OTTFRIED FISCHER, 22.01.2011, Renitenztheater, Stuttgart
Liebe Stammtischschwestern und Stammtischbrüder. Über 150 Folgen hat Ottis Schlachthof seit 1995 bereits auf dem Buckel. Eine Bühne, ein runder Tisch mit wohlbeleibtem Wirt, ein vollgepackter Saal erhitzter Zwerchfelle, mehr als diese einfachen Ingredienzien braucht’s nicht für Ottfried Fischers Sendung im Bayrischen Fernsehen. Und ein Ende ist trotz seiner Parkinson-Erkrankung nicht in Sicht. Gut so. Denn der Schlachthof ist nicht nur eine Bühne für Kabarettisten und Comedians mit Rang und Namen, er ist darüber hinaus eine Chance für manchen Nachwuchskünstler und damit eine wichtige Informationsquelle für den Fan.
Heuer gastiert Fischer in Stuttgart, sein zwei Jahre altes Programm ‚Wo meine Sonne scheint‘ im Gepäck. Viel braucht’s auch im Renitenztheater nicht für seinen Auftritt, ein Einpersonenstammtisch plus Stuhl bilden den gesamten Bühnenaufbau.
Wo meine Sonne scheint,
wo meine Sterne stehen
Katharina Valentes eingedeutschte Version von Harry Belafontes Song ‚Island in the sun‘ gibt den Ton an, bevor Ottfried Fischer die Bühne vor ausverkauftem Saal betritt. Die Garderobe kommt einem ersten Statement gleich: Gelbe Jägermeisterkrawatte vor schwarzem Hemd-Hosen-Grund, ganz den Berliner Mehrheitsverhältnissen entsprechend. Und politisch steigt Fischer auch ein. Die erste Bemerkung gilt dem Nichtrauchergesetz in Bayern, an welchem abzulesen sei, dass man dort auch ohne die CSU eine Diktatur aufbauen kann. Die zweite Eröffnungspointe geht pflichtschuldig an Stuttgarts tiefer gelegten Einundzwanzger, immerhin seien Timberland- und Wolfskin-Klamotten schon ne Weile ausverkauft, weil man beim Demonstrieren ja schick aussehen mag. Zwei Keulen für den Anfang, a Gaudi muss auch sein, mit Betonung auf auch. Denn den zünftig-humorigen bayrischen Wies’n-Wirt Fischer, der zu den Hendln einen Brüller nach dem anderen serviert, bekommt man praktisch nur im ersten Teil zu sehen, und auch dort bleibt der aus Film und Fernsehen bekannte Fischer eher eine Randerscheinung.
Im Zentrum steht ein anderer.
Der Bühnen-Fischer sozusagen.
Pack mers
Heimat. Der Mensch braucht Heimat. Darum kreist Ottfried Fischers Programm, darauf kommt er immer wieder zurück. Heimat als reines Gefühl, das man, aufgezuckert zur schmierigen Rührseligkeit, in silbereisernen, andy-borgenen und karl-moikenden Volkstumsshows präsentiert bekommt. Heimat als gern gesehenes und viel benutztes Klischee, weitgehend ausgelutscht, aber Wiederkäuer ohne Geschmacksnerven (Stichwort: Kommissionen) finden sich ja immer. Heimat im biblischen, philosophisch-existenziellen, geschichtlichen Kontext. Hört sich nach einem gähnigen Themenabend inner Volkshochschule an, ist es aber bei weitem nicht.
Denn diese bayrisch-gemütliche Demontage des herkömmlichen Heimatbegriffs ist pikant gewürzt, bissfest aufgestammtischt und an vielen Stellen nicht besonders magenfreundlich.
Da wäre die braune Hütte in Valentes Wirtschaftswunder-Song aus jenen 50ern der Nachkriegsära, für Fischer natürlich eine Steilvorlage. Da wären die weltweiten Flüchtlingsmillionen plus Holländer, die ihre Flucht vor den schmelzbereiten Polkappen aufs Festland allsommerlich üben. Und da wären die weiten Kreise, die Fischer um das Leitthema zieht, auch mal bei Che Guevara landet, oder bei jenem einzig übrigen echten Pazifisten, der Joschka Fischers Trommelfell mit einem Farbbeutel zertrümmert hat.
Bei aller bitterer Besinnlichkeit zwischen giftigen Spitzen, Brüller gibt es natürlich auch. Zum Großteil bestehen sie aus Witzen und Sprüchen der scharf marinierten, pointensicheren und applausträchtigen Frohnaturgattung, eingebettet in die Erlebnisse des unbekannten Komikers, der auf dörflichen Feuerwehr- oder Pfarreifesten der zünftigen Stimmungsmache verpflichtet ist. Also damals, in den altvorderen Bierzelten, als es noch keine PC gab und frauenfeindliche Witze immer gingen.
Mir san mir?
Besonders erwähnenswert ist der nachdenkliche Schluss, ein Pointenverzicht, den sich nur wenige Kabarettisten erlauben. Am Ende der Demontage steht gewissermaßen der Wiederaufbau des Heimatbegriffs, hier in Form eines kurzen Plädoyers.
Fazit: Ottfried Fischers Programm regt nicht nur Zwerchfelle an. Weit jenseits der Rampensau-Comedy greift Fischer in aller Seelenruhe ein durchaus brisantes Thema auf, leuchtet es aus und erlaubt sich dabei auch unpopuläre Meinungen (Schland-Fahnenmeere sieht er sehr kritisch).
Das hat Charakter und Substanz.
Was die Form betrifft – man sieht und hört ihm sein Gebrechen an, versteht die zum Teil haspeligen Sätze nicht, besonders, wenn er die Geschwindigkeit erhöht.
Hingehen? -> Hingehen.