MARINA & THE DIAMONDS, 23.09.2010, SWR 3 New Pop Festival, Kurhaus, Baden-Baden

Marina and the Diamonds

Foto: Steffen Schmid

„Ob wir wohl in Baden-Baden gebadet werden werden?“ fragte Max Goldt in seinem Frühwerk.
Wir sind heute Abend aber nicht zum Kurieren durch übermäßiges Golf- oder Polospielen verursachter rheumatischer Beschwerden hier, auch Krimsekt-Picheln mit neureichen osteuropäischen Ölmagnaten-Gattinen ist nicht unser Begehr. Nein, baden wollen wir schon, und zwar (Achtung!) im Charisma von Marina Lambrini Diamandis und ihrem großartigem Broadway Pop.

Die Dame ist ja in den letzten Monaten seit Erscheinen ihres Debütalbums richtig durchgestartet. Wir gig-blogger sind davon nicht überrascht, da wir ja in unseren Reihen das Pop-Orakel Cathrin haben, welches uns schon seit zwei Jahren die Musik von Marina (ebenso Hurts und Ellie Goulding) ans Herz legt.
So schreiten wir also auf Läufern in das Kurhaus, lassen den weißen Flügel im Casino rechts liegen, treten ein in den Konzertsaal mit güldenem Deckenornament und hochwertigen Parkett als Gegenspieler, und bereuen es zu guter Letzt den Anzug samt sauteurer Krawatte heute Abend nicht angezogen zu haben.

Blick ins Publikum: SEHR gemischt. Ich lehn mich mal weit aus dem Fenster (naja) und sage, dass auf ihren sonstigen Konzerten das Durchschnittsalter niedriger sein dürfte. Aber hey, wir sind in Baden-Baden, außerdem steht man ja selber an der Schwelle des Alters, an dem man Pfeife schmauchend daheim hocken sollte, um Jazz und Klassik zu hören. Also, Klappe, Marina kommt auf die Bühne!

Ein schwarzes, samtenes Kleid hat sie an, ein gelber Puschel baumelt am Hals, die Lippen sind ebenfalls schwarz geschminkt. Toll sieht sie aus, zwar ein wenig nach Goth-Queen, aber der Eindruck verschwindet sofort hinter ihrem großartigen Pop. Der erste Höhepunkt kommt gleich mit dem zweiten Song Girls. „All you do is blabla“ kann man ihr bestimmt nicht vorwerfen. Ihre Stimme ist wirklich herausragend, voluminös, facettenreich, die Texte clever. Diese theatralische Art zu singen wäre üblicherweise nicht so nach meinem Geschmack, aber zu Marina und ihren Songs passt es einfach wunderbar und stört mich nicht im Geringsten. „I’m Marina, and you are the diamonds“, das bekommen wir nach dem Song zu hören. Wenn man ein wenig den Werdegang dieser Künstlerin mitbekommen hat, weiß man, das ist kein künstlich-pathetisches Anschleimen an das Publikum, sondern einfach eine schöne Aussage einer Künstlerin, die hart an sich und ihrer Musik gearbeitet hat, und nun froh ist an einem Punkt zu sein, an dem sich die Mühen zu lohnen begonnen haben. Im Verlauf des Abends wird sie auch sagen: „this is my dream, and it’s happening“.

Marina and the Diamonds

Foto: Steffen Schmid

Weiter geht’s im Set mit Seventeen und I Am Not A Robot (Chefin: „da kann man so schee mitpatsche'“), letzteres ein weiterer Höhepunkt … der Song, nicht das Mitpatsche’. Dabei hält sie zwei leuchtende Herzen hoch. Überhaupt, visuell und vom Klang her wirkt das alles sehr hochwertig, teuer. Pogo tanzen auf bierversifftem Boden in einer zugerußten Punk-Kaschemme ist das heute Abend bestimmt nicht. Die Leute sind sehr begeistert, äußern das aber eher auf eine japanische Art und Weise. Während den Songs aufmerksam Zuhören, um dann frenetisch das Stück zu beklatschen. Ungewöhnlich, aber wir sind ja auch im Kurhaus.

Weitere Beobachtung: Marina gehört auf eine Bühne. Da sitzt jede Pose, alles extrem perfekt und professionell, und doch wirkt es so natürlich wie es in einem gewollt artifiziellen Popkontext überhaupt nur möglich ist. Beeindruckend stilsicherer Balanceakt! Und das in diesem jungen Alter nach nur einem Album.

Nach dem tollen Oh No! setzt sie sich ans Klavier und gibt solo Numb zum Besten. Das kann sie also auch.
Bevor es mit Obsessions weitergeht, kündigt sie noch an, dass sie ihr zweites Album Baden-Baden betiteln möchte. Ihr scheint der Abend wirklich Spaß zu machen. Uns auch!
Vor allem da jetzt Hollywood kommt, ein Pop-Hit, der es verdient hätte, ein halbes Jahr an Nummer Eins der Single Charts zu stehen. Ach ja, für dieses Stück hat sie sich umgezogen und hat nun eine College-Jacke an nebst Dollarzeichen-Brille.

Guilty ist der letzte Song vor dem Zugabenteil, der aus dem 3OH3-Cover Starstruck und Mowgli’s Road besteht.
Was gab’s? Eine knappe Stunde höchst erfrischenden, unbanalen Pop einer ungemein sympathischen Künstlerin. Marina, born to be a star.

2 Gedanken zu „MARINA & THE DIAMONDS, 23.09.2010, SWR 3 New Pop Festival, Kurhaus, Baden-Baden

  • 25. September 2010 um 14:42 Uhr
    Permalink

    großartig geschrieben und fantastische bilder!! WOW.

  • 25. September 2010 um 15:47 Uhr
    Permalink

    ja, wirklich toller Artikel, echt schade dass ich keine Karte mehr bekommen hab.
    Hoffe mal dass sie bald Stuggi beehren wird.
    So, aber jetzt zünd ich mir erst mal ein Pfeifchen an und höre die Zauberflöte ;)

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