THE MEMBERS, 03.02.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

The Members

Foto: Steffen Schmid

Is‘ ja grad so’n bisschen lebendiger Geschichtsunterricht in Sachen Punkrock: Erst die Spermbirds, dann Slime, Peter And The Test Tube Babies, TSOL und vier Tage später also The Members. Mögen die Comeback-Beweggründe der Bands auch noch so verschieden sein, von den oben genannten haben’s eigentlich alle sauber hingekriegt (oder waren nie wirklich weg) – hat man ja auch schon anders erlebt. Jung und knackig ist von denen freilich keiner mehr, erwartet ja auch niemand. Bei The Members, die mit „This is the Sound of the Suburbs“ anno 1979 eine DER Punkrock-Hymnen ganz locker aus der Hüfte geschossen hatten, bin ich dann allerdings doch a bisserl erschrocken: Wenn die in Stuttgarts Jazz-Hochburg Bix auf die Bühne geklettert wären, hätte – rein wegen ihres Äußeren – auch keiner die Flucht ergriffen. Ist so’n bisschen der Musiklehrer-Style, den sich die Herren im Laufe der Jahre zugelegt haben. Vor allem Rat Scabies, früher Drummer bei The Damned, erinnert mich mit seiner ovalen Nickelbrille doch sehr an einen meiner alten, äh, Pauker, um mal im Oldschool-Slang zu bleiben. Aber egal.

Wie das Trio da so auf der Bühne steht und fast ein wenig schüchtern loslegt, habe ich allerdings kurz einen leichten Anflug von Mitleid: „Oje, warum tun die sich das denn noch an?“ Des schnöden Mammons wegen? Nö, gerade mal 40 Leute haben den Weg ins Zwölfzehn gefunden, bei ’nem Zehner Eintritt wird keiner reich mit so einer Tour. Spätestens nach dem zweiten Song ist aber alles klar: Die machen das nicht, um sich noch ein Extra zur Rente zu verdienen, die haben einfach immer noch Spaß an den alten Gassenhauern. Und sie sind richtig gut. Rat Scabies sowieso, der hat mit seinem exaltierten Drumming schon das Debut von The Damned zu einer der besten Punkrock-Platten ever getrommelt. Gitarrist und Sänger JC Carroll hat nach dem Split der Band (1983) Akkordeon auf Filmsoundtracks gespielt, Folk- und Akkustikinstrumente entdeckt, Musicals geschrieben und produziert und sich an schrägen Konzeptalben versucht. Haben’s also drauf, die Herren. Und beweisen ganz unaufgeregt, warum sie zu den Bands gehören, die die britische Punkszene der späten 70er so mannigfaltig und besonders gemacht haben. Denn ähnlich wie The Clash haben The Members schon früh mit anderen Musikstilen experimentiert: Hier ein Reggae-Stück, irgendwo ein Klavier, da die Ska-Bläser-Fraktion – auf die müssen wir heute aber verzichten, wird halt schwierig, wenn man nur als Trio unterwegs ist. Der guten Stimmung tut’s keinen Abbruch, Kracher wie „Offshore Banking Business“, „Police Car“ oder das grandiose Kraftwerk-Cover „The Modell“ zaubern wahlweise ein Lächeln oder feuchte Augen (na ja, fast) in die Gesichter des Ü40-Publikums. Beim Überhit „The Sound of the Suburbs“ grölt schließlich auch die ganze Hütte mit. Noch ein paar Zugaben, dann ist Schluss mit Geschichtsunterricht für heute. Schee war’s, entspannt, irgendwie intim – da passt es, dass DJ Flavio Bacon danach in die gleiche Kerbe haut und oldschool-mäßig weitermacht – Stiff Little Fingers, Dead Kennedys, Sex Pistols, Blondie und so. Und noch ein „Vergelt’s Gott“ dem Barmann: Dank Dir ist Escorial mein neuer Favourite.

Notiz am Rande: Wenn Bassist Chris Payne etwas grimmiger gucken und sich ’ne getönte Brille aufsetzen würde, würde er doch glatt den Joe-Bauer-Look-A-Like-Contest gewinnen. Ehrlich.

The Members

Foto: Steffen Schmid

3 Gedanken zu „THE MEMBERS, 03.02.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

  • 6. Februar 2011 um 20:25 Uhr
    Permalink

    „Rat Scabies“ – im Ranking um den räudigsten Punker-Namen weit vor Johnny Rotten oder Syd Vicious. Neat Neat Neat!

  • 29. Januar 2012 um 20:59 Uhr
    Permalink

    Tolle Rezension – habe die Members am Sa im „Wild at Heart in Berlin“ gesehen – war geil!! Übrigens tolle Bilder

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.