7. WEEKEND OF HORRORS, 12.–14.11.2010, Saalbau, Bottrop
Als Roland Barthes in seinem erstmals 1967 veröffentlichten Artikel vom „Tod des Autors“ sprach, hat er sich mit Sicherheit etwas Anderes vorgestellt als einen Zombie-Selbstversuch. Aber Roland Barthes theoretischer Ansatz bezieht sich ohnehin nur auf literarische Texte, und dies hier ist ein Blog, gereicht mit gegebenenfalls einem Hauch Reportage an einer Kritik, mithin also ein Tagebucheintrag in journalistische Form gegossen. Trotzdem: Auch hier ist der Autor heute mal tot beziehungsweise untot.
Eingetreten ist dieser plötzliche Tod auf dem 7. Weekend of Horrors in Bottrop, einer Convention für Film- und Genre-Fans, die in jeder Hinsicht grauenhaft ist. Zunächst einmal bietet sie alles, was mit der Konsumentenseite des grauenerregenden Teils der Filmbranche zusammen hängt: Stars, Filmvorführungen, Verkaufsstände, Workshops sowie Livekonzerte mit Genrebezug.
Für Schauspieler wie Danny Trejo ist dies eine wunderbare Gelegenheit, seinen neuen Film „Machete“ zu promoten, der gerade in unseren Kinos angelaufen ist. Er stellt sich an den drei Tagen der Veranstaltung jeweils für eine halbe Stunde den direkten Fragen des Publikums, sitzt anschließend für Autogramme bereit und bietet schließlich die Möglichkeit, sich mit ihm photographieren zu lassen. Ihm gleich tat es eine ganze Reihe anderer Stars, die man aus Filmen wie „From Dusk Till Dawn“, „Desperado“ oder „Predator 2“ kennt, aber auch Unbekanntere wie Fabrizio Jovine, Carlo de Mejo und Catriona MacColl, allesamt Schauspieler aus alten Klassikern von Lucio Fulci. Die bekanntesten Gäste waren sicherlich der italienische Autorenfilmer Dario Argento und interessanterweise der als Darsteller des „Dallas„-Bösewichts J. R. Ewing bekannte Larry Hagman.
Zwischendrin konnte man alles kaufen, was das Herz des Filmfans gegebenenfalls erwärmt oder erschauern lässt: von allerlei Merchandise wie T-Shirts oder Actionfiguren zu echten oder nachgemachten Film-Props wie der Machete aus „Freitag der 13.“ oder der Motorsäge aus „Texas Chainsaw Massacre„, über Bücher zu Filmen oder Genres, aber auch Romane und Comics, bis hin zu den unvermeidlichen Filmen, bei denen sich in einer extrem großen Ab-18-Abteilung sehr viel bietet, was anders hier in Deutschland nicht verkauft werden darf oder allgemein schwer erhältlich ist. Da beispielsweise zeigte sich auch, welche Nerds hier zusammengekommen waren: Es ist ja schon interessant, was manche Menschen über die 38 verschiedenen Schnittfassungen und deren Veröffentlichungen irgendeines kleinen Trash-Horrorfilmes aus den 1970ern wissen, von dem die meisten Leute noch nie etwas gehört haben. Manchmal fliegen einem im Vorbeigehen Sätze zu wie: „Natürlich habe ich alle Versionen,“ oder: „Nein, es gibt auf Deutsch nur die eine Schnittfassung von ‚Mark of the Devil‘“ – diesem Torture-Porn-Vorläufer von 1970 mit dem ebenfalls anwesenden Udo Kier in tragender Rolle.
Und denjenigen, die nicht nur konsumieren und zuhören wollen, bietet sich mit Workshops zum Thema Filmmusik und Low-Budget-Produktion auch noch die Möglichkeit, sich von Profis belehren zu lassen.
So weit der in positivem Sinne grauenhafte Teil der Veranstaltung. Nun zum reinen Wortsinn: Als regelmäßiger Besucher von Konzerten und Veranstaltungen jeder Größenordnung hat man schon viel gesehen, was Probleme, die auf Organisatoren und Publikum zurollen können, angeht. Aber ein derartiges Durcheinander wie hier ist mir noch nicht untergekommen. Gut, die Veranstaltung ist wirklich groß, und man hat viele Leute unter einen Hut zu bekommen. Aber schon die schiere Menge der Pannen lässt ein derartiges Argument verblassen: Sei es, dass die Kommunikation wegen der gekauften Tickets nicht funktioniert (die Akkreditierung ist dagegen problemlos); dass am Tag vor der Veranstaltung erstmals ein Programm ins Internet gestellt wird, allerdings dasjenige von letztem Jahr; dass Veranstaltungen auf zwei Termine geschrieben werden und man auf Anfrage wieder genau dieselbe widersprüchliche Aussage bekommt; dass Jörg Buttgereit ohne Mikrophon zur Podiumsdiskussion muss, sodass man ihn nicht versteht, obwohl er sich wirklich Mühe gibt; dass ihm im Anschluss keiner der Mitarbeiter sagen kann, wo sein eigener Film „Nekromantik“ gezeigt wird, dessen Vorführung eine Stunde später beginnt, weil die DVD nicht früher gefunden wird; oder dass am Sonntag (gerüchteweise wegen einer Beschwerde der Nachbarn) die Veranstaltung eine Stunde später beginnt, ohne dass es auch nur einen Aushang vor der verschlossenen Tür gibt. Als die Horror-Punk-Band The Other ihren Auftritt wegen eines Beinbruchs seitens des Bassisten absagen muss, hält es dann niemand für nötig, das Publikum zu informieren. Am meisten ärgert mich natürlich, dass außerdem noch das angekündigte einzige Deutschland-Konzert der legendären Goblin, Schöpfer der genialen Soundtracks von Filmen wie „Suspiria„, nicht stattfinden kann, weil es Unstimmigkeiten mit dem Veranstalter über die Beschaffung von zwei Keyboards gibt. Gar keine Live-Musik also.
Naja, Tote sind ja bekanntlich geduldig. Denen macht es, nachdem sie sich mit Latex-Gesichtsprothesen, fachgerechter Schminke von einer professionellen Visagistin und jeder Menge Kunstblut haben vom Zombie beißen lassen, nichts aus, von dreizehn bis vierzehn Uhr auf den Zombie Walk zu warten. Man kann sich ja gegenseitig anknurren oder von ungeschminkten Besuchern der Convention photographieren und filmen lassen. So ist freilich leicht posen, muss ich sagen. Ungewohnter wird es dann schon, als der Zombie Walk sich tatsächlich durch die Bottroper Fußgängerzone bewegt. Für Schüchterne wie mich gilt hier wohl: Dich kennt keiner, und dich erkennt keiner, und tun können sie dir auch nichts, denn du bist schon tot. Man kann also die irritierten Blicke von Rentnern, das Kreischen von Teenagern und die Gemütsruhe von Eltern genießen, die ihren Kindern natürlich zeigen müssen, dass das nicht gefährlich ist. Solange der Abstand groß genug ist, finden die Kinder die Zombies auch ganz faszinierend … Sicherheitsabstand muss aber sein.
Aufs Ganze geht unser Photograph Sue Real, der schon die Zimmermädchen im Hotel so in Panik versetzt, dass sie sich hinter einer Tür verschanzen (angesichts von Zombies eigentlich ein guter Plan, doch: „der Kunde ist König“, findet die Hotelmanagerin, die sich bei uns erstaunlicherweise entschuldigt). In der Stadt lässt er die Beschimpfungen eines Mitbürgers mit Migrationshintergrund über sich ergehen – unbewegt wie eine Leiche und sehr zur Erheiterung einiger Mitarbeiter des Arbeiter Samariter Bundes. Und schließlich bekommt er von einem erschreckten Rosenverkäufer sogar Blumen für seinen Auftritt.
Nach bestandenem Selbsttest und von den Toten zurück weiß ich jedenfalls: Anders als Sue bin ich nicht zum Zombie geboren, denn ich fühle mich vor Kameras wesentlich sicherer als live unter Essbarem.
Kein Foto von Danny „Mätschätie“ Trejo?
Insgesamt: schön irre ;-)