C.W. STONEKING, 18.09.2010, 1210, Stuttgart
Wanderer kommst Du nach Stuttgart, Du musst wissen, wir haben hier alle den Blues. Die Füchse und Feldhasen sind schlecht gelaunt. Im Stadtpark schläft keiner mehr gut, seit Robin Wood in den besetzten Platanenwipfeln schnarcht und tagsüber die Bagger toben. Dem Landesfürst singen sie am Tag der offenen Tür in der Villa Reitzenstein „ol‘ man river“ auf Schwäbisch und der Stadtvater ist nachts davon geritten. Er saß zitternd auf dem Rücken seines treuen Gauls und sang dabei leise „Ich bin ein armer einsamer Kuhjunge“.
Doch im Hafen liegt Hoffnung vor Anker. Ein alter Schaufelraddampfer „The Mississippi Song-O“ liegt am Kai, „C. W. Stoneking and the Primitive Horns“ haben Landgang und werden mit uns im 1210 unsere Wunden lecken und haben das neue Album „Jungle blues“ im Seesack. An Deck hält Steamboat Willie solange die Stellung. Der illegitime australische Sohn von Popeye und der Boogeyfrau weiß genau, was zu tun ist und wird dabei keine Miene verziehen. Zwei Bläser, ein Bassist mit Tuba und ein Schlagzeuger stehen ihm zur Seite. Stoneking spielt Banjo und Stahlsaitengitarre und singt von den Härten und der Pein des Lebens als Weltreisender Bluesman. Er hat ordentlich Reissnägel gefressen wie Tom Waits, jodelt wie Hank Williams, dem die Luft ausgeht und pfeift wie Ilse Werner. Robert Johnson hat ihm die Kreuzung gezeigt, wo der Teufel Dir Deine Seele abkauft und Big Bad Smitty gab seinen Segen dazu.
Es gibt Songs vom neuen Album und vom Vorgänger „King Hokum“. Das Banjo wird ordentlich gedengelt und die Bläser lassen ihre Instrumente jaulen, kein Solo darf zu lange dauern, Jazz wird woanders gespielt. Der Tubist mit Bass legt zusammen mit dem Schlagzeuger den Teppich und Stoneking lächelt nie im Rotlicht. Solo und gemeinsam, der Chef ist immer der Mann mit der kleinen roten Fliege und sonst keiner. Straßen- und Kneipenszene aus New Orleans gibt’s als kleine Talking-Blues-Einlagen, dann klingt die Truppe wie der Beerdigungszug aus „Live and let die“ und Stoneking schaut finster wie Mr. Big. Calypso- und Exotica-Elemente bekommen wir gratis dazu. Aber bei Harry Belafonte klang das niemals so verzweifelt. Das schwäbische Publikum ist begeistert. Seit Äffle und Pferdle vom Funk den Blues hier eingeführt haben, wissen wir den gepflegten Weltschmerz immer zu schätzen. Einzelne Damen winden sich in Schlangentänzen, die Herren mit und ohne Hut wippen zustimmend mit dem großen Zeh und nicken mit dem Kopf, aber bitte nicht zuviel bewegen.
Es gibt einen Frage-Antwort-Song für’s Publikum und da hat Stoneface Stoneking vielleicht doch ein wenig, ein klitzekleines bisschen gelächelt. Fotograf Andreas hat’s aber nicht erwischt und somit fehlt der Beweis.
Nach dem etwa einstündigen Set, gibt’s noch eine Zugabenrunde und dann ist Schluss. Obwohl das Publikum sich alle Mühe mit dem Applaus gibt, pfeift, jubelt und schreit (es ruft sogar einer „oben bleiben“!!!), weiss Stoneking, dass man immer aufhören muss, wenn’s am schönsten ist und das war es wirklich. Sein Mojo war mit ihm und er weiß, im Hafen heizt Steamboat Willie bereits den Kessel für die Weiterfahrt nach Berlin. Wenn er in der Hängematte in der Kajüte sanft in den Schlaf geschaukelt wird, könnte man sehen, dass ein Lächeln auf seinem Gesicht liegt. Aber wer schaut schon einem einsamen Bluesman beim Schlafen zu?
Sehr sehr schöner Text und und sehr stimmungsvolle Fotos, ich freu mich!
Dem schließ ich mich an!