HURTS, 24.09.2010, SWR 3 New Pop Festival, Festspielhaus, Baden-Baden

Hurts

Foto: Steffen Schmid

Schwer interessante Situation ist das jetzt. Ich hatte ja das große Glück, das Manchester Duo vor einem halben Jahr in Berlin live sehen zu dürfen, bei einem ihrer allerersten Konzerte, als die Hype-Welle gerade am Anrollen war. Sieben Monate später ist die Hurts-Welt eine andere. Eine ausgiebige Sommerfestival-Saison liegt hinter ihnen, ihr Debütalbum ist seit kurzem erschienen und hat die Charts gestürmt.
Mal schauen also wie das heute ist im Vergleich zum letzten Mal. Zur Musik selber muss ich zum Glück nichts mehr groß schreiben. Das hat die Kollegin schon in ihrer Review aus Berlin brillant erledigt, außerdem kennen mittlerweile die meisten Leute den Hurts Sound.

Das Konzert findet in der wohl größten Lokation Baden-Badens statt, dem Festspielhaus. Alles bestuhlt natürlich, wir sitzen auf der Empore, gefühlte 100 Meter über der Bühne. Stichworte: Höhenangst, und wo ist mein verdammtes Operfernglas.
Nach der üblichen Ansageprozedur (die Gedanken werden langsam sarkastischer: „ja doch, wir werden abgehen wie Schnitzel, keine Sorge!“) kommen Hurts auf die riesige Bühne und starten mit dem Album-Opener Silver Shining. Der Sound ist wie immer hier auf diesem Festival sehr gut, diesmal sogar ein wenig lauter als sonst, aber noch weit davon entfernt, dass Ohrenstöpsel nötig wären.
Die Bühne ist in tiefes Blau getaucht, auf den Leinwänden hinten gibt es schwarz-weiß Bilder von dahin ziehenden Wolken oder Rauchschwaden. Auch der Opern-Pinguin (Linus Volkmann in seiner Intro-Rezension), sprich Backgroundsänger im Frack, ist wie in Berlin dabei, und gibt den Refrains den nötigen Pathos und Bombast.
Überraschung gleich am Anfang: Theo spricht mit dem Publikum! „Wir sind Hurts.“ sagt er auf deutsch, und auch danach wird er zwischen den Songs eine ungewohnte Redseligkeit an den Tag legen. Wäre interessant zu erfahren, an was das liegt. Gewollte Strategie? Das Mysterien umwehte Auftauchen von Hurts war ja gekennzeichnet durch spärlichste Informationen und wenig Kommunikation, und der Berliner Auftritt entsprach noch diesem Schema. Mittlerweile sind sie ja auch fleißige Twitterer und Facebook-Poster geworden.
Vielleicht ist es aber auch nur größere Bühnenroutine und abgelegte Scheu? Oder geht jetzt doch was mit Marina, und er plappert eben soviel vor lauter Glückseligkeit?

Weiter geht’s mit dem flotten Sunday, bei dem Theo die Zuschauer zum Aufstehen auffordert. Muss er sie auch nicht zweimal bitten, da die Zuschauer sowieso begeistert sind. Das wird auch durch das mir immer noch befremdliche Mitklatschen immer schön auf die ‚Eins‘ unterstrichen, die Chefin benutzt mal wieder den Fachterminus ‚Mitpatschen‘, aber egal, tolles Stück!
Theo bewegt sich mittlerweile auch richtig viel auf der Bühne, gestikuliert, man könnte fast von Tanzen sprechen. Im Magnet Club war das noch anders. Stoisches Stehen, ein wenig am Kamm herumfummeln, ein leichtes Grinsen, das war der Style im Frühjahr 2010.

Hurts

Foto: Steffen Schmid

Der nächste Höhepunkt ist das fantastische Blood, Tears & Gold. Ok, sorry, klingt jetzt peinlich, aber was soll ich machen…Gänsehaut. So sieht das aus. Vier Akkorde, eine einfache Melodie, aber alles so kombiniert, dass man niederknien muss. Großartig! Das Publikum johlt und pfeift völlig zu Recht.
Zu diesen Halbballaden wirkt das etwas überdimensionierte Ambiente plötzlich gar nicht mehr so unpassend, aber ein wenig seltsam ist es doch. In Berlin überfüllter Indieklub, niedrige Decke, Rauch, spärliches Licht, und hier plötzlich die Rolls-Royce Variante an allem. Bis zum ersten „Wetten dass…?“-Auftritt ist es nicht mehr weit, aber das meine ich gar nicht abwertend.

Mit Kylie Minogue verbindet die beiden Manchester Jungs ja ein freundschaftliches Verhältnis, sie singt auch ein Stück auf dem Album, und so verwundert es nur wenig, dass sie Confide In Me spielen. Ist schon das Original für Kylie Verhältnisse ungewöhnlich melancholisch, so ist dieses Cover hier fast schon als dramatisch zu bezeichnen. „We all get hurt by love“ singt er, eine Zeile, die Hurts bestimmt gerne selber geschrieben hätten.

Die sehr schönen Stay und Illuminated leiten zu dem Höhepunkt über, auf den viele Zuschauer hier gewartet haben: Wonderful Life natürlich. Super Stück, keine Frage, ein verdienter Hit. Bei einem Konzert einer Band anwesend zu sein, die gerade einen amtlichen Hit in den Radios platziert hat, ist auch ein Novum für mich. So sieht das also aus. Extreme Publikumbegeisterung, einige Leute flippen sogar im Rahmen ihrer Möglichkeiten aus. So ging das also bei den Beatles früher ein ganzes Konzert lang.

Eine Zugabe wird noch lautstark gefordert, und ein Smasher fehlt ja noch. Das italo-discoeske Better Than Love in einer etwas veränderten Version, ist der mehr als würdige Abschluss eines imposanten Auftritts.

So ganz kann man sich nicht von dem wohl albernen Gefühl befreien, eine liebgewonnene Band an den Mainstream zu verlieren. Aber das sind wohl nur so Übergangsgefühle. Was schließlich und hoffentlich davon unberührt bleiben wird, ist die Musik von Hurts. Außerdem sei den Beiden auch jeder Cent, den sie jetzt verdienen werden, gegönnt.

…unser Fotograf will sich übrigens demnächst auch am Kleider- und Frisenstyle der Beiden orientieren…

Ein Gedanke zu „HURTS, 24.09.2010, SWR 3 New Pop Festival, Festspielhaus, Baden-Baden

  • 26. September 2010 um 23:26 Uhr
    Permalink

    Danke für diesen auch erheiternden Bericht, den wir natürlich gern in unsere umfangreiche Linksammlung aufnehmen :).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.