COMEDY CLASH, 15.04.2011, Goldmark’s, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Der Schwitzkasten. Im hochkorrekten Wikipedia-Fachjargon ‚die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Unterarmwürgegriff‘. In der Praxis ein Klassiker des schmutzigen Schulhofs, der, plus gezwirbelte Faust auf der Zwölf, ganz ohne Kampfsport und fernöstlichen Firlefanz auskommt.
Hier: das Goldmark’s bei starker Belegung.

Und groß ist er, der Andrang zum ersten Stuttgarter Comedy-Clash, das Goldmark’s ist ausverkauft, die Bude aufgeheizt, die Stimmung ausgelassen, die wenigen Sitzgelegenheiten längst vergeben. Acht Kandidaten stehen in den Startlöchern. Der Publikumsapplaus in zwei Vorrunden à vier Künstlern entscheidet über die Finalisten, aus denen schließlich der Sieger hervor- und mit einem Hunderter heimgeht. Jeder hat zehn Minuten für seine Nummer – eine zu knappe Zeit, wie sich später herausstellt, die meisten überziehen.

Durch den Abend führt ein gut aufgelegter Moderator DJ Kotta (man beachte den Wortwitz).

Vorrunde 1

Den Anfang macht der Tübinger Moritz Keller mit einer recht losen Aneinanderreihung vielfältiger, ordentlich zündender Pointen. Als Nachrücker für die eigentlich angekündigte Alicja Heldt gibt er die total unvorbereitete Ulknudel, und grast dabei einige Themen im Schnelldurchgang ab. Jung contra alt zum Beispiel (Linksspur-Bremsklötze auf der Autobahn), oder das Leid der Hypochonder (Phantomdiabetes). Zum Schluss gibt’s ein Gedicht, gestrickt um den Saufabend eines Studenten. Ein wenig hemdsärmlich, aber ganz okay. Der Applaus ist Moritz Keller sicher.

Checkpoint

Nummer Zwei, Elias Kordoba, hat einen üblen Abend erwischt. Er verhaspelt sich zu Anfang, als er vom heiratswilligen Bruder im siebten Himmel erzählt, und versemmelt damit die wichtige Erstpointe. Der übrige Auftritt wirkt ziellos, der Künstler selbst verunsichert, aber er hält tapfer durch und manchen Buhrufen stand. Etwas wie Struktur im Chaos erkennt man erst am Schluss zum Thema Internet-Partnerbörsen. Mit dem Szenenspiel, das Elias Kordoba dort aufführt (die Klitschko-Imitation ist durchaus gelungen), hätte er vermutlich beginnen sollen. So fällt er leider durch.

Checkpoint

Der erste, der sich augenscheinlich vorbereitet hat, ist der Liedermacher Bernd Barbe. Drei Songs bestimmten seinen Auftritt, einer zum Weltfrieden, einer zum Schicksal des Kassenpatienten, einer zu Castingshows bei Darmverschluss. Barbe wirkt aufgeräumt und textsicher, sammelt zwischen den Songs mit lockeren Sprüchen einige Lacher ein und beteiligt das Publikum, was die Stimmung wieder hebt. Sein Auftritt sorgt für einigen Jubel, nur die Portion Fäkalhumor am Schluss hätte etwas weniger üppig ausfallen können.

Checkpoint

Und dann kommt der Wahlstuttgarter Stefan Waghubinger, aktueller Gewinner des Goldenen Besens (plus andere Preise). Warum er gewonnen hat, wird schnell klar, nach wenigen Sätzen hat er das Publikum mit seinen speziellen ‚Szenen einer tragischen Ehe‘ im Griff. Grob verheiratet ist er und streift als Ehemann mit erheblichem Minderwertigkeitskomplex durch die Themen, mal Klimawandel, mal Überflussgesellschaft, mal die Rolle des modernen Mannes, was natürlich im Schwanzvergleich enden muss. Sein Auftritt schlägt alle bisherigen, weil er ein Konzept hat, den richtigen Rhythmus und eine Menge verdammt guter Gags.

