Thrashfest mit KREATOR, EXODUS, DEATH ANGEL, 26.11.2010, LKA, Stuttgart

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Bay Area, San Francisco, erst kürzlich beim Lesen von Cory Doctorows „Little Brother“ bin ich wieder auf diesen Ort gestoßen. In den 80ern war das allerdings die heilige Stätte des Thrashmetals. Mangels Internet und TV-Präsenz bekam man nur spärlich Bilder und Infos zu Gesicht, aber ab und an aufregende Musik zu Gehör. Schneller Metal, eine neue Band nach der anderen so schien es (u.a. auch Metallica), Typen mit ärmellosen Jeansjacken, Turnschuhen, weitab von irgendwelchem Gepose. Mir war das damals eigentlich zu hart, zu schnell, aber doch auf eine gewisse Weise faszinierend.
Zwei der ersten Bands des Bay Area Thrash Metals sind heute Abend Part des Thrashfests-Line Up, Exodus und Death Angel.

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Als wir eintreffen spielen Death Angel bereits. Paar Sekunden reichen aus, um zu kapieren: hier sind wir heute Abend sowas von richtig. Der Sound ist überraschend klar, und die Band spielt wie eine perfekt synchonisierte Maschine. Die schnellen Stakkatoriffs, das präzise Drumming des Ex-Vicious Rumors Will Carroll und die aggressiven Vocals geben dem überdurchschnittlichen Songmaterial den perfekten Rahmen. …Vicious Rumors, die erste Band von Gitarrenfuddler Vinnie Moore, warum erinnert man sich nach 20 Jahren noch problemlos an sowas?
Egal, Death Angel ist das Thema. Voracious Souls ist das erste Stück, das wir mitbekommen. Das Quintett trifft für meinen Geschmack genau die richtige Balance aus druckvollem Riffing und doch genügend Langeweile vorbeugender Komplexität. Enorm musikalisch kommt mir das alles vor.
Das neuere Stück Truce gefällt mir ebenfalls sehr gut. So gut die Musik, so gut auch ihre Bühnenpräsenz. Ziemlich frisch und gut sehen sie alle aus, lassen die Haare schön kreisen, und bewegen sich auch sonst recht viel.
Ein wirklich sehr überzeugender Auftritt. Bitte demnächst hier irgendwo als Headliner auftreten.

Exodus

Foto: Steffen Schmid

Exodus, bei denen übrigens Metallicas Kirk Hammet zu den Gründungsmitgliedern zählt, sind wohl wirklich eine der Urväter des Thrashmetals. Man merkt das am Publikum, denn die ganze Halle steht hinter der Band wie ein Mann. Ständige Exodus-Sprechchöre (kleine Anmerkung: nur „Slayer, Slayer“ Fangebrüll klingt wirklich geil und überzeugend), alle Arme in der Luft, und wiederholt heftige Moshpits und Stagedives bezeugen dies überdeutlich.
Im Vergleich zu Death Angel wird hier weniger filigran zur Sache gegangen, irgendwie dumpfer und mehr Richtung Hardcore. Wie so gerne bei dieser Musikgattung, knallen die Parts am geilsten, wenn von Highspeed nach einem Break auf Mid-Tempo umgeschalten wird. Dann fürchtet man um die Unversehrtheit des Publikums, aber dem geht’s wohl zu gut, denn Sänger Rob Dukes meint: „I don’t see anybody fuckin‘ bleedin‘.“ Thrasher-Humor.

Exodus

Foto: Steffen Schmid

Überhaupt der Sänger, vielleicht liegt’s an ihm, dass es ein wenig nach Hardcore klingt. Glatze, eher korpulent, fette Tattoos, und seine Art zu singen legen mir das irgendwie nahe. Eine beunruhigende Narbe weist er vom rechten Mundwinkel zum rechten Ohr auf. Man möchte es gar nicht so genau wissen wo das herkommt, ich tippe Angelunfall. Nitro-Fischer Toxic wird bestimmt näheres dazu wissen.
Die sehr tight spielende Band um Gründungsmitlied Gary Holt präsentiert natürlich auch The Toxic Waltz, Riesenbegeisterung im Publikum.
Bemerkenswert noch die Stagediving Einlage des Sängers. Da spielt die Physik nicht mit, etwas zu schwer der Junge. Statt crowd surfen hat das dann eher was von einem großen Stein, der in einem Tümpel hineinplumpst. Berufsrisiko.
Ein guter Auftritt, bestimmt, aber vielleicht war ich zu sehr von Death Angel begeistert, um den Auftritt von Exodus ebenso euphorisch aufzunehmen. Bei den Leuten kam es jedenfalls extrem gut an.

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Die deutsche Bay Area war ja irgendwie der Ruhrpott. Sodom und Kreator kommen da wech. Wer sich einen Eindruck davon verschaffen will, wie das damals so aussah, dem sei die Doku Thrash Altenessen sehr empfohlen. Lokal- und Zeitkolorit satt!

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Mittlerweile sind die Mannen um Linus Volkmann Freund Mille Petrozza also auch schon seit fast 30 Jahren im Geschäft. Dem Auftritt merkt man das im positiven Sinne nicht an. Die sind motiviert bis unter die Haarspitzen und geben vor videoanimierten Hintergrund alles.

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Violent Revolution und Hordes Of Chaos sind die ersten Tracks, die druckvoll, präzise und mit klarem Sound präsentiert werden. Vor allem letztgenannter Song ist großartig. Ultraschnelle Strophen, während der Refrain knallt wie verrückt, Midtempo-Trick mal wieder. Durch meine bescheidenen Songkenntnisse verstehe ich anfangs immer nur „Kiosk“ statt „Chaos“, eher nicht so das Metal-Wort.
Mille hat die vergangenen Jahrzehnte gut weggesteckt, bearbeitet fehlerfrei seine Gitarre und schreit als wäre es noch 1985. Hut ab!
Phobia wird gespielt, bevor das fantastische Betrayer mit „Stuttgart ich will euch schreien hören“ angekündigt wird. Enemy Of God steht dem nicht in viel nach. In den älteren Songs sind noch deutlich die Einflüsse von Slayer zu hören, während bei den neueren Songs klar wird, dass Kreator ihren ganz eigenen Stil gefunden haben. Hut ab again!

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Der Höhepunkt für mich kommt dann nach der 1a-Ansage „Stuttgart, seid ihr bereit euch gegenseitig umzubringen?“ mit dem Thrash-Hit Pleasure To Kill. Alles dabei in dem Song, was ich an diesem Genre mag, inklusive der dicken Ansage. Die Zugaben runden das extrem gelungene Konzert ohne jeglichen Hänger ab.

Um den Abend zusammenzufassen, zitiere ich am besten einen Fan, der bei den ersten Tönen eines Exodus-Songs aufgeregt anfängt zu schreien: „Jetzt geht’s gleich ab, jetzt geht’s gleich ab!“

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Exodus

Kreator

9 Gedanken zu „Thrashfest mit KREATOR, EXODUS, DEATH ANGEL, 26.11.2010, LKA, Stuttgart

  • 27. November 2010 um 13:04 Uhr
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    Sauber,sauber Compadres!

    Mein erstes großes Metal-Konzert war Kreator Anfang der 90er auf der gleichen Bühne. Erkennen kann ich von der damaligen Band auf den Bildern aber niemanden mehr. Auch Mille sieht ziemlich verändert aus, und das als (angeblicher) Veganer.
    Vielleicht doch zum Ruhrgebiet-Classic zurückgekehrt – Currywurst mit Pommes Bahnschranke?

  • 27. November 2010 um 13:31 Uhr
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    bestätige mir mal lieber, dass diese Narbe des Exodussängers eine typische Anglerverletzung ist.

  • Pingback: Tweets that mention Kreator Exodus Death Angel Thrash Fest Metal 2010 LKA | gig-blog.net -- Topsy.com

  • 27. November 2010 um 13:53 Uhr
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    Das kann schon passieren, allerdings nicht beim Dynamit-Fischen, wo gerne mal Hände fehlen, oder Lungen platzen.
    Beim klassischen amerikanischen Spinn-Angeln, kann es schon mal passieren, dass der Anglerkollege, wenn man Rücken an Rücken im Boot steht, beim Auswerfen des mit Drillingshaken besetzen Kunstködners, diesen am Maul des Konkurrenten zunächst einhakt, und dann noch mit voller Wucht den eingeleiteten Auswurf des Köders vollenden will.
    Andere Theorie: Anfang der 1980er Jahre waren die Mikrofone noch wesentlich schlechter als heute, die Thrash-Sänger mußten noch richtig brüllen, und dabei ist ihm das Maul eingerissen.

  • 27. November 2010 um 23:09 Uhr
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    Vor allem die Publikumsfotos sind der Hammer (besonders das blaue, Nr.3) – Ein Hofknicks an Schmoud.

  • 29. November 2010 um 14:21 Uhr
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    Obwohl gar kein bischen mein Genre kenn auch ich „Pleasure To Kill“.
    Klingt nach nem richtig rotzigen Abend, herrlich!

  • 29. November 2010 um 15:50 Uhr
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    Echt klasse der aAbend und die Bilder auch!
    Überleg mir grad ob ich nach München au geh, weil mein drummer am Freitag net konnte und jezt auch unebdingt da na will heheh..—von mir aus gern!!
    \m/

  • Pingback: Rob Dukes (Generation Kill) mówi o odejściu z Exodus | Metal dobry jak chleb

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