber mehrheitsfähig. Die Leute fanden es trotzdem ganz gut.

Kurze Umbauphase, und dann strömen aus irgendwelchen Ecken auf einmal gefühlte hundert Leute zusätzlich ins Kellergeschoss, so dass Florian Zwietnig und Gerald Mandl aka MTK aka die deutschen Beastie Boys vor munterem, von Anfang an völlig verschwitztem Publikum stehen und die Temperatur sofort um 10 Grad steigt, auch wegen der unvermittelt und großflächig einsetzenden Schubserei. Ohne neues Album unterwegs, haben die Kommander trotzdem seit mittlerweile zehn Jahren ein treues Publikum, in dem aber auch viele ganz schön junge Leute rumstehen. Leider konnte ich mir die Alben der beiden zuhause nie anhören, weil ich das immer zu monoton und lärmig fand. Ist wahrscheinlich Absicht, um die konsumkritische Unangepasstheit zu betonen, die sich die Mediengruppe seit jeher auf ihre Schnapsfahnen geschrieben hat. Für die Schublade Gymnasiasten-Techno ist das aber zu verzwickt, dann eher Informatiker-Elektro. Web-Aktivisten-Indie. Wie auch immer.

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Foto: Andreas Meinhardt

Es folgen bekannte und weniger bekannte Indie-Elektro-HipHop-Backpfeifen der von MTK zertifizierten Sorte „Schubsen und Grölen“, freilich machen wir da mit, die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Ist auch schon eine Weile her, dass ich mir im Moshpit Notizen gemacht habe, da kommt man schnell aus der Übung. Ich bin mit der Zeit wohl zum Hintensteher geworden und mache mir mittlerweile über die Soundqualität (sehr gut) Gedanken oder beurteile die Geilheit von Gitarren-Riffs oder die Catchyness von Hooklines. Heute aber nicht, denn wie schon betont: Zum Zuhören ist das eher nix.

Sprengkörper ist ein Hit, Endlosrille klingt immer noch wie Endloshölle und man kann in Ruhe an der Pogotechnik werkeln. Wie diese dünnen Mädels das immer hinkriegen, sich da nicht zu verletzten, die gehen ja immer am allermeisten ab. In der ersten Reihe steht ein interessantes Dreigespann von Typen mit guter Frisur, von denen einer bei Trend auf die Bühne springt und mitsingt. Die machen ordentlich Stimmung die Jungs, beziehungsweise macht irgendwas, was gegen das BtMG verstößt, ordentlich Stimmung in den Jungs. Hedonistische Tanzfront mit Undercut und Jutebeutel.

Schnörkellos haut die MTK einen Dancefloor-Kracher nach dem anderen raus, sichtlich Spaß macht es beiden Seiten. Recht schnell ist diese muntere Konsumkritik wieder vorbei, aber das reicht auch allen. Hitze, Schweiß. Bier jetzt. Später am Abend gibt mir noch irgendwer einen Wodka Sanostol; ein Getränk, das ich nicht uneingeschränkt empfehle.

Ein Gedanke zu „MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER, 04.06.2011, Keller Klub, Stuttgart

  • 7. Juni 2011 um 14:38 Uhr
    Permalink

    Informatiker-Elektro + Web-Aktivisten-Indie = Informatiker-Indie.

    Sehr hübsch zu lesen!

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