Vorrunde 2

Nach einer Pause begrüßt Christoph Knüsel das Publikum als erster der zweiten Runde mit einem ziemlich schrägen und ziemlich guten Song – über einen verkannten Song. Ein gelungener, richtig origineller Anfang, und ähnlich geht’s weiter. Als Radioreporter kommentiert Knüsel einen misslungenen Banküberfall im zackigen Fußballjargon, nimmt schließlich erneut die Gitarre zur Hand und singt den besten Song des Abends an. Frank, der Immernoch-Punk, der jetzt ein AKW leitet und das Bürgertum mit Störmeldungen schockt wie nie zuvor. Klasse gereimt, klasse präsentiert,  doch leider vom Publikum nicht honoriert (Knüsel hätte weiterkommen müssen, meine Meinung).

Checkpoint

Warum er es nicht geschafft hat, lag unter anderem an Alexander Hesse und seinem offenbar mitgereisten Fanclub. Die Saufgeschichte in Tunesien, die der liebenswerte Komiker von nebenan zum Besten gibt, ist leider durch die Bank weg monotones, redseliges bis nerviges Kumpelgelaber von der Gattung Party-Smalltalk mit einem Hauch Slapstick. Bejubelt und beklascht wird der Auftritt trotz allem.

Checkpoint

Phillip Tulius, der Vorletzte im Bund, überzeugt mit geschliffener Rhetorik und Schauspielkunst, allerdings erst zur Mitte hin. Der Einstieg, ein paar kurze Sätze zu seiner verspäteten Ankunft in Stuttgart, fällt vor dem Hintergrund eher mau aus. Davon abgesehen ein lässiger Auftritt, einige gute Gags zum Thema Studentenklischees, und sehr gut präsentierte Karikaturen, besonders die des Professors und des Media-Markt-Verkäufers.

Checkpoint

Teilnehmer Nummer vier der zweiten Runde, Alain Frei, übt sich vom Start weg in entspannter Selbstironie. Der Vorname ist zunächst Programm, später die Schweizer Herkunft und der Wust an Klischees, der einem als Schweizer z.B. bei einer Zugfahrt entgegenweht. Routiniert Freis Umgang mit Zwischenrufen aus dem Publikum, erfrischend seine Spontanität, ein Auftritt ohne Höhen und Tiefen, aber mit Applausgarantie.

Das Finale

Anders als geplant treten drei Finalisten gegeneinander an. Stefan Waghubinger versus Alexander Hesse versus Alain Frei. Der entscheidende Applaus wird zweimal gemessen, anschließend steht der Gewinner des ersten Stuttgarter Comedy-Clashs fest, es ist Waghubinger.

Bis auf die bereits erwähnten zu kurzen zehn Minuten pro Teilnehmer geht das Konzept auf, vor allem wegen der Besetzung. Abgesehen von drei Ausnahmen überzeugen die Künstler, und am Ende hat es den Richtigen erwischt.
Wir freuen uns auf die Fortsetzung am 3. Juni 2011.

3 Gedanken zu „COMEDY CLASH, 15.04.2011, Goldmark’s, Stuttgart

  • 21. April 2011 um 11:23 Uhr
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    Als Gewinnerin der beiden Freikarten von euch, möchte ich mich noch für den tollen Abend bedanken. Der Comedy Clash hat ein geniales Debüt hingelegt. Der oben stehenden Zusammenfassung kann ich nur zustimmen. Einzige Ausnahme: Knüsel war zwar nett, aber zum Weiterkommen hat es bei der Konkurrenz gerechterweise nicht gereicht.

  • 21. April 2011 um 19:10 Uhr
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    Wen meinste mit der Konkurrenz? Alain Frei war nicht schlecht, aber, naja, war halt so Ich-Comedy. Knüsel war imo weit origineller und vielseitiger.

  • 24. April 2011 um 14:28 Uhr
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    Fand den Abend auch mehr als genial. Für mich hätten im Finale eigentlich nur der Schweizer und der Österreicher stehen sollen.
    Beide sehr genial und meiner Meinung nach in einer anderen Liga als der Rest.

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