HILMAR BENDER, 17.05.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

Brunnen

Foto: Steffen Schmid

Jetzt wird’s wirklich irre. Aber gig-blog.net, die Zwangsjacke unter den Flamingos, geht dahin, wo’s weh tut: Setzer, Freizeitschreiber aus Leidenschaft, tippt über sich selbst. Krasser Typ, der Typ. Mehr embedded als Kerner bei Guttenberg.

Nein, eigentlich schreibt er über Hilmar Bender, versierter Autor von u.a. den Tomte Tourtagebüchern und „Violent Evolution – die Geschichte von Kreator“. Das Problem: bei eben jener Lesung im Zwölfzehn war Setzer im Vorprogramm zu hören. Kurz: Total befangen. Als würde Brandon Flowers über die Killers schreiben. Egal, here we go:

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Foto: Steffen Schmid

Kreator – das sei vorweggeschickt, liebe Killers-Fans – haben sich das „K“ im Bandnamen redlich verdient. Die Ruhrpott-Thrasher aus Altenessen versüßten allerlei heute etwas älteren Leuten das Heranwachsen. Seit über 25 Jahren.

Hilmar Bender hat ein Buch über die Geschichte von Kreator geschrieben und im Zwölfzehn sitzen allerlei Interessierte, circa 1200, die davon und natürlich auch daraus hören wollen.

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Foto: Steffen Schmid

Doch bevor es los geht, müssen sich die vorwiegend weiblichen Fans erstmal Setzer antun. Der erzählt auf der monströsen 360 Grad-Bühne frohen Mutes von der Stadt Heilbronn, der einziger Vorzug zu sein scheint, dass Kreator dort 1987 mit Voivod auf der „Blind Faith“-Tour Station machten. Setzer, damals 14 Jahre alt, erzählt von sich und seinem Freund Jan und ihrem Entré in die große weite Welt der Hochkultur. Etwas holprig aber durchaus charmant vorgetragen, wirklich.

Man merkt schon: Da versucht einer, fehlende Virtuosität durch Sex-Appeal wettmachen. Das klappt auch vortrefflich. Wenn einem halt eine schwäbelnde Mischung aus Cherno Jobatey, Whoopie Goldberg und Möbelhauskatalog-Männer-Models liegt. Schmoudi, die Ellen Von Unwerth des Death Metal, hat ihn mit seiner Lomo-App auf dem Nokia Handy abfotografiert. Ist fast blind geworden.

Mit einer Bühnenpräsenz, gegen deren Intensität höchstens OB Schuster anstinken kann, meistert der 24-Jährige Zeile um Zeile recht manierlich. Wenn auch die Pyro-Show und die LED-Hebe-Leinwände wirklich etwas zu dick aufgetragen waren. Kurz: ein neuer Stern am Tablegaze-Himmel, ein Original mit dem rohen Potential einer Gaby Dohm auf Koffein.

Den Girls gefällt’s auch. „Setzer ich will ein Rind von Dir“, schreit eine, sagt noch „Muuhh“ und fällt dann rückwärts in Ohnmacht. An der Bar stimmen derweil acht brasilianische Beach-Volleyballerinnen aus Schweden einen Kanon an: „!! אנחנו רוצים לראות אותך בלי מכנסיים“. Topstimmung im Laden.

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Foto: Steffen Schmid

Dann endlich kommt Hilmar Bender und der Unterschied hätte nicht größer sein können. Selbst wenn der aus dem Möbelhauskatalog lesen würde, in dem Setzer halt nur Model ist, würde man gebannt lauschen wollen. Der kann das.

Bender wiederum macht da keine große Sache daraus und zeigt mit jedem Satzzeichen, wer wirklich Chef im Ring ist. Kreator. Ohne Fankult und falsche Nostalgie. Der Wahlbremer (wahrscheinlich der einzige, der nicht auch bei Werder Bremen kickt) redet das Publikum ruckzuck mittenrein in die Tristesse und die harten Bandagen des Ruhrpotts in den 80er-Jahren. Topnährboden für Aggression und Musik. Und eben für Ruhrpott-Thrash.

Bender zeigt ein paar wahnwitzige TV-Beiträge in denen es um Kreator ging, liest ein paar Kapitel aus dem Buch, aus einem vergnüglichen Tourrider von 1986 („Hell Comes To Your Town“-Tour mit Destruction) und zeigt Privatfotos auf denen Mille von Kreator das linke Ei aus der Hose hängt. Blitzsauberes Entertainment. Für Kreatorgutfinder: Topp. Wer die Band allerdings nicht so gut kennt und auch von Atomphysik keine Ahnung hat, versteht wahrscheinlich genauso viel wie auf einem Atomphysiker-Kongress.

Lustig ist er auch noch, der Hilmar Bender. Da heißt ein Kapitel über den sehr vollbärtigen Kreator-Manager Boggi Kopec: „Nur seine Mutter sah ihn ohne Bart“.

Sehr schnittig auch die Anekdote über Kreator bei der Einreise in die USA:

„Haben sie eine Website“
„Ähh, Ja. Kreator-terrorzone.de“
„Terrazone? Kann ich aber nix finden.“
„Nee, mmhh TERRORzone“
„Achja, TERRORZONE und sie sind auf der „Enemy Of God-Tour? Ja gut. Herzlich Willkommen“

Köstlich. Auch ansonsten ist das ein kurzweiliges Buch und ein ebensolcher Abend, den Hilmar Bender da zusammengestellt hat. Mille Petrozza, Kreator-Chef, wollte eigentlich auch dran teilnehmen, wurde aber von seiner Plattenfirma dazu verdonnert, Lieder zu schreiben. Hausarrest. Hilmar Bender meistert das aber auch alleine sehr gut …

… dann drängt sich Setzer nochmal auf und liest ein paar Geschichten über Toiletten, Manowar-Fans, Brüste und Stuttgart. Bender übernimmt gottlob schnell wieder und dann ist auch schon wieder Schluss und Bender verkauft noch sein Buch aus der Sporttasche heraus, so wie in Stuttgart Heslach normalerweise DVD Player an den Mann gebracht werden.

„Achkommhörauf, Setzer“. Okay: Unterhaltsamer Abend. Voll von Kurzweil. Und Kreator.

Brunnen

Foto: Steffen Schmid

2 Gedanken zu „HILMAR BENDER, 17.05.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

  • 19. Mai 2011 um 13:03 Uhr
    Permalink

    ALDO! „..das rohe Potential einer Gaby Dohm auf Koffein…“?? Wo hast Du nur in Deiner Schreibmaschine die Drogen versteckt!? Und warum gibst Du nix davon ab?

  • 20. Mai 2011 um 13:57 Uhr
    Permalink

    Allein die Links sind großer Rudersport!

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