JOSEF HADER, 13.01.2011, Theaterhaus, Stuttgart

Josef Hader

Foto: Lino

Manchmal tut man sich schwer mit Reviews, weil man die Künstler gar nicht kennt, manchmal, weil man sie eigentlich schon zu oft gesehen hat. Dürfte mittlerweile bestimmt das sechste Mal sein, dass ich mir Josef Hader live anschaue. Warum das? Nun, das vor über zehn Jahren das erste Mal gesehene Programm Privat hat mich damals so begeistert, dass der Mann fast unbegrenzten Bonus bei mir hat.

Hader spielt Hader ist heute Abend angesagt. Ich möchte es mal als Übergangsprogramm bezeichnen. Gespickt ist es mit vielen älteren Nummern, vor allem aus besagtem Privat.

Punkt acht geht es im fast ausverkauften T1 los. Erstes Thema: Humanismus. Und gleich mal der eigenen Klientel schön auf die Füße treten, sprich, uns Bildungsbürger dünkelnden Stadtstylern.

Was ist Humanismus? „Man schaut was geht, aber net ganz so.“ Volvo, Rucola, typische Merkmale des Humanismus. Soll heißen, durch korrekte Produktwahl seinem Lebensstil ein menschlicheres Antlitz geben, Oberfläche ist alles, bisschen so tun als würde man die Welt verbessern. Der Faden spinnt sich weiter zu den griechischen Philosophen, anhand derer Reaktion auf Kellnerwitze die unterschiedlichen Philosophierichtungen erklärt werden. Über das erste Lied mit der schönen Textzeile „Septakkorde geben Geborgenheit“, und einem kurzen Ausflug in den Wilden Westen mit u.a. der Aufforderung, dass der Umgang der Indianer mit Behinderten doch stark zu hinterfragen sei, landet man beim ersten längeren Stück aus Privat. Wie das alles miteinander verwoben ist und wie er die thematischen Sprünge hinbekommt, das kann man schwer nacherzählen, das muss man schon selbst miterlebt haben.

Der nächste Teil dreht sich also um Haders absurde Reise in die Hölle. Der Weg darüber führt über die Wiener Kanalisation, wo die „Scheissrohre“ mit Hundertwassermalereien ausgemalt sind, und er sich mit „Scheisstrümmerln“ unterhält, sogar mit an die Reinkarnation glaubenden esoterischen Scheisstrümmerln. Schlussendlich landet er in der Hölle, verpflichtet sich mit „Luzi“ das Steinscheisser-Karl Spiel zu spielen, wobei derjenige verliert („hob di gschoassn“), der die Frage „Wer?“ stellt. Hader schießt den seit 2000 Jahren ungeschossenen Satan (der Letzte war Jesus) und darf mit Reinhold Messner fliehen. Der treibt sich übrigens in der Hölle rum, weil „da war i no nit“. Die psychedelische Reise findet ihr Ende in Australien, wo Hader in einem Bus mit suizidalen, depressiven Lemmingen landet, die ans Meer fahren. Wunderbare Geschichte, kunstvoll versponnen, auch wenn ich sie mittlerweile fast schon nachsprechen kann, so oft hab ich sie gehört. Aber das ist nicht der Fehler der Geschichte.

So ist das Leben bietet ein musikalisches Intermezzo. Um das Publikum aufgepeitscht in die Pause zu entlassen, reitet Hader bewusst auf Vorurteilen rum. Vorurteile, prima Sache. Gelebte Erfahrung. Amis, Berliner, Serben, Kroaten, eigentlich der ganze Balkan. Franzosen: viel Wein saufen, keine Fremdsprachen reden und unfreundlich sein. Große Lacher, Hader besorgt: „Das ist ja eine Stimmung hier wie 1914.“ Ein schöner Balanceakt zwischen „über das Vorurteile haben“ lachen und dem „witzig finden“ der Vorurteile selber. Da wird einem schon selber mulmig dabei, aber das ist ja gewollt.

Der zweite Part fängt mit einem Dialog zwischen ihm und seinem arbeitsunwilligem Ton- und Lichttechniker an. Wiener Diskussionskultur vom allerfeinsten. Über ein atonales Stück, das eine Persiflage auf Avantgardemusik ist, gelangen wir zu einem Teil, in dem sich Hader breit über das Thema Ernährung auslässt. Natürlich in seiner gewohnt bizarren Weise, wofür unkommentiert von mir einfach mal der Satz stehen soll: „Ohne Sägespäne keine Demokratie.“

Mein Höhepunkt kommt mit Haders Lobrede auf das bäuerliche Leben. Auf dem Land, wo alles so ehrlich und geradeaus ist, wie die Bauern mit ihren O-Beinen und gierigen Augen. Die Bauersfrauen, die mit 30 schon aussehen als wären sie 50, gezeichnet von der vielen Arbeit, weil der Mann das ganze Geld versäuft. Die ländliche Idylle, mit den 15-jährigen schwangeren Mädchen, die dann schon mal „in die Donau gehen“, weil sie die Schande nicht ertragen können. Brüche über Brüche, Riss an Riss. Wunderbar!

Der Rest des Abends klingt mit einem Stück aus Privat aus, das sich um die Schwierigkeiten von Mann-Frau Beziehungen dreht. Enorm lustig, aber dieser unsägliche Mario Barth hat es wirklich geschafft, mir das Thema so zu versauen, dass ich nicht mehr befreit darüber lachen kann. Muss man sich mal vorstellen.

Zum Abschluss bekommen wir noch zwei Lieder auf den Nachhauseweg: Irgendwie und das nachdenkliche In der Nachbarschaft.

Bleibt festzustellen, dass es Hader wohl so gekonnt wie kein Zweiter versteht, profan Privates mit Existenziellem zu vermischen. Das Ganze dabei noch mit enorm absurden Elementen zu garnieren, und das alles mit seinem ungemein komischen, dunklen Sarkasmus zu überziehen. Das macht ihn für mich so gut. Und dennoch würde ich mich freuen, mal wieder ein komplett neues Programm von ihm zu sehen. Es wäre an der Zeit, sagt der Fan.

4 Gedanken zu „JOSEF HADER, 13.01.2011, Theaterhaus, Stuttgart

  • 17. Januar 2011 um 11:58 Uhr
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    ich setzt mich gleich mal auf die Warteliste der Ausleihanwärter.

  • 17. Januar 2011 um 15:50 Uhr
    Permalink

    stimmt iwie älles, vor allem dass zeit für was neis is (ich glaub ich tät speiben wenn ich das als künstler über mich lesen tät;) naja, bin auch noch nicht alle hader-filme durch weil mich immer angst hab, dass gar zu bitter werden könnt und mich lang drauf vorbereite ;)) was ich bisher gesehen hab, fand ich aber richtig klasse (zb ein halbes leben, knochenmann), dachte nicht dass er so gut spüilt

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