DIE STERNE, 15.04.2010, Rocker33, Stuttgart

Die Sterne

Foto: Steffen Schmid

Kannst Du nicht richtig laufen?
Oder was lief schief?
Und sitzt die Wunde tief, in deinem Innern?
Kannst Du Dich nicht erinnern?
Bist Du nicht immer noch, Gott weiß wie, privilegiert?

Eigentlich war der Bericht für Die Sterne im Rocker33 schon fertig geschrieben, noch bevor eine Note gespielt war. Aber dann hat mich die Realität eingeholt und die Wirklichkeit hat mehr geboten, als meine Phantasie hergibt.
Die Sterne kommen aus Hamburg und machen seit 1992 zusammen Musik. Ich frage mich, warum Tocotronic das LKA füllen und die Sterne im weit kleineren Rocker33 spielen. Waren die nicht mal auf dem gleichen Bekanntheitslevel? Mein Kenntnisstand ist nun aber auch nicht mehr ganz frisch, eher aus besten „Was hat Dich bloß so ruiniert“-Zeiten. Vielleicht liegt’s ja am Bandnamen. Wer „Sterne“ googelt findet die Band erst unter ferner liefen. Tocotronic sind dagegen etwas besser platziert. Da muss man als ehrgeizige Nachwuchsband bei der Namenswahl doch drauf achten!

Die Sterne

Fotos: Steffen Schmid

In bester Hamburger-Schule-Manier wird eröffnet: Aber andererseits, In diesem Sinn, Big in Berlin, und damit wird gleich zu Beginn eine kleine Retrospektive geboten. Da freut sich der Altfan und der Nachwuchs staunt.
Ein neues Album gibt’s aber auch: 24/7 und Gert sagt, dass Lino erzählt hat, es klänge elektronisch. Und so ist es dann auch. Depressionen aus der Hölle, Life in Quiz, Nur Flug. Gut tanzbar, was auch dankbar angenommen wird vom vorwochenendlichen Partyvolk.
Kopf und Sänger der Sterne ist Frank Spilker, der alles kann, nur nicht tanzen. Es bewegt sich ungelenk und wenig elegant, und erinnert bei ungünstiger Beleuchtung an Beißer. Aber da er ein sympathischer Typ ist, wird ihm seine Unbeholfenheit gerne verziehen. Erst recht als er sich in die Mitte des Publikums begibt und dort singt und tanzt und hüpft.
Universal Tellerwäscher, Trrmmer, Wahr ist was wahr ist, Was hat Dich bloß so ruiniert.
3/4 des Publikums tanzt und singt mit ihm und hat einen Mordsspaß.
Zur zweiten Zugabe darf jeder der will und rauchen kann auf die Bühne. Convenience Shop und Wenn Dir St. Pauli Auf Den Geist Fällt werden zum Besten gegeben, hinter der Band lachen, tanzen und flirten die verschwitzen Leiber der Fans und rauchen dabei, was das Zeug hält. Muss ja auch einer machen.

Die neuen Stücke der Sterne mögen nicht jedermanns Sache sein, aber eine stringente Fortführung der Hamburger Schule ist durchaus erkennbar: Intelligente Texte, komplexe Rhythmen und Melodien, Botschaft.

Und der vorgefertigte Bericht über den heutigen Abend? Kommt in die Schublade und wartet auf seinen großen Auftritt.

Daß sie nicht zuhör’n wollten?
Oder nichts glauben?
Waren sie dumm,
zu dumm um zu verstehen
Wovon du erzählt hast
Wollten Sie die Wahrheit rauben?
Und dich einsperren
in Ihren Kaktusgarten.
Konnten Sie damit nicht warten?

10 Gedanken zu „DIE STERNE, 15.04.2010, Rocker33, Stuttgart

  • 16. April 2010 um 09:52 Uhr
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    Spitzenkonzert, und die neuen Stücke gefallen mir sehr gut. Eigentlich konsequente Weiterführung in die Disco zu gehen, da die Die Sterne schon immer Groover waren. Und live wird’s dadurch abwechslungsreicher.
    Außerdem tanzt Herr Spilker so bezaubernd ungelenk und hilflos, dass ich mir im Vergleich wie Fred Astaire vorkomm. Danke dafür!

  • 16. April 2010 um 10:39 Uhr
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    Warum eine so ‘große‘ Band wie Die Sterne nur im Rocker spielen (und das dann wenigstens nicht aus allen Nähten platzt) hab ich mich auch gefragt. Aber egal, schöner Bericht und v.a. sehr schönes Konzert.

  • 16. April 2010 um 10:56 Uhr
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    @stegoe: glaub viele alte Fans können mit der neuen Platte nicht soviel anfangen. Und allzu viele neue dürften sie bisher wahrscheinlich nicht gewonnen haben. Sehr schade, aber war ja gut gefüllt gestern abend mit prima Stimmung + 5 Zugaben (ok, 2 Zugabenblöcke auf 5 Songs verteilt).

  • 16. April 2010 um 11:53 Uhr
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    Diese vollkommen mühelose Lässigkeit können glaube ich nur Hamburger – und die Abschlussorgie mit Fans auf der Bühne hätte noch viel besser zu „Wir hatten Sex in den Trümmern mit Freunden“ gepasst :-). Ich fand die Stimmung extrem bunt gemischt und das Publikum sehr „intim“ -äh andersrum.

  • 16. April 2010 um 12:29 Uhr
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    „Da muss man als ehrgeizige Nachwuchsband bei der Namenswahl doch drauf achten!“
    Heute schon, 1992 gab es aber Google und multimediafähiges Internet noch nicht.
    Schöner Bericht!

  • 16. April 2010 um 13:42 Uhr
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    Also mich haben sie dazugewonnen. Ich glaube, ich wäre ohne das neue Album nicht hingegangen. Toll, daß sich so ne „altgediente“ Band so ein Disco-Album traut!

  • 16. April 2010 um 13:53 Uhr
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    Zu Namenswahl und Internet: Deswegen hat sich eine Newcomerband mutmaßlich grade auch grammatikalisch fragwürdig (aber lustig) An Horse genannt.

    Wie wär’s also mit Umbenennung in Das Sterne, die Stehrne, Die Schterrne, Die Sterner…?

  • 16. April 2010 um 15:30 Uhr
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    Sehr schön! Ich denke immer, dass Loriot mir das vorliest.

  • 26. April 2010 um 19:55 Uhr
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    Vier Dinge möchte ich noch anmerken.

    1. Dass Frank Spiller an den Beißer erinnert fiel mir bereits vor Jahren auf und es wundert mich, dass du tatsächlich der Erste bist, den ich das irgendwo schreiben sehe.

    2. Auffällig finde ich das Fehlen der Orgel. Dadurch verlieren einige alten Lieder live einiges. Die neuen sind geil.

    3. Beim Konzert ca. 2007 in Schorndorf war es da bumsvoll, keine Ahnung warum die diesmal im Rocker spielten.

    4. Dieser ständige Hinweis auf „Hamburger Schule“ geht gar nicht. Was soll denn das sein? Was ist denn da das Gemeinsame? Wer kennt denn tatsächliche ne Band die sich anhört wie Sterne und Hamburger Schule ist? Stuttgart Nachrichten, lift, alle schreiben Hamburger Schule und zeigen doch nur, dass Ihnen nix anderes einfällt um diese Musik zu beschreiben.

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