DIRK STERMANN, 10.11.2010, Schocken, Stuttgart
Dirk Stermann sitzt auf einem Klappstuhl auf der Bühne des Schocken, trägt Sarrazin-Brille („Vorteil: Jetzt sieht Sarrazin nichts mehr“) und liest kurze Kapitel aus seinem neuen Buch. Das autobiographische „Sechs Österreicher unter den ersten fünf“ handelt von den Erfahrungen, die Stermann gemacht hat, als er sich als Deutscher (genauer: Duisburger) in Österreich (genauer: Wien) niedergelassen hat. Dabei blickt er tief in die geschundene Seele des Österreichers, nimmt kein Blatt vor den Mund bei der Beschreibung des unverholenen Antisemitismus, der grassierenden Ausländerfeinlichkeit und generellen Misanthropie der Menschen, denen er begegnet.
Bekannt wurde Dirk Stermann im Duett mit Christoph Grissemann. In ausgewählten Humoristenkreisen haben sich die beiden schnell einen Namen gemacht. Seit fast 20 Jahren sind sie nun beim ORF, später dann beim dazugehörigen Jugend- und Alternativradio FM4 (sehr empfehlenswert auch für Piefke; Livestream gibt’s hier ).
Stermann ist ein sagenhaft guter Beobachter der Menschen. Nicht nur im neuen Buch wird man Zeuge davon, auch in seinem restlichen Werk. Erwähnt sei hier beispielhaft die Kommentierung eines aus österreichischer Sicht denkwürdigen Fußballspiels.
Wie ein roter Faden zieht sich auch die Deutschenfeindlichkeit der grantelnden Wiener durch das Buch. Stermann hatte es als dialektloser Ruhrpottling wahrscheinlich besonders schwer in Wien Fuß zu fassen. Trotzdem ist seine „Entpiefkenisierung“ am Ende von Erfolg gekrönt. Denn wer den geheimen Gruß von Frau Resch am Würschtlstand erwidern kann, der kann sich schon fast als Wiener bezeichnen:
„Wie’s mir geht? Gschissen.“
„Und Ihnen?“
„A gschissen. Mir geht’s richtig gschissen.“
FM4 ist wirklich großartig. Man glaubt ja gar nicht mehr, dass Radio ein Medium ist, welches intelligente Musik bringen könnte. FM4 funkt das Gegenteil.