BEPPE GRILLO, 24.05.2011, Tollhaus, Karlsruhe

Beppe Grillo

Foto: Lino

Un italiano che cosa è? – Un latin lover.
Due italiani che cosa sono? – Un casino.
E tre italiani invece? – Quattro partiti.

Auf deutsch bitte!

Was ist ein Italiener? – Ein Latin Lover.
Was sind zwei Italiener? – Ein Chaos.
Drei hingegen? – Vier Parteien.

Beppe Grillo, wie umschreibt man diesen Komiker und seine Rolle im aktuellen Italien am besten? Vielleicht in Stichworten: 63 Jahre alter Genuaner, sechsfacher Vater, seit 1993 aus Italiens Fernsehen verbannt, Betreiber einer der erfolgreichsten Blogs überhaupt, Umwelt- und Bürgeraktivist, Gründer der Bürgerlistenbewegung „Movimento a 5 stelle“ und des „Vaffanculo day„, höchst umstritten auch bei Berlusconigegnern, die ihm Populismus vorwerfen.

Eine Veranstaltung, die vollständig in italienisch gehalten wird, Novum auf gig-blog. Das Tollhaus ist gut gefüllt, hauptsächlich mit meinen Landsleuten und wenigen Deutschen mit guten Italienischkenntnissen. Das merkt man nicht nur daran, dass überall italienisch gesprochen wird, sondern auch an der Tatsache, dass der Beginn 20 Uhr nicht eingehalten werden kann, da bei weitem noch nicht alle da sind. Weitere Indizien: Handys klingeln ab und an fröhlich in die Veranstaltung hinein, und an die Regel „nur die ersten 10 Minuten ohne Blitzlicht fotografieren“ halte wohl nur ich mich. Wie in Apulien, wenn ich der Einzige bin, der sich innerorts angurtet. Traumhaft, ein Stück Heimat.

Beppe Grillos Bühnenprogramme sind ein wilder Ritt durch die Themen politische Moral, Ökonomie und Ökologie. Er legt gleich los, indem er die hiesigen Verhältnisse lobt, aber gleichzeitig warnt, dass wir Italiener wie ein Virus seien, welches die unmoralischen Angewohnheiten Italiens ins Ausland exportieren würde. Die Rückschrittlichkeit der italienischen Gesellschaft ist ein häufig wiederkehrendes Thema, und schon bald kommt er auf seine eigene politischen Aktivitäten zu sprechen. Der Bürgerbewegung „Movimento a 5 stelle“, die Achtungserfolge bei den letzten Kommunalwahlen erzielen konnte, und dem „Vaffanculo day“, einem jährlich stattfindenden Demonstrationstag in vielen italienischen Städten, mit dem Ziel die zahlreichen vorbestraften Politiker aus dem italienischen Parlament zu bekommen. Zumindest, so fügt Grillo scherzhaft an, wenn sie dreimal vorbestraft sind.
Beachtenswert der Publikumszuspruch dieser Veranstaltungen, die ohne jegliche Werbung und Berichterstattung des italienischen Fernsehens auskommen müssen.

Berlusconi und seine Bunga Bunga Partys finden nur kurz Erwähnung. Für Grillo sind das Veranstaltungen würdeloser, alter Säcke. Lebende Tote, die sich in die Genitalien spritzen, um sich ihrer Virilität zu versichern. Ein Hauptanliegen Grillos ist es, der Jugend in Italien mehr Mitspracherecht einzuräumen. Als Beweis, wie es aktuell darum bestellt ist, zeigt er ein paar ausgewählte Bilder aus dem italienischen Parlament und Senat mit Kandidaten, die weit über die 80 sind. Währenddessen wandern italienische Jungakademiker ins Ausland, weil sie in Italien keine Perspektive mehr sehen.

Das hört sich jetzt alles sehr ernst an, ist es eigentlich auch, und von seinen politischen Lösungsvorschlägen, die irgendwo zwischen GRÜNEN, DIE PIRATEN und einer Dosis Populismus liegen, mag man halten was man will. Wahrscheinlich muss man seine politische Bewegung und Lösungsvorschläge wohl als Verzweifeln am politischen System Italiens ansehen, und seinem, also Grillos, Unglauben an der Reformierbarkeit der „partitocrazia“. Aber trotzdem kommt man aus dem Lachen kaum heraus. Mal wieder ein exzellentes Beispiel, dass Humor eben die beste Lebenshilfe ist, um den Irrsinn der Welt zu erklären. Grillo hat überdies eine Bühnenpräsenz, eine Energie und Sympathie, dass man mitgerissen wird. Zudem interagiert er sehr viel mit den Zuschauern. Seine derbe Sprache, die „cazzi“ gehen in die hunderte, und seine Abschweifungen ins Alltägliche tun ihr Übriges. Trotz allen Lobes für die deutschen Verhältnisse, fragt er uns dann doch, wie wir es denn hier aushalten würden. Er hätte vor dem Auftritt einen Teller Spaghetti gegessen…das Ganze hätte von der Konsistenz mehr einem frischgepressten Saft („spremuta“) geglichen.

Der Abend ist so dicht, man kann gar nicht alles erzählen. Nur der Vollständigkeit halber, werden noch folgende Themen aufgelistet: Transparenz in der Politik und Wirtschaft, Recycling, Energieverbrauch samt moderner Lösungsansätze, der Irrsinn der globalen Warenströme („Dänemark exportiert jährlich 4 Mio Tonnen Kekse in die USA, die USA ebenfalls 4 Mio Tonnen nach Dänemark, wieso tauschen sie nicht einfach die Rezepte aus?“) und die Zukunft globaler Produktion am Beispiel von thingiverse.com und 3D-Druckern.

Zwei Stunden vollstes Programm, mit Bildern und Video Einsprengseln, nicht eine Sekunde langweilig, zum Bersten komisch und voller Inhalte, die einen zum Nachdenken anregen. Live erschließt sich einem der Erfolg der Person Beppe Grillo am Besten.

Abschließend noch mein Lieblingspart des Abends, Süditaliener werden die Komik des Ganzen verstehen. Beppe Grillo steht an einem Wahlkampfstand seiner Bürgerlistenbewegung in Neapel. Ein Bürger, nachdem er sein Interesse bekundet hat, fragt ihn dann:
„Und was ist mit meinem Schwager?“
„Was soll damit sein?“
(wissend die Augenbrauen hebend) „Na mein Schwager, was machen wir mit ihm?“
„Ich hab auch einen Schwager, was willst Du?“
„Na mein Schwager…“*

*erläutere ich gerne im Kommentar falls Bedarf besteht.

4 Gedanken zu „BEPPE GRILLO, 24.05.2011, Tollhaus, Karlsruhe

  • 26. Mai 2011 um 08:33 Uhr
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    * bitte erleutern für den Schwaben. Fein gemacht der Artikel :)

  • 26. Mai 2011 um 09:20 Uhr
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    Das Nichtgesagte, aber wo jeder Italiener im Saal gleich wusste was gemeint ist: „Das klingt ja sehr interessant mit eurer Partei. Wenn ich euch meine Stimme gebe, springt dann auch was (z.B. Pöstchen) für meinen Schwager dabei raus?“
    Wobei Beppe Grillo das Ganze kommentierte, dass sie mittlerweile nicht mehr nach Leistungen für den Bruder fragen, sondern sogar den Schwager.

  • 26. Mai 2011 um 10:41 Uhr
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    Bravo Lino! (und was ist mit meinem Schwippschwager dritten Grades?)

  • 26. Mai 2011 um 10:43 Uhr
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    …für den hätten wir noch eine Bürobotenstelle bei gig-blog.

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