KLASSE KRIMINALE, 17.09.2010, Landespavillon, Stuttgart

Klasse Kriminale

Foto: Carsten Weirich

Ui, eine stattliche Pogoparty hatte ich in meinem Konzerttipp angekündigt. Klar, wo doch eine richtig gute Oi!-Punk-Combo eigens aus Italien angereist ist, um hier ein wenig Furore zu machen. Die Mannen von Klasse Kriminale hatten sich den Freitagabend in Stuttgart sicher auch anders vorgestellt, genau wie ich. Denn was uns erwartete, war das wohl schlechtest besuchte Konzert meines Lebens. Und da sind Schulbandauftritte von pickligen Pubertierenden vor ein paar Mitschülern eingeschlossen.

Als wir am Freitagabend den Landespavillon betreten, erwartet uns gähnende Leere. Außer uns sind vielleicht noch zehn andere Gäste da. Ja gut, wir haben scheinbar noch Zeit. Also schnell ein Bier an der Bar geholt und noch ein bisschen raus an die frische Luft. Ist ja was los im Park. Nachdem wir uns über die neuesten Anti-S21-Aktionen informiert haben, geht es nach einer Stunde zurück in den Landespavillon. Zu unserer Überraschung sind es kaum mehr Gäste geworden. Ganze zwei Stunden nach dem Einlass legt die Vorband vor etwa 25 Zuschauern mit ihrer „öffentlichen Probe“ (ironischer O-Ton des Sängers) trotzdem los.

Eigentlich richtig guter englischsprachiger Punkrock, geradeaus auf die Zwölf. Aber mit kaum jemand vor der Bühne wirkt das leider nur traurig. Die Band, deren Namen ich nicht mal weiß (weil sie ihn nur einmal gesagt haben, ich ihn nicht verstanden habe und er weder auf Plakaten noch im Internet zu finden ist) gibt alles und schafft es sogar, zwei oder drei extrem dankbare Fans zum Rumhüpfen zu bewegen. Die anderen 22 stehen einfach irgendwo im Raum verteilt. Mir hat es die Laune ordentlich verhagelt. Ich hoffe, dass der Abend schnell vorüber ist und wende mich meinem Bier zu.

Eigentlich waren ja die Stuttgarter Produzenten der Froide als Vorband vorgesehen. Die haben einen Namen und hätten als Szenegröße sicherlich auch ordentlich Leute mitgebracht. Warum daraus nichts geworden ist, erklärt mir Bassist Smily, der kurz vorbeischaut, um Flyer für ein Konzert der Antifascist Rock Action mit Rawside, den Produzenten der Froide und weiteren Bands im Oktober zu verteilen. „Wir haben uns mit dem Veranstalter überworfen. Er grenzt sich nicht klar gegen die Greyzone ab und veranstaltet Konzerte mit Greyzone-Bands“, sagt Smily. Mit Greyzone meint er einen Teil der Szene, der sich nicht klar gegen rechts abgrenzt und faschistoide Tendenzen teilweise gleichgültig toleriert. „Schade, dass darunter heute eine tolle Band wie Klasse Kriminale leiden muss“, so Smily. „Aber wir fahren da eben eine klare Linie.“

Und die besagte Band sieht in der Tat gar nicht glücklich aus, als sie die Bühne betritt. Seit mehr als 25 Jahren mischen die Mannen um Sänger Marco in der Oi!-Punk-Szene mit und jetzt solch ein Trauerspiel. Die tun mir tatsächlich noch mehr leid als ich mir selbst. Der Rest ist schnell gesagt. Klasse Kriminale versuchen sich nicht anmerken zu lassen, dass kaum jemand da ist und spielen richtig guten flotten Oi-Punk mit italienischen Texten und fröhlichen Ska-Einschüben. Die wenigen zahlenden Gästen wissen das zu schätzen und quittieren den unerschütterlichen Einsatz mit Applaus. Die Partystimmung bleibt natürlich aus. Die zwei oder drei üblichen Verdächtigen tanzen ein bisschen rum, der Rest steht oder sitzt irgendwo und schaut nicht gerade euphorisiert in Richtung Bühne. Das Konzert ist dann nach etwa zwei Stunden (Vorband und Pause inklusive) auch relativ zügig zu Ende und es geht raus in die für manche noch junge Nacht.

2 Gedanken zu „KLASSE KRIMINALE, 17.09.2010, Landespavillon, Stuttgart

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