Antifascist Oi Festival mit FORBIDDEN KINGS, PRODUZENTEN DER FROIDE, DISCIPLINE, 05.03.2010, Jugendhaus Hallschlag, Stuttgart

Antifascist Oi Festival

Foto: Carsten Weirich

Antifascist Oi Festival – na das klingt doch nach einer Menge Spaß. Und dann auch noch Discipline, eine meiner absoluten Lieblingsbands, wenn es um Streetpunk geht. Unterstützt werden die Holländer von zwei schwäbischen Größen in Sachen Oi-Punk, den Forbidden Kings und den Produzenten der Froide. Also ab ins Jugendhaus Hallschlag an diesem bitterkalten Freitag.

Dort angekommen wundern wir uns erst mal darüber, wie groß das Jugendhaus ist. Wer dachte, die drei Bands spielen in einem kleinen Räumchen liegt falsch. So klein ist das gar nicht. Ganz im Gegenteil. Hat zwar ein bisschen Turnhallen-/Schuldiscoflair, macht bei der Musik aber gar nichts.

Eine Band wie Discipline, eigentlich unpolitisch und der, ähem… nennen wir es mal, „Fußball-Fan-Kultur“ nahestehend, zieht unter Umständen auch mal eher zwielichtiges Publikum an. Umso schöner, dass sie mit ihrem Auftritt auf einem Antifascist Oi Festival auch als unpolitische Band Stellung beziehen. Das wirkt sich auch auf das Publikum aus: Punks, Skins, stadtbekannte Unruhestifter und allerlei buntes Volk tummeln sich in freundlicher und gelöster Atmosphäre im Jugendhaus. Beim ein oder anderen ist die Stimmung schon sehr gelöst, schön am unsicheren Torkelgang zu erkennen. Alkohol passt zu Punkrock einfach wie Arsch auf Eimer.

Kurz nach 21 Uhr entern dann die mir bis dahin noch unbekannten Forbidden Kings die Bühne, mit der undankbaren Aufgabe das Publikum in Stimmung zu rocken. Finest Streetpunk Schwaben steht unter Ihrem Bandlogo und ich muss schon sagen: Das knallt wirklich. Frontmann Poldi Power und seine drei Bandkollegen erfinden die Musik nicht neu, aber spielen einfach straighten, flotten Streetpunk mit englischen und deutschen Texten. Das Publikum kommt allerdings noch nicht so richtig in Wallung, was wohl weniger an der Qualität der Band liegt. Die meisten Leute stehen noch irgendwo im Vorraum oder draußen, trinken Bier und begrüßen Freunde und Bekannte. Nach zwei Songs tingeln aber doch die ersten potenziellen Schubser Richtung Bühne, um dort angekommen erst mal dem Nebenmann eine mitzugeben. Ein zarter Funke Pogoparty sozusagen. Als die erste Band des Abends die Bühne verlässt, habe ich mir fest vorgenommen mir demnächst mal ein Album der Forbidden Kings raus zulassen.

Antifascist Oi Festival

Foto: Carsten Weirich

Die nächsten in der Reihe sind dann die Produzenten der Froide aus Stuttgart, eine echte Größe in Sachen Oi-Punk, und das seit 1992. Mit der Urbesetzung der Produzenten habe ich in deren ersten Jahren viel Zeit verbracht und eine Menge Spaß gehabt. Weilimdorf Posse mal wieder. Von damals ist jetzt nur noch Karl übrig, der damals Gitarrist war. Mittlerweile ist er der Frontmann der Produzenten und ich muss schon sagen: eine gute Entscheidung. Vom ersten Song an geht die Post ab. Karl brüllt und shoutet, was das Zeug hält, die Band gibt Vollgas und die Party bricht los. Der Schubskreis nimmt Formen an, Oberkörper werden entblößt, Fäuste werden Richtung Hallendecke gestreckt und Songs wie „Mittelfinger“ oder „White Power, golden shower“ mitgegrölt. Den Produzenten ist es wichtig Stellung zu beziehen und sich abzugrenzen von dem Teil der Szene, der, wie Karl sagt, „mit rechts kuschelt“. Das Publikum nimmt es dankend an und es hallt „Alerta Alerta Antifascista“ durch den Raum. Zwischendurch wird der VfB zelebriert (und das obwohl Karl bekennender Kickers-Fan ist). Fußball und Oi-Punk passen nämlich auch zusammen wie Arsch auf Eimer. Mein persönlicher Höhepunkt ist aber das gnadenlos hymnenartige Cover „Griechischer Wein“. Hätte nicht gedacht, dass ich mal einen Udo Jürgens-Song mitsinge. Als sich die Produzenten dann verabschieden, könnte ich schon zufrieden nachhause gehen. Aber da war ja noch was. Discipline.

Ich habe mich schon lange drauf gefreut, die Holländer mal live zu sehen. Jetzt ist es soweit. Discipline betritt die Bühne und beim Anblick von Frontmann Joost de Graaf und seinen Mannen frage ich mich, ob die für ein Oberarmtattoo genau so viel bezahlen müssen wie ich. Wenn ja wär’s eine Schweinerei. Gerechterweise sollten sie dafür so viel blechen wie ich für einen komplett tätowierten Rücken. Schon beim kurzen Soundcheck verbreiten die Holländer Stimmung, grölen Fußballmelodien oder bitten schon mal eine nicht ganz unattraktive Punkrockerin zum Tanz auf die Bühne. Nach ein paar Minuten geht es los und vom ersten Ton an ab. Streetpunk deluxe! Melodisch und ohne Umwege direkt auf die Zwölf – das ist der Sound der Eindhovener, die seit 1990 ihr Unwesen in der Szene treiben. In den Songs geht es um Fußball (mal wieder), die Arbeiterklasse, Freundschaft, Liebe, Suff und Schlägereien. Der Schubskreis hat sich mittlerweile zu einem sehr stattlichen gemausert und die Fans brüllen jeden Song mit. Während der Frontmann den Kontakt zum Publikum sucht, knallen verschwitzte Oberkörper gegeneinander, treffen Doc Martens auf Schienbeine und fallen Pogotänzer übereinander. Discipline gibt Hits wie „Downfall of the working man“, „When I’m dancing I ain’t fighting“ und „Hell is for heroes“ zum Besten und freut sich offensichtlich genauso über den gelungenen Abend wie ich. Als sie Ihre PSV Eindhoven-Hymne „Red & White Army“ zum Besten geben, frage ich mich, warum der VfB nicht mal eine coole Band einen Song schreiben lässt. Unsereins muss sich immer so einen Riesenscheiß wie Wolle Kriwaneks „Stuttgart kommt“ gefallen lassen. Kann der VfB nicht einfach den Song von Discipline klauen? Rot und weiß sind doch auch Stuttgarts Farben. Naja, egal. Discipline zelebriert den Fußball jedenfalls und ganz offensichtlich bleiben die sympathischen Holländer auch mal länger als 90 Minuten im Stadion des PSV, bis zur dritten Halbzeit sozusagen. Nach zwei Zugaben neigt sich die Party leider dem Ende entgegen. Discipline entlässt das sichtlich erfreute Publikum gegen 0:30 Uhr mit „Runnin‘ Riot“ in die bitterkalte Nacht.

Ein wirklich gelungenes Konzert. Stimmig von der ersten bis zur letzten Band. Sicher nichts für Musik-Feingeister, aber ein genialer Abend für Fans des einfachen und straighten Streetpunk. Sauber.

Discipline

4 Gedanken zu „Antifascist Oi Festival mit FORBIDDEN KINGS, PRODUZENTEN DER FROIDE, DISCIPLINE, 05.03.2010, Jugendhaus Hallschlag, Stuttgart

  • 6. März 2010 um 14:01 Uhr
    Permalink

    Hammer, Cassy!

    Näxtes mal bin ich dabei!

  • 6. März 2010 um 15:54 Uhr
    Permalink

    Ja, aber mal echt. War saugut.

  • Pingback: Produzenten der Froide

  • 30. Juli 2010 um 19:21 Uhr
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    Es gibt keiner näxtes mal. Der Lead-Sänger der Band Discipline, Joost, hat leider letzte Woche seine Frau getötet und dann sein Haus niedergebrannt.

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