2010 – A DOOM ODYSSEY, 11.09.2010, Jugendhaus Farbstraße, Bietigheim

© 2010 Katrin S. Knopp

Eine unverkennbare Anspielung hat sich dieses Festival im Bietigheimer Jugendhaus Farbstraße da auf die Fahnen geschrieben. Man könnte nun vielleicht vermuten, es hier mit einer von HALs unkontrollierbarer Künstlichen Intelligenz gesteuerten ebenso künstlich-elektronischen Musik zu tun zu haben. Im Gegenteil, es ging doom-metallisch und sehr handgemacht zur Sache.
Die kosmischen Dimensionen, welche der Festivaltitel assoziieren lässt, zeigten sich in den für diese Metal-Sparte typisch langsamen, atmosphärischen Stücken, die extrem heavy sind und hier zu guter Letzt in einer Lautstärke vorgetragen werden, als stünden Desaster Area selbst auf der Bühne.
Ein Gastbeitrag von Lobi (Ancient Spirit) mit Fotos von Mike Wiener.

GEMINI ONE

Foto: Mike Wiener

Gemini One eröffnen den Abend nach einiger Verspätung – Doom ist bekanntlich langsam – mit ihrem instrumentalen Sludge/Doom, den sie mit dezenten Postrock- und Post-Hardcore-Einflüssen vermengen. Das Ganze ist sehr rifforientiert, dennoch streckenweise detailverliebt und wird von den sympathischen Saarländern mit viel Spaß an der Sache vorgetragen. Sauber gespielt und prinzipiell alles andere als schlecht teilen Gemini One leider das Problem vieler artverwandter Bands wie Pelican und Co., live nicht wirklich mitzureißen: Zum einen ist kaum Wiedererkennungswert geboten, zum anderen fehlt es den Songs an gewissen Härten und etwas an Abwechslung, um über die volle Spielzeit packend zu bleiben und zumindest mein Interesse aufrecht zu halten. Dennoch sollten Anhänger dieser musikalischen Ecke durchaus zufrieden gestellt worden sein, jedenfalls war im Nachhinein aus dem Publikum nichts Negatives über Gemini One zu vernehmen. Ich für meinen Teil höre diesen Stil lieber zu Hause in Ruhe – live muss es einfach mehr batschen, um Spaß zu machen.

WALL

Foto: Mike Wiener

Gleich vorweg: die beste Band des Abends! Ultralaut und ultrafett, eine brutale Wand aus schweren Riffs und krachendem Schlagzeug, mit genug Feuer im Blut und Dreck im Sound und nochmal ein gutes Stück ruppiger als das 2009er Demo – vom Pop im Sludgepop war hier nichts zu hören! Für mich als Floor-, Dove– und Torche-Anhänger natürlich eine kleine Offenbarung, auch wenn die Vocals im brachial lauten Sound kaum zu vernehmen sind. Das ist allerdings bei der gebotenen Wucht gut zu verkraften, und so machen Wall vor allem eines: plätten! WOW! So ein Brett hätte ich nicht erwartet und ich bin jetzt noch schwer begeistert von dieser Dampfwalze! Definitiv mein Highlight, und ich hoffe, dass man die Herren in Zukunft etwas häufiger zu Gesicht bekommen wird.

VTS-M

Foto: Mike Wiener

Was soll man zu Nürnbergs Finest noch groß Worte verlieren? Dass Boris und Co. schnuckelige Buben sind, dürfte sich ja schon längst in entsprechenden Kreisen rumgesprochen haben, und dass VTS-M live eine Bank sind wohl ebenso. Fette Lavariffs, wütender Gesang, mit viel Herzblut präsentiert, kurzum: einfach fies-geile Sludgekracher, die auch mal derbe nach vorne rocken oder jammig vor sich hin dröhnen dürfen. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich die Herren die letzten Jahre gesehen habe – zumindest nicht gerade selten – und jedes Mal wurde nur das fetteste Brett geboten und auch die Doom Odyssey-Show sollte keine Ausnahme sein. Eine der besten Bands dieser Art in unserem Land!

Pombagira

Foto: Mike Wiener

Schon ein kleines bisschen mutig von dem britischen Sludge-Duo Pombagira so alleine auf eine selbstorganisierte Euro-Tour zu gehen, vor allem, da das Ehepaar nicht gerade von einem allzu hohen Bekanntheitsgrad zehren kann … aber gut, hier interessiert das weniger. Wichtiger ist, was die Show der Briten zu bieten hat – und die ist anfangs mal richtig steil: rotzig-fiese Riffsalven irgendwo zwischen Sleep und Electric Wizard, überaus dick vorgetragen und mit hohem Unterhaltungswert. Leider zeigen sich im Verlauf des Sets deutliche Abnutzungserscheinungen aufgrund des etwas zu eintönigen, gleichförmigen Songmaterials und der Schlagzeugerin, die zunehmend unsauber agiert. Trotz der noch immer hohen Intensität des Gebotenen, auch bedingt durch die extreme Lautstärke, geht der Spaß an der Show zusehends flöten. Schade drum, denn als Fan der Veröffentlichungen hatte ich mich schon auf das Pärchen gefreut. Aber vielleicht haben sie auch nur einen schlechten Tag.

Toner Low

Foto: Mike Wiener

Toner Low sind live einfach ein Brett, da gibt’s nix zu meckern: psychedelischer Stonersludge mit geil abgefuckten, angezerrten, im Soundinferno begrabenen Vocals und abgedrehten Projektionen. Sind die Holländer auf Platte mehr als öde, so reißen sie live umso mehr. Dabei wirkt ein Toner Low-Set auch eher wie ein einstündiger Jam aus Noise und Riffs, mal mit schleppenden, mal mit wilden Drums. Wie man es nimmt, es ist ein intensives Erlebnis, das auch zu fortgeschrittener Stunde und trotz einer gewissen Gleichförmigkeit des Dargebotenen zu keiner Sekunde langweilt. Auch wenn sie mich nicht mehr ganz so vom Hocker reißen können wie die vorherigen Male, was an diesem Abend nach vier ähnlich gearteten Kapellen ja eigentlich kein Wunder ist, bleibt festzuhalten, dass die Niederländer einmal mehr beweisen, dass sie zu den besten Livebands überhaupt gehören.

Die Veranstalter, die teilweise schon an den Doom in Bloom-Festivals beteiligt waren, welche in den letzten Jahren in derselben Location stattfanden, haben uns hier eine Reihe sehr sehens- und hörenswerter Bands auf die Bühne gebracht – so laut und so massiv, dass sich der Sound an diesem Abend schon mitten im Raum zu einem schwarzen Monolithen zu verdichten schien. Nur Barbarella habe ich nirgends gesehen …

Gemini One

Wall

VTS-M

Pombagira

Toner Low

3 Gedanken zu „2010 – A DOOM ODYSSEY, 11.09.2010, Jugendhaus Farbstraße, Bietigheim

  • 16. September 2010 um 08:24 Uhr
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    Großartig! Doom – nach meiner Sun O))) und Honey Doom-Erfahrung immer noch ein beinahe weisser Genre-Fleck für mich, hochspannend.

    Es sollte noch erwähnt werden, dass Claus diesen Bericht initiiert hat. Tolle Fotos!

  • 16. September 2010 um 08:34 Uhr
    Permalink

    „Desaster Area“ kannte ich auch noch nicht, herrlich!

  • 16. September 2010 um 23:18 Uhr
    Permalink

    Hätte ich mir auch angeschaut – hätte ich davon gewusst. Der Farbstraße wird gleich ein Lesezeichen eingeräumt, ich hatte sie offenbar zu unrecht seit Jaahren nicht mehr auf dem Schirm.

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