JUPITER JONES, 09.04.2011, Universum, Stuttgart

Jupiter Jones

Foto: Andreas Meinhardt

Mit Sprüchen auf T-Shirts ist das ja so eine Sache. Meistens sind sie peinlich. „Kapitalismus, halt’s Maul“ fänd‘ ich ja noch okay, dann hört’s aber eigentlich auch schon auf. Nicholas Müller, Sänger der Indie-Pop-Band Jupiter Jones, trägt im Video zu „Nordpol/Südpol“ ein Shirt, auf dem dies geschrieben steht: „Die Seele ist eine dumme Pottsau“. Chapeau, da zieh‘ ich meinen Hut, schüttel ergriffen die Hand und weiß, dass sich manches eben doch mit sechs Wörtern ausdrücken lässt. Denn der Spruch passt zur Band wie Arsch auf Eimer, Topf auf Deckel, H auf M oder C auf A.

Im bummsvollen Universum treten die Buben aus der Eifel gut gelaunt den Beweis dieser Behauptung an. Auch wenn im Lexikon unter „sexy Rockstar“ definitiv kein Foto von Nicholas Müller zu finden ist, hat der etwas pummelige Junge das Publikum vom ersten Ton an auf seiner Seite. Selten einen Sänger erlebt, der so nett ist – fast schon unheimlich. ALLE singen JEDE Textzeile mit – jeden Song, während des gesamten Konzerts. Hab‘ ich echt noch nie erlebt und bin – ich geb’s gerne zu – beindruckt. „Wenn er singt ist die Welt still und hört zu“, sagt jemand. Und das ist es wohl auch, was diesen Abend und diese Band so besonders macht. Der Sound ist solider Indie-Pop, der die Punk-Wurzeln gerne auch mal von der Kette lässt (das akkustisch schon sehr schöne „Auf das Leben“ knüppelt das Quartett durch, dass es Hüsker Dü eine Freude gewesen wäre), immer ein wenig moll, immer ein wenig mehr Schatten als Licht. Doch das gilt noch viel mehr für die Texte, die zwar hin und wieder haarscharf am Kitsch vorbeischrammeln, ansonsten aber reif und schlau daherkommen. Da wird Hermann Hesses „Steppenwolf“ zitiert („Nun, jeder hat sein Los, und leicht ist keines“), da werden große Gefühle und banale Alltäglichkeiten mit einer Selbstverständlichkeit und Vehemenz vorgetragen, die so nur noch Marcus Wiebusch von Kettcar oder Thees Uhlmann von Tomte hinkriegen. Unverkennbar, einzigartig, aus tausenden von anderen Bands sofort herauszuhören. Charismatisch, sagt man da wohl. Und ehrlich.

Weiß der Teufel, ob der Mann das wirklich so meint, was er da singt mit seiner unverwechselbaren Stimme über enttäuschte Liebe, über das Großwerden, über Trauer und Schmerz, über die kleinen und großen Verlierer. Doch wenn er sagt, „Das nächste Stück heißt ‚Still‚ und geht raus an meine Mama“, dann glaub‘ ich ihm das und bin tatsächlich ergriffen – der Kerl, der vor mir steht und seine Freundin fest im Arm hält, übrigens auch: Ein Kreuz wie ein Raubritter, schwer tätowiert, wischt er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Nicht verstohlen, sondern wohl wissend, dass die Seele, die dumme Pottsau, eigentlich ein guter Freund ist. Nenn es Emo, heute Abend stört das keinen. Es schwebt so etwas wie Glückseligkeit in der Luft, das Gefühl, dass da vorne auf der Bühne einer steht, der weiß, wie wir alle hier fühlen und leiden und unseren Ängsten, unseren Zweifeln einen Namen gibt. Wer sonst (Herbert Grönemeyer zählt nicht) schafft es denn schon, dass das gesamte Publikum minutenlang zweistimmig einen Kanon singt? Eben. „Glück unterschreibt man nicht mit dem Mietvertrag. Glück erarbeitet man sich in der Regel“, sagt Nicholas Müller im Intro zu „Berlin“ (der Song mit dem Kanon). Jupiter Jones haben ihre Arbeit gut gemacht. Der alte Köter Deutsch-Punk bellt noch. Schlauer denn je. Und entlässt uns mit Tom Waits:

Wasted and wounded, it ain’t what the moon did, I’ve got what I paid for now
See you tomorrow, hey Frank, can I borrow a couple of bucks from you
To go waltzing Matilda, waltzing Matilda,
You’ll go waltzing Matilda with me.
I’m an innocent victim of a blinded alley
And I’m tired of all these soldiers here
No one speaks English, and everything’s broken, and my Stacys are soaking wet
To go waltzing Matilda, waltzing Matilda,
You’ll go waltzing Matilda with me.

Jupiter Jones

Foto: Andreas Meinhardt

4 Gedanken zu „JUPITER JONES, 09.04.2011, Universum, Stuttgart

  • 26. April 2011 um 21:29 Uhr
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    Sehr feiner Artikel :) Bin gern mal wieder mit dabei.

  • 27. April 2011 um 09:20 Uhr
    Permalink

    (Herbert Grönemeyer zählt nicht)

  • 8. Mai 2011 um 11:48 Uhr
    Permalink

    Großartig: Der alte Köter Deutsch-Punk bellt noch! Schade, dass ich nicht dabei war …
    Andreas, das Aufmacherbild ist der Hammer! Wer ist dies schöne Wesen?

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