SLUT, 11.11.2010, Schocken, Stuttgart
Yes, they´re so easy to love….
Es gibt sie, die Bands, die man einfach nicht wahrnimmt. So ging es mir vor knapp zehn Jahren mit den Ingolstädtern. Diesen Zustand änderte damals ein Anruf von INTRO. Sie fragten mich, ob ich Lust hätte nach München zu fahren, um Slut zu fotografieren. Obwohl ich die Band überhaupt nicht kannte, willigte ich gerne ein.
Das waren die Zeiten, als die großen Plattenfirmen noch mit Promo-CDs nur so um sich warfen, ganz egal ob es noch viele Wochen bis zur Veröffentlichung waren. Ein kurzer Anruf in der Presseabteilung und zwei Tage später war das „lookbook“, das noch nicht erschienene dritte Album der Band bei mir auf dem Tisch und dann umgehend in meinem CD-Player. Und die nächsten Tage hörte ich nichts anderes. Da war sofort diese Vertrautheit in der Musik, als ob ein alter Freund heimgekehrt wäre.
Wenig später traf ich die Band dann in den Räumen der Plattenfirma, die einige meiner damaligen Lieblingsbands wie die Smashing Pumpkins oder Placebo unter Vertrag hatten. Irgendwie passten Slut da ganz gut hin. Wir verbrachten den Nachmittag mit fotografieren und unsere Wege trennten sich schon wieder.
In den folgenden Jahren habe ich die Band immer mal wieder live gesehen und wenn ein neues Album auf den Markt kam, war es wie ein Reflex, es zu kaufen. Doch habe ich mich nie um die ersten beiden Alben, die sie vor dem „lookbook“ produzierten, gekümmert.
Gerade aber die jetzige Wiederveröffentlichung dieser beiden Scheiben aus den Jahren 1996 und 1998 war der Anlass für die aktuelle Tor und so bestanden 2/3 des Sets auch nur aus diesen Stücken. Ich selbst habe es verpasst, ein Instrument zu lernen. Bei mir war in all den Jahren immer die Fotokamera der Zugang zur Musikwelt. Aber könnte ich selbst Musik machen, dann wäre das „Modell Slut“ für mich ein großes Vorbild. Geschwister und alte Freunde, die sich auf der Bühne anlächeln und an einem Strang ziehen. Und das noch nach so einer langen Zeit. Und auch, wenn sie keine Stadien füllen, ihren Platz in der Musikgeschichte haben sie längst gefunden.
Die Stimmung im ausverkauften Schocken ist bestens. Slut ist eine der großen Konstanten in der deutschen Musiklandschaft. Eigenständig und stets bereit für Abenteuer, wie ihre Ausflüge in diverse Theaterprojekte wieder beweisen. Nachdem sie den ersten Teil ihres Sets vorwiegend mit den Songs der ersten beiden Alben bestreiten, gibt es dann natürlich noch einige Ausflüge in die jüngere Zeit, mit Songs wie „If I had a heart“, dem ganz neuen Stück „Next big thing“ und obligatorisch die Moritat von Mackie Messer.
So hat sich nun für mich nach vielen Jahren ein Kreis geschlossen und ich verstehe, dass die Band auch schon ein Leben vor dem „lookbook“ hatte